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Flüchtlinge nach einem Jahr Ukraine-Krieg: "Wann fahren wir nach Hause?"


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Flüchtlinge aus der Ukraine
"Wann fahren wir nach Hause?"


Aktualisiert am 13.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Valentyna Doodka mit ihren Enkeln: Seit Ende September leben sie in Frankfurt.Vergrößern des Bildes
Valentyna Doodka mit ihren Enkeln: Seit Ende September leben sie in Frankfurt. (Quelle: Privat)
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Eine ukrainische Familie ist mehrere Stunden auf der Flucht zur polnischen Grenze. Bloß raus aus dem Krieg. Ein Jahr ist das nun her. Die Frauen sind jetzt in Sicherheit – aber die Männer sind noch immer dort.

Wenn Valentyna Doodka an den Tag ihrer Flucht zurückdenkt, wird ihr schlecht. "Ich versuche mich so stark wie möglich abzulenken", sagt sie im Gespräch mit t-online. Heute vor einem Jahr flüchtet Valentyna Doodka mit ihrer Schwiegertochter Diana und deren beiden vierjährigen Kindern nach Deutschland. Diana* lebte in Irpin, am Stadtrand von Kiew. Valentyna in dem kleinen Ort Bila Tserkva, rund 90 Kilometer entfernt von Kiew. Einen Tag vor ihrer Flucht greift Russland die Ukraine an. Seitdem herrscht Krieg in Europa.

Valentynas Ehemann und ihr Sohn – Dianas Ehemann – fahren die Frauen und Kinder bis an die polnisch-ukrainische Grenze. Der Weg dorthin ist ein Höllentrip. Sie meiden den Weg über die Autobahn, nach rund 14 Stunden sind sie in der Nähe der Grenze. Stets dabei: die Ungewissheit, ob sie es wirklich bis nach Polen schaffen. "Das Schrecklichste waren die Sirenen. Immer wieder, wenn wir durch einen Ort oder durch eine Stadt fuhren, hörten wir diese Sirenen", berichtete Valentyna Doodka vor rund einem Jahr. t-online hat Anfang März 2022 über die Fluchtgeschichte der Doodkas berichtet. Ihre Geschichte zeigte schon zu Beginn der Fluchtbewegungen aus der Ukraine, wie der Krieg eine Familie entzweit.

Die Männer mussten in der Ukraine bleiben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ordnete damals an, dass alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren nicht ausreisen dürfen. Stattdessen mussten sie sich auf den Kampfeinsatz vorbereiten.

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Die Familie fühlt sich in Frankfurt wohl

Ein Jahr nach Kriegsbeginn sitzt Valentyna Doodka mit ihrer Tochter Anna in der Küche ihrer Wohnung in Frankfurt. Anna lebt bereits seit drei Jahren in Frankfurt. Auch Diana und die Kinder wohnen hier, doch am Gespräch will Diana nicht teilnehmen.

Den Frauen geht es am ersten Jahrestag des russischen Angriffs den Umständen entsprechend gut. "Natürlich geht es uns nicht gut, wenn wir daran denken, aber insgesamt ist die Laune gut, weil heute nicht so viele Raketen geschossen wurden", sagt Anna. Die Kinder erhielten am Freitag im Kindergarten Süßigkeiten, die Nachbarn schenkten den Frauen Blumen – ein Zeichen der Solidarität.

In Frankfurt hat sich die Familie gut eingelebt. Das erste halbe Jahr lebten sie noch bei Annas Schwiegereltern in dem südhessischen Dorf Brachttal, rund 60 Kilometer entfernt von Frankfurt. Dort wurden die Doodkas herzlich aufgenommen, dennoch wurde es ihnen dort auf Dauer zu langweilig. In Frankfurt ist das anders. "Wir fühlen uns hier so viel wohler, weil es so viele Angebote gibt", sagt Valentyna. Sie lächelt. Diana ist an diesem Freitag mit ihren Kindern im Schwimmbad, zudem gehen die beiden Fünfjährigen regelmäßig zum Kindertanzen. Valentyna ist Teil eines Ü50-Treffs.

Auch für Diana hat sich der Umzug nach Frankfurt auf ihre Gemütslage positiv ausgewirkt, erzählt Anna. Zehn Monate nach der Flucht nach Deutschland war Anna mit ihrer Schwägerin in einer Frankfurter Bar etwas trinken. "Sie konnte mal richtig ausatmen", sagt sie.

Die Frauen leiden sehr unter den Erinnerungen

Auch wenn die Frauen sich in Deutschland gut eingelebt haben, sitzen die Wunden tief. Valentyna kann auch ein Jahr später nicht gut schlafen. Die Erinnerungen sind omnipräsent. "Ich habe immer noch Angst, wenn ich daran denke. Aber nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Monaten", sagt sie. Wie stark jedoch diese Erinnerungen in ihr und auch in Diana sitzen, zeigen folgende Schilderungen. Als sie noch in Brachttal lebten, gab es eine Sirenenprobe. Die Geräusche versetzten die Frauen in panische Angst. "Wir dachten, dass die russischen Raketen nun auch Deutschland erreicht haben", erzählt Valentyna.

Im Sommer besuchte Valentyna ihren Ehemann, Professor einer Universität, in Bila Tserva. Doch lange hielt sie es dort nicht aus. Immer wieder, wenn sie das Sirenengeheul hörte, wurde sie an die Nacht des russischen Angriffs erinnert. Stets dachte sie, dass die Raketen ihr Haus treffen könnten. "Wir haben ein Bauernhaus, weit weg von Kiew. Dort sind wir dann hingefahren. Dort kam ich zur Ruhe", erzählt sie.

So wie Millionen ukrainischen Familien geht es auch den Doodkas. Die Familien entzweit, Kinder, die nach Hause wollen, die ihre Väter vermissen. Und Väter, denen ihre Frauen und Kinder fehlen. Darunter leidet die Beziehung zwischen Diana und ihrem Ehemann. Sie, die mit der deutschen Bürokratie klarkommen muss, Kindergartenplätze für ihre Söhne suchen, ihren Wohnsitz in Frankfurt anmelden musste. Auf der anderen Seite ihr Ehemann, der seinem Job in der IT nachgeht, alleine ist und im Krieg lebt. Das sorgt für Spannungen.

Und dann die Kinder. Am Tag der Flucht erzählte Diana, dass ihre Söhne dachten, sie fahren in den Urlaub. Nun wissen auch sie, berichtet Anna, dass sie nicht im Urlaub seien. Eines aber wissen sie: Sie wollen nach Hause. Anna sagt: "Die letzten Monate waren sehr schwer, weil sie Heimweh haben. Und sie stellen jetzt auch öfter die Frage, 'wann fahren wir nach Hause?'". Die Kinder, so berichtet es ihre Tante Anna, wissen auch, dass "die Panzer in Irpin und in Kiew noch stehen". Doch sobald die Panzer weg seien, dürften sie nach Hause.

*Name der Redaktion geändert.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Anna und Valentyna Doodka
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