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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Große Freude bei Fahrgästen Der Ebbelwei-Expreß ist wieder auf der Schiene
Fast zwei Jahre stand der Ebbelwei-Expreß pandemiebedingt still. Seit Anfang Mai ruckelt er wieder regulär durch die Straßen Frankfurts. Wie groß die Freude unter den Fahrgästen ist, hat unsere Reporterin gefragt.
Tramstation Zoo. Um den zentralen Platz mit Springbrunnen herum fahren ankommende Trambahnen einmal durch den Kreisel. Eine Tramglocke schlägt und setzt ihr klirrendes Klingeln ab. Doch um die Ecke schlängelt sich keine gewöhnliche Tram der hier verkehrenden Linie 14, sondern ein recht rustikales, bunt bemaltes Modell.
Die historische Straßenbahn zieren auf rotem Grund allerlei Frankfurt-Devotionalien. In einer Art Wimmelbild sind etwa der Dichter Goethe, der Römer – das Frankfurter Rathaus –, mehrere Bembel – Apfelweinkrüge – und der Eiserne Steg – eine Brücke – zu erkennen. Aus den offenen Türen schallt Volksmusik. Über dem Fahrerhäuschen prangt ein rundes Schild mit dem Logo der Apfelweinkelterei Possmann, in der Fahrtanzeige darunter steht "Ebbelwei-Expreß" in großen roten Lettern geschrieben. Übersetzt ins Hochdeutsche heißt das "Apfelwein-Express".
Schaffner: "Die Stimmung ist wie in einer kleinen Apfelweinkneipe"
Wer zusteigt, zahlt beim Schaffner acht Euro und die lustige Fahrt mit Apfelwein und Salzbrezelchen kann beginnen. Der Ebbelwei-Expreß verkehrt am Wochenende und an Feiertagen und fährt eine Runde quer durch die Stadt mit dem Zoo als Start- und Endstation. Schaffner Colin Schnabel öffnet eine Art kleinen, hölzernen Bauchladen, greift nach Tickets und Wechselgeld und schließt die Schatulle wieder.
Er geht nach vorne, holt einen Kasten Apfelwein hervor und reicht jedem Fahrgast eine 0,33-Liter-Flasche Apfelwein pur oder sauer gespritzt – also gemischt mit Mineralwasser. "Der Apfelwein ist im Fahrpreis inbegriffen", erklärt Schaffner Schnabel zwinkernd. "Es ist schon cool, dass der Ebbelwei-Expreß wieder fährt", sagt der junge Mann. Schnabel ist Student und verdient sich in seinem Nebenjob bei der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) etwas dazu.
Der Job mache ihm Spaß, weil die Fahrgäste meistens sehr freundlich und gut gelaunt seien. "Die Stimmung ist wie in einer kleinen Apfelweinkneipe", freut sich Schnabel.
Die interessanten Seiten Frankfurts? Ebbelwei!
Auf einem der vorderen Plätze sitzt Darina Tittel, mit einem Begleiter vertieft in ein Gespräch in einer Sprache, die osteuropäisch anmutet. Ab und zu nippen die beiden an ihren Apfelweinflaschen. Für ein Interview lässt sie sich kurz ablenken. "Ich komme ursprünglich aus der Slowakei und bin seit 42 Jahren in Deutschland", erklärt Tittel.
Sie als Hofheimerin kenne den Ebbelwei-Expreß natürlich. Doch ihr Begleiter lebe in Straßburg und sei dieses Wochenende zu Besuch in Frankfurt. "Da wollte ich ihm die interessanten Sachen in Frankfurt zeigen und das ist natürlich der Ebbelwei und eine Fahrt mit dem Ebbelwei-Expreß", sagt sie und lächelt zufrieden. Zuvor seien sie im Zoo gewesen und hätten sich spontan dazu entschieden, dazu zu steigen.
Von der einmaligen Sonderfahrt zur regulären Linie
Der ruckelnde Waggon ist im Jahr 1945 erbaut worden und war dann viele Jahre als Linienstraßenbahn unterwegs. "Er hat zwei Achsen und verkehrte damals mit Triebwagen und Beiwagen", erklärt der Schaffner.
Als dieses Modell im Jahr 1978 durch neuere Großraumwagen abgelöst wurde, gab es eine letzte feierliche Sonderfahrt mit Apfelwein und Musik. Das kam so gut an, dass aus der einmaligen Abschiedsfahrt regelmäßige Touren wurden. Der Ebbelwei-Expreß zieht bis heute Touristen und Einheimische an.
