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Frankfurt am Main: Acht Monate Wartezeit auf Visum: Commerzbank muss Mitarbeiter freistellen


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15.000 unbearbeitete E-Mails
Kein Termin beim Amt: Banker wird entlassen


Aktualisiert am 24.11.2022Lesedauer: 3 Min.
Die Commerzbank in FrankfurtVergrößern des Bildes
Die Commerzbank in Frankfurt. (Quelle: imago-images-bilder)

Zu wenige Stellen, steigende Fallzahlen: Die Ausländerbehörde arbeitet an ihren Grenzen. Das spürte auch ein Mitarbeiter der Commerzbank.

Acht Monate lang versuchte ein Mitarbeiter der Commerzbank, einen Termin bei der Ausländerbehörde in Frankfurt zu vereinbaren. Er musste sein zuvor vier Jahre geltendes Visum verlängern beziehungsweise sich um die Ausstellung der Blauen Karte bemühen. Die Blaue Karte ähnelt in Form und Funktion dem deutschen Personalausweis. Doch eine Antwort erhielt er nie. Die Commerzbank musste daraufhin ihren Mitarbeiter freistellen.

Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) hatte am Montag über den Fall eines Mitarbeiters der drittgrößten privaten Geschäftsbank berichtet. Mitte November reichte die Bank eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das gesamte Ausländeramt wegen Untätigkeit ein.

Der "NZZ" liegt ein Brief vom 11. November vor. Darin heißt es, dass der Mitarbeiter seit Anfang März mehr als ein halbes Dutzend Mal versuchte, die Behörde zu kontaktieren. Er beantragte eine Visumsverlängerung, einen Eilantrag und stellte diverse Nachfragen. Er hatte sogar verschiedene Versuche unternommen, vor Ort einen Termin zu erhalten, sei aber bei der Einlasskontrolle durch den Sicherheitsdienst abgewiesen worden.

"Wir stecken in einer Notsituation"

Mit Ablauf des Visums musste die Commerzbank ihren Mitarbeiter demnach unbezahlt freistellen – ohne die Kenntnis, wann er seine Tätigkeit wieder aufnehmen könnte. Für die Bank sei dies ein herber Verlust, weil der Mitarbeiter einer wichtigen Tätigkeit nachginge.

"Wir stecken in einer Notsituation", sagte Karin Müller, Leiterin des Ordnungsamts, bei einem am Mittwochmittag einberufenen Pressegespräch in Frankfurt. "Wir sind überlastet. Unsere Mitarbeiter geben ihr Bestes, aber sie arbeiten am Limit dessen, was leistbar ist." Müller bezieht sich hierbei auf Zahlen, die derzeit durch die Medien gehen: 15.000 unbeantwortete E-Mails, alleine 6.700 im Fachbereich akademische Arbeiternehmer.

Betroffen sind also Studierende sowie Flüchtlinge aus der Ukraine, Syrien oder anderen Gebieten. "Von den 15.000 E-Mails sind einige doppelt oder dreifach. Wir reden am Ende aber dennoch von 5.000 bis 6.000 unbearbeiteten Mails", sagte Norbert Euler, Abteilungsleiter der Ausländerbehörde. "Aber, ob es nun 10.000 oder 15.000 sind, das ist am Ende egal. Es ist zu viele", ergänzte Müller.

Auch ist die Rede davon, dass sich täglich Betroffene bei der Kommunalen Ausländervertretung (KAV) melden, die die Ausländerbehörde wochenlang nicht erreichen konnten und deshalb ihre Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland verlieren könnten oder schon verloren haben.

Die Probleme der Ausländerbehörde sind seit Jahren bekannt. Das sagt auch Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP). "2019 gab es ewig langen Schlangen vor der Behörde. Die Leute standen teils schon um 4 Uhr morgens an. Diese Schlangen sehen wir heute nicht mehr, aber nur, weil sie sich ins Netz verlagert haben", berichtet sie.

Die Ursache der Probleme sieht Euler einerseits darin, dass die Behörde unterbesetzt sei, aber auch, weil die Fallzahlen "permanent steigen" würden. Und Rinn ergänzt: "Erst waren es 2015 die syrischen Flüchtlinge, dann der Brexit und nun der Ukraine-Krieg. Die Anzahl der Ausländer ist deutlich gestiegen."

Hohe Anforderungen an neue Mitarbeiter

Was tun also? Mehr Stellen besetzen, steigende Bürokratisierung aufhalten, heißt es im Tenor. Doch auch das ist einfacher gesagt als getan. "In der Praxis sehen wir, dass es sehr schwer ist, adäquate Stellen zu besetzen. Die Anforderungen an neue Mitarbeiter sind hoch. Das treibt viele an ihre Belastungsgrenze. Wir sehen, dass der Fachkräftemangel auch uns erreicht hat", sagt Euler.

Von aktuell 136 Vollzeitstellen sind 32 Mitarbeitende als langzeitkrank gemeldet. Von 23 ausgeschriebenen Stellen können ab dem 1. Januar und dem 1. Februar nur sechs besetzt werden. Die Einarbeitungszeit beträgt ein bis zwei Jahre. Eigentlich bräuchte es neben den 17 noch offenen Stellen weitere 15, sagte Euler.

Ordnungsdezernentin Rinn sagte zudem, dass Frankfurt kein Einzelfall sei. "Diese Probleme betreffen auch andere Großstädte wie Berlin zum Beispiel. Zusammen mit anderen Städten stehen wir im Austausch mit der Bundesregierung, um die Verfahren zu vereinfachen", sagt sie.

Dass am Ende der Fall des Commerzbank-Mitarbeiters kein Einzelschicksal ist, das wissen auch Euler, Rinn und Müller. Aber er ist wohl außergewöhnlich: "So einen Fall habe ich auch noch nie erlebt. Das ist natürlich sehr unglücklich und wir können uns bei dem Betroffenen nur entschuldigen", sagte Müller. Das bringt dem Ex-Mitarbeiter nun herzlich wenig, dennoch wird er wohl weniger Probleme haben als der Taxifahrer aus Afghanistan. "Wir versuchen die Schicksale zu lösen, aber wir können nur die Fälle abarbeiten. Mehr geht einfach nicht", sagte Müller.

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