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Flughafen Frankfurt: So viel Stress haben die Arbeiter wirklich


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Viel Stress und Personalmangel
Wie es den Arbeitern am Frankfurter Flughafen geht


Aktualisiert am 08.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Reisende am Flughafen DüsseldorfVergrößern des Bildes
Reisende stehen am Flughafen Schlange (Symbolbild): In den Ferienzeiten wird's hinter den Kulissen besonders stressig. (Quelle: Oliver Berg/dpa/Archivbild/dpa)
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Kaum einer kennt den Frankfurter Flughafen besser als Paul Laslop. Der Betriebsrat arbeitet seit fast 40 Jahren am Airport. Er ist Zeuge eines Fehlmanagements auf Kosten des Personals.

Der Frankfurter Flughafen am vergangenen Donnerstag. "Gechillter als hier am Lufthansa-Schalter geht es doch gar nicht", sagt eine Urlauberin, die noch auf ihren Mann wartet, bevor die Familie ihre Koffer abgibt. Tatsächlich ist es an diesem Nachmittag ruhig an der Gepäckabgabe von Deutschlands größter Airline. Keine langen Schlangen und die Schalter sind gut besetzt.

Hinter den Kulissen sehe das ganz anders aus, sagt Paul Laslop, 57 Jahre alt und Landtagswahlkandidat der Linkspartei Hochtaunuskreis. Der Betriebsrat bei Garden Gourmet, einem Caterer für Flugzeugspeisen, hat mehr als die Hälfte seines Lebens am Frankfurter Flughafen verbracht. 1982 machte er eine Ausbildung zum Koch bei der Lufthansa Service GmbH (LSG) und arbeitet, bis auf eine zweijährige Unterbrechung, bis heute am Flughafen.

Laslop spricht unverblümt über die Zustände am Flughafen

Paul Laslop sitzt um die Mittagszeit an einem Tisch eines Fastfood-Restaurants, um über die Probleme des Flughafens zu sprechen. Seinen Kaffee trinkt er schwarz – bitter und ungetrübt. Er spricht offen mit den Medien über die Missstände an seinem Arbeitsort. Es sei wichtig, Aufmerksamkeit darauf zu lenken. 2022, nach dem ersten Post-Corona-Sommer, gab er dem Deutschlandfunk ein Interview über das Chaos am Airport. Vor einigen Tagen war er Protagonist in einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", der dem Frankfurter Flughafen ein verheerendes Urteil ausstellt.

"Gestrandete Passagiere, verlorene Koffer, lange Schlangen: Der Frankfurter Flughafen ist eine Zumutung" heißt es im Vorspann des Berichts. Auch das Fehlen von Personal, Technik und Infrastruktur wird genannt. Laslop hat diese Zustände kommen sehen. Neben der Zumutung für die Passagiere leiden vor allem die Menschen, die am Flughafen arbeiten, unter der Entwicklung der letzten Jahre, sagt er.


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"Das Personal, das man verscheucht hat, hat mit dem Flughafen abgeschlossen"


Paul Laslop


Folgt man den Zahlen aus dem "Spiegel"-Artikel, strich Fraport, der Betreiber des Flughafens, während der Corona-Zeit 4.000 Stellen, die Lufthansa 30.000 weltweit. Das rächt sich jetzt. Denn die Stellen sind schwer neu zu besetzen. Es habe Versuche gegeben, altgediente Mitarbeiter zurückzuholen – zu schlechteren Bedingungen als vor der Pandemie, sagt Laslop. "Das Personal, das man verscheucht hat, hat mit dem Flughafen abgeschlossen."

Ähnlich sieht es auch die Gewerkschaft Verdi, die am Flughafen viele Beschäftigte vertritt. "Wir erleben seit dem letzten Sommer die Folgen von jahrelangem Lohndumping im Luftverkehr", sagt Gewerkschaftler Christoph Miemietz. Jahrelang habe man die Beschäftigten in billige Tochterfirmen ausgegliedert. "Dort haben sie bis zu 30 Prozent weniger verdient", so Miemietz. Für diese Löhne wolle keiner mehr arbeiten.

