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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorgänger ist skeptisch Das sagen seine Freunde über den künftigen Verteidigungsminister
Boris Pistorius (SPD) wird neuer Verteidigungsminister. Fast zehn Jahre war er Innenminister in Niedersachsen. Was erwarten Freunde und Gegner von ihm?
Deutschland hat einen neuen Verteidigungsminister: Boris Pistorius (SPD) folgt auf Christine Lambrecht (ebenfalls SPD). Nach zehn Jahren an der Spitze des Innenministeriums hinterlässt Pistorius in der Landeshauptstadt Hannover viele Weggefährten. Wird Pistorius seiner neuen Aufgabe gerecht werden? t-online hat sich umgehört – bei Gegnern und Freunden.
"Es ist ein großer Gewinn für die Bundespolitik, aber ein großer Verlust für die niedersächsische Landespolitik", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) über seinen Parteikollegen, der nach fast 10 Jahren als Innenminister an die Spitze des Verteidigungsministeriums wechselt. "Deutschland bekommt einen sehr guten Verteidigungsminister – davon bin ich überzeugt", sagte Weil per Instagram-Beitrag am Mittwoch. Vor den Pressevertretern am niedersächsischen Landtag betonte Weil zudem, dass Pistorius "Autorität und Sicherheit" vermitteln könne.
Mehr Bundeswehr-Erfahrung als gedacht?
Auch Anke Pörksen, seit mehreren Jahren Sprecherin der niedersächsischen Staatskanzlei, hält die Wahl von Pistorius für "ganz hervorragend". Vor allem seine Kenntnisse der Inneren Sicherheit würden sich angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bezahlt machen. Diese Kenntnisse seien auch im Hinblick auf mögliche Sabotageattacken oder Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur von Nutzen für die Bundeswehr.
Vor allem aber ließe sich Pistorius' Erfahrung mit der Bundeswehr nicht bloß auf seine Wehrdienstzeit reduzieren, sagt Pörksen weiter. Auch in der Versorgung während der Flüchtlingskrise habe der Minister eng mit der Bundeswehr zusammengearbeitet, ebenso in der Abwehr von Cyberattacken.
Hannovers Oberbürgermeister würdigt Pistorius’ Arbeit
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) blickt auf gemeinsame vier gemeinsame Jahre in Niedersachsens Landtag zurück. "Als innenpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion habe ich immer gut mit ihm zusammen gearbeitet", sagt Onay t-online. "Er besitzt eine gute Haltung, ist klar im Ton und sehr verbindlich", so Onay weiter.
Nach CDU-Minister Uwe Schünemann hätte Pistorius einen Wertewandel in der Innenpolitik Niedersachsens vollzogen und hätte auch in Krisenzeiten zuverlässig für die innere Sicherheit gesorgt und dem Schutz der Menschenrechte oberste Priorität eingeräumt, sagt Onay weiter.
Für einen Nachfolger wünscht sich Hannovers Stadtoberhaupt "Haltung, Teamgeist und einen Blick für die Herausforderungen in den Kommunen." Es bräuchte Antworten auf die zunehmende Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft. Krisen könnten nur gemeinsam gelöst werden.
Vorschusslorbeeren aus den eigenen Reihen
"Der Weggang ist ein großer Verlust für Niedersachsen", sagt Hannovers Regionspräsident Steffen Krach (SPD) t-online. "Herr Pistorius war ein exzellenter Innenminister und hatte immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Kommunen", so der Vorsitzende der Versammlung der Kommunen in der Region Hannover weiter. "Für die Bundesregierung ist Herr Pistorius ein Riesengewinn. Er wird ein top Verteidigungsminister."
"Ich gratuliere Boris Pistorius ganz herzlich!", sagt Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD). Er und Pistorius kennen sich seit vielen Jahren, gelten als vertraut: Kornblum war zuvor in Hannover persönlicher Referent bei Pistorius sowie Referatsleiter und Leiter des Ministerbüros.
"Aus der intensiven Zusammenarbeit im niedersächsischen Innenministerium weiß ich, dass er aufgrund seiner langjährigen Erfahrung die Durchsetzungskraft und Kompetenz mitbringt, um die großen aktuellen Herausforderungen dieses Amtes zu bewältigen", sagt Kornblum t-online. "Die Bundeswehr ist bei ihm in sehr guten Händen." Kornblum wird neben SPD-Franktionschef Grant Hendrik Tonne und Innenpolitiker Sebastian Zinke als potenzieller Nachfolger für das Amt als Innenminister gehandelt.
Pistorius' Vorgänger zeigt sich skeptisch
Pistorius' Vorgänger im niedersächsischen Innenministerium und langjähriger Landtagskollege, Uwe Schünemann (CDU), äußert sich skeptisch über die Personalie. t-online sagt er: "Ich halte es für fraglich, ob er notwendige Reformen bei der Bundeswehr durchsetzen kann." In Niedersachsen sei vor allem die Digitalisierung und die Modernisierung der Verwaltung bei der Polizei auf der Strecke geblieben, so der CDU-Politiker. Diese müssten nun dringend vom Nachfolger angegangen werden.
Allerdings findet der Innenpolitiker auch versöhnliche Worte: "Ich glaube schon, dass er den Ton in der Truppe treffen wird", sagt Schünemann. Zudem sei Pistorius geschickt gegenüber Medien: "Peinlichkeiten wie bei Frau Lambrecht? Werden Pistorius nicht passieren."
"Ich gratuliere Boris Pistorius zu seinem neuen Amt und wünsche ihm eine glückliche Hand", schreibt CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner auf t-online-Anfrage. "Für die Bundeswehr hoffe ich, dass sie endlich wieder in ruhiges Fahrwasser gerät." Auch die niedersächsischen Soldaten seien zu lange über die Zukunft des Verteidigungsministeriums im Unklaren gelassen worden.
Niedersachsens Ex-Ministerpräsident und früherer Bundespräsident Christian Wulff wollte sich auf t-online-Nachfrage nicht zu der Personalie Pistorius äußern.
Rücktrittsgesuch liegt der Staatskanzlei vor
Nach dem Wechsel ins Bundesverteidigungsministerium übernimmt in Niedersachsen nun kommissarisch Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) das Innenministerium. Das beruht auf der Vertretungsregelung der niedersächsischen Landesregierung. Pistorius habe der Staatskanzlei sein offizielles Rücktrittsgesuch bereits übermittelt.
Ministerpräsident Weil kündigte indes eine zügige Entscheidung bei der Suche nach einem Nachfolger an.
- E-Mail-Austausch und Telefonat mit der niedersächsischen Staatskanzlei
- Instagram-Account von Stephan Weil
- E-Mail-Austausch mit der Pressestelle der Stadt Braunschweig
- Telefonat mit Hannovers Regionspräsident Steffen Krach
- Telefonat mit Uwe Schünemann