Fahrer Manfred Haas: "Ich mag das offene Fahren"
Ganz vorne sitzt der Fahrer nicht wie heute in einer abgetrennten Kabine, sondern direkt neben der offenen Tür, mit etwas Fahrtwind um die Nase. Manfred Haas heißt er. Seit sieben Jahren fährt er endlich mal wieder den Ebbelwei-Expreß. Zuvor sei er die lustige Linie etwa zehn Jahre lang gefahren. "Ich mag das offene Fahren", sagt er knapp und blickt konzentriert auf die Straße.
Der Express passiert gerade die Innenstadt, da steigt an der Station Paulskirche ein junges Paar dazu. Neugierig blicken sich Vincent Schneider und Sandra Bockshorn um und nippen vorsichtig an ihrem Apfelwein. "Der schmeckt ja schon gewöhnungsbedürftig", lacht Schneider und verzieht das Gesicht. "So was haben wir in Castrop-Rauxel nicht", sagt Bockshorn.
Wetterauer Dialekt lässt Fahrgäste schmunzeln
Was die beiden nach Frankfurt führt? Seit Kurzem seien sie verlobt und haben einen Städtetrip in eine Stadt ihrer Wahl geschenkt bekommen. "Wir wollten unbedingt mal nach Mainhattan und zwischen den Hochhausschluchten entlanglaufen", erzählt Schneider.
Auf den Ebbelwei-Expreß aufmerksam geworden seien sie durch einen Reiseführer. "Richtig lustig ist es hier. Aber über den Apfelwein lässt es sich streiten", sagt Bockshorn. Aus den Boxen schallt das Lied "Runkelroiweroppmaschin" von Adam und die Micky's – eine Persiflage auf den breiten Wetterauer Dialekt. Die Wetterau ist eine Region, die direkt an Frankfurt grenzt. Ob sie darauf gekommen wären, dass das "Runkelrübenreißmaschine" auf Hochdeutsch heißt? "Nie im Leben!", gesteht das Paar und beide lachen.
Australier und Frankfurter zusammen auf Ebbelwei-Fahrt
Auf den Plätzen gegenüber haben zwei junge Männer Platz genommen. Ebenfalls nach wetterauischem Dialekt klingt der Akzent von John Langston. Auf die Frage, ob das Wetterauisch sei, antwortet er: "Nein, mein Akzent kommt von viel weiter weg, nämlich aus Australien", lacht er laut. Aber das Wetterauer Platt sei ja bekannt dafür, sich irgendwie nach amerikanischem oder australischem Englisch anzuhören, sagt er. Seit sechs Jahren lebt er bereits in Frankfurt.
"Ich bin so glücklich, dass der Ebbelwei-Expreß wieder fährt. Vor Corona bin ich mindestens einmal im Monat mitgefahren", sagt Langston. Sein Begleiter Niklas Sommer lehnt entspannt in seinem Sitz und nimmt einen großen Schluck seines Apfelweins. "Ich bin gebürtiger Frankfurter, fahre aber heute zum ersten Mal mit dem Ebbelwei-Expreß", berichtet er. Er habe immer gedacht, das sei so ein Touri-Ding, doch nun, da er sich von seinem Kumpel habe überzeugen lassen, finde er den Express gar nicht mal so übel.
Im November 2021 haben die Tramwagen des Ebbelwei-Expreß ihre Fahrten für einen Monat wieder aufgenommen. Davor verkehrte die Linie seit dem Frühjahr 2020 nicht. Im März dieses Jahres fuhr er dann zwei Wochen lang, seit Anfang Mai dreht er nun wieder regulär seine Runden durch Frankfurt.
Am Hauptbahnhof kreuzt ein weiterer Ebbelwei-Expreß. Im voll besetzten Waggon herrscht buntes Treiben, Flaschen klirren und aus den Boxen schallt das Frankfurter Volkslied "Die Fraa Rauscher aus de Klappergass". Bereits zu Beginn der Fahrt erklärt Schaffner Schnabel, dass der heutige Express leider bereits auf halber Strecke an der Messe enden werde. Grund dafür sei eine Demonstration in Sachsenhausen. An der Messe angekommen, verlassen die Passagiere etwas missmutig den geselligen Waggon. Der Schaffner winkt seinen Fahrgästen freundlich hinterher.
- Gespräche während der Fahrt mit dem Ebbelwei-Expreß