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Reichsbürger war Sicherheitsexperte bei Synagogen: So plante er den Umsturz


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"Reichsbürger" sollte Synagogen schützen
Der Ex-Polizist, der den Umsturz plante


Aktualisiert am 08.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Michael Fritsch als Polizist für Einbruchssicherheit in Hannover (Archivbild): Am Mittwoch wurde der 58-Jährige festgenommen.Vergrößern des Bildes
Michael Fritsch als Polizist für Einbruchssicherheit in Hannover (Archivbild): Am Mittwoch wurde der 58-Jährige festgenommen. (Quelle: Holger Hollemann/dpa)
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Razzien und Festnahmen bei "Reichsbürgern" – darunter auch ein Ex-Polizist aus Hannover. Früher kümmerte er sich um Sicherheitskonzepte jüdischer Gemeinden.

25 Menschen aus der "Reichsbürger"-Szene sind am Mittwoch bei einer groß angelegten Razzia festgenommen worden – darunter auch der Ex-Polizist Michael Fritsch und dessen Partnerin Melanie Ritter aus der Region Hannover. Fritsch wird vorgeworfen, zum "militärischen Arm" der Umstürzler und zum Führungsstab von Heinrich XIII P. gehört zu haben.

Bereits im Jahr 2020 war Fritsch durch skandalöse Demo-Auftritte vor Corona-Leugnern aufgefallen, wurde vom Dienst freigestellt – und im April 2022 schließlich entlassen – das Berufungsverfahren steht noch aus. Doch was ist sonst über Michael Fritsch bekannt? Eine Spurensuche.

Kritik an Corona-Maßnahmen und NS-Vergleiche

Schon im April war für das Verwaltungsgericht Hannover klar: Michael Fritsch ist "Reichsbürger": Der Vorwurf ist "durchaus berechtigt", berichtete die "Hannoversche Allgemeine" damals von der Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Martin Goos. "Ein Polizist hat die Pflicht, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und dafür einzutreten", sagte Goos der Zeitung. Dies sei bei Fritsch nicht mehr der Fall gewesen.

Fritsch hatte Verschwörungssmythen über den BER und Stuttgart 21 verbreitet, in denen Migranten auf den Great Reset warten würden; über Kinder, aus deren Blut Adrenochrom gewonnen werde; er hatte die Corona-Maßnahmen mit Methoden des NS-Regimes verglichen, seinen alten Pass weggeworfen und einen neuen beantragt. "Preußen" nannte er in dem Antrag sein Geburtsland. In Reden bezeichnete Fritsch sich selbst als "Staatenloser". Gegenüber dem NDR distanzierte sich Fritsch damals noch von "Reichsbürger"-Vorwürfen: Er sehe sich als Verteidiger der Demokratie. Wenn er von der "Befreiung Deutschlands" spreche, dann meine er damit einen "Regelungswahnsinn", so der 58-Jährige damals.

Polizist mit "guten Beurteilungen und ohne Zwischenfälle"

Laut Richter Goos galt Fritsch als Polizist mit guten Beurteilungen, ohne Zwischenfälle nach 40 Jahren im Polizeidienst. Besonders brisant: Fritsch war in Hannover als Polizist für Prävention und Einbruchschutz verantwortlich, entwarf Konzepte, die nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Halle im Oktober in den jüdischen Gemeinden umgesetzt wurden.

Im Jahr 2021 trat Fritsch als niedersächsischer Spitzenkandidat für die "Querdenker"-Partei "Die Basis" an. Auf seinem Wahlplakat der Spruch: "Missbrauch von Macht muss Konsequenzen haben!" Die Partei holte in Niedersachsen am Ende nur 1,3 Prozent. Zuvor hatte Fritsch auf einer Demonstration angekündigt, auswandern zu wollen, sollte die Partei den Einzug in den Bundestag verpassen.

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Mitglied im Führungsstab des "militärischen Arms"

Fritsch gehörte laut Bundesanwaltschaft zum "militärischen Arm" der terroristischen Vereinigung, die am Mittwoch bei bundesweiten Razzien hochgenommen wurde. Und nicht nur das: Fritsch war Mitglied im sogenannten Führungsstab. Zu dessen Aufgabe habe gezählt, Mitglieder zu rekrutieren, Waffen und andere Ausrüstung zu beschaffen, Schießübungen zu organisieren. Auch das Entwickeln von Plänen für die Unterbringung und Verpflegung der "Heimatschutzkompanien" standen auf seiner Aufgabenliste.