Mitarbeitern mit Outsourcing gedroht

Paul Laslop kennt solche Geschichten aus seinem eigenen Unternehmen. Immer wieder habe man den Mitarbeitern der LSG gedroht, Teile der Produktion nach Tschechien auszusourcen. Dazu kam es nicht. 2020 verkaufte die Lufthansa das Europageschäft der LSG an die Gategroup. Seitdem ist deren Tochtergesellschaft Gategourmet für das Catering zuständig. "Wir als Lufthanseaten wurden ausgestoßen", sagt Laslop. Lufthansa-Chef Carsten Spohr habe Laslop damals versichert, dass die Mitarbeiter keine Einbußen im Gehalt durch den Verkauf an die Gategourmet hinnehmen müssen. "Tatsache ist, dass wir Mitarbeiter haben, die bis zu 1.000 Euro weniger im Monat verdienen". Viele Fachkräfte seien gegangen.

"Die Qualität beim Catering hat sich massiv verschlechtert", sagt eine Flugbegleitung, die seit Jahrzehnten für Lufthansa arbeitet und anonym bleiben möchte. Von der Belegschaft habe die Gategourmet den zweifelhaften Spitznamen "Gate gar nicht" erhalten. Als ein Beispiel für die Missstände benennt sie Probleme bei der Beladung. "Teilweise haben Kollegen aus der First Class Teebeutel von zu Hause mitgebracht, weil die Gategourmet nicht mal solche Kleinigkeiten hinbekommt."

Gepäck von Umsteigern wird priorisiert

Zurück zur Gepäckabgabe, wo oberflächlich alles "gechillt" abläuft am vergangenen Donnerstag. "Es kann sein, dass aussteigende Passagiere auf ihre Koffer warten müssen", hatte Fraport-Chef Stefan Schulte gegenüber dem "Spiegel" geäußert. Und so ist es möglich, dass die Familie, die ganz entspannt ihre Koffer abgeben konnte, am Urlaubsort ohne Gepäck dasteht. Der Grund: Das Gepäck von Umsteigern wird priorisiert. Eine Reaktion auf die Personalknappheit in der Gepäckabfertigung, einem Knochenjob.

Auch die Flugbegleitung, mit der t-online gesprochen hat, bestätigt die Probleme bei der Gepäckverladung: "Die Abfertigung bei der Fraport funktioniert nicht." Bei der Lufthansa sei man deswegen sauer. Unter den Flugbegleitern sei es üblich, in das eigene Gepäck ein Apple Airtag, ein Ortungsgerät, zu legen, um wenigstens zu wissen, wo die eigenen Sachen sich befinden. "Koffer wurden teilweise nicht in den Flieger geladen." Die Flugbegleitung habe auch schon miterlebt, dass der Pilot eine Durchsage gemacht habe, dass man jetzt ohne Gepäck losfliege, nachdem man eine halbe Stunde gewartet habe.

Wenn man als Passagier einchecke, sehe man nur, wie die Koffer auf dem Laufband verschwinden, und denke, dass sie bis in den Flieger laufen, so Laslop. "Doch unten in den Katakomben sind Arbeiter, die alles mit der Hand auf Gepäckwagen wuchten." Bis zu 1.000 Koffer pro Schicht muss ein Verlader heben, rechnet der Betriebsrat vor. Das führe über mehrere Jahre zu gesundheitlichen Schäden bis zur Schwerbehinderung.

Personal-Aufstockung aus Türkei gescheitert

Voriges Jahr scheiterte der Plan der Fraport, neues Personal aus der Türkei zu gewinnen. Als man das bei der Lufthansa gehört habe, habe man mit den Augen gerollt, so die Flugbegleitung. "Blinder Aktionismus, aber unterm Strich kommt nichts bei raus." Allein wegen der langwierigen Sicherheitsüberprüfung sei das Vorhaben zum Scheitern verurteilt gewesen.

"Wahrscheinlich werden wir erst im nächsten Sommer genügend qualifizierte Arbeitskräfte am Flughafen haben", sagt Christoph Miemietz von Verdi. Bis dahin müssen die Flughafenmitarbeiter den Personalmangel abfedern. "Arbeitstage mit 10 Stunden sind völlig normal derzeit." Aktuell sind 18.640 Menschen bei der Fraport angestellt. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es 21.139 Mitarbeiter, die den Flughafen am Laufen hielten. Der Gewerkschafter appelliert an die Passagiere, ihren Frust nicht an den Mitarbeitern auszulassen: "Die Kolleginnen und Kollegen tun derzeit alles, damit die Menschen in den Urlaub fliegen können."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen vor Ort
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