Beim Anwerben von Unterstützern hätten sich die Beschuldigten vorwiegend an Polizisten und Soldaten gerichtet, hieß es weiter. Michael Fritsch und weitere Beteiligte sollen im November versucht haben, in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung zu gewinnen.

Mit Waffengewalt an die Regierung

Schon in einer Telegram-Nachricht im Frühjahr 2021 hatte sich Fritsch mit seinen Umsturzplänen direkt an Soldaten und Polizisten gerichtet: "Wir müssen auch den Zeitpunkt abpassen, den Impuls abpassen, dass es nicht eine Revolution aus Teilen der Armee ist, die blutig niedergeschlagen wird, sondern wir müssen uns auch sicher sein, wenn quasi die Regierung abgesetzt wird, dass die militärische Einheit dann vorübergehend die Kontrolle übernimmt und zusammen mit der Polizei für Frieden auf den Straßen sorgt." Der Übergang zu einem "neuen System" sollte demnach möglichst friedlich verlaufen.

Doch laut den aktuellen Angaben der Bundesanwaltschaft stehe die aufgehobene Gruppe im Verdacht, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, die mit Waffengewalt eine neue Regierung installieren wollte und auch Tote in Kauf genommen hätte. Welche Mitglieder noch zum "militärischen Arm" der Terrorgruppe gehören sollen, lesen Sie hier.

Gemeinsam mit seiner Partnerin, der Ärztin Melanie Ritter aus dem Landkreis Peine, sollte Fritsch nach dem gewaltsamen Systemwechsel in die Führung unter Rädelsführer und Unternehmer Heinrich XIII übernehmen. Ritter sollte eine Art Gesundheitsministerin werden. Zuvor soll Ritter die Gruppe auch finanziell unterstützt haben, weitere Details sind allerdings noch nicht bekannt. Auch Ritter war in der Vergangenheit mehrfach auf Corona-Demos aufgefallen.

So auch im Jahr 2021, als sie auf einer Kundgebung in Hannover Fritsch beistand, der dort neben der Basis-Parteikollegin Eva Rosen als Redner auftrat. Dort habe sie einen Schwächefall erlitten, weil sie auf Drängen der Polizei eine Maske habe tragen müssen, wie ein YouTube-Video zeigt. Direkt im Anschluss konnte sie, von Rosen gestützt, allerdings munter und aufgebracht mit Polizisten diskutieren.

Vorbereitung auf "D-Day 2.0"

Es ist nicht der erste radikale Umsturzversuch von Michael Fritsch: Beim "D-Day 2.0" war er ganz vorne mit dabei. Damals hatten sich Corona-Leugner, Rechtsextremisten und "Reichsbürger" beim Messengerdienst Telegram organisiert, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren.

Es sollten mit schweren Fahrzeugen neuralgische Punkte auf Autobahnen besetzt werden – um dem System nachhaltig zu schaden und die Deutschen zu "befreien". Die Namensgebung erfolgte in Anlehnung an die Landung der alliierten Truppen in der Normandie am 6. Juni 1944.

Wie reagiert die jüdische Gemeinde in Hannover?

"Es besorgt uns sehr, dass Michael F. zu den Beschuldigten eines mutmaßlichen Terrornetzwerks gehört", sagt Rebecca Seidler, Vorsitzende des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen und Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, t-online.

"Es ist genau das eingetreten, wovor wir damals gewarnt haben", so Seidler weiter. Schon 2020 habe sie wahrgenommen, dass sich Michael F. radikalisiere und Kontakte zu rechtsextremen Gruppierungen pflege. "Weil er Sicherheitskonzepte für die jüdischen Gemeinden erstellt hat und damit Detailwissen über die Sicherheitssituation jüdischer Gemeinden hat, besteht ein Sicherheitsrisiko, das spätestens jetzt ernst genommen werden muss", sagt Seidler. "Ich erwarte von den Sicherheitsbehörden, dass sie mit uns besprechen, wie ein Sicherheitsrisiko für unsere Gemeinden reduziert werden kann."

Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, zeigt sich dagegen relativ unbesorgt. Zu t-online sagt Fürst: "Wir brauchen uns deshalb keine Sorgen zu machen. Unser Sicherheitskonzept haben wir mit LKA und anderen Beteiligten abgeklärt."

Fürst kenne nur die "Hardware", sprich Sicherheitsglas, Fenster, Türen – nichts, worüber andere Einrichtungen nicht auch verfügen würden. Über genaue Sicherheitskonzepte wisse er nichts. Allerdings, so Fürst: "Es ist schrecklich, dass so viele von denen Waffen führen", sagt Fürst. "Das ist ja fast wie in den USA."

Verwendete Quellen
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