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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unterwegs mit Bus und Bahn Paar kündigt Jobs und Wohnung für Weltreise
René Schleucher und Sergius Buckmeier haben ihre Jobs gekündigt und ihre Wohnung aufgegeben, um die Welt zu bereisen. Vornehmlich mit Bus und Bahn erkunden sie Länder abseits touristischer Pfade.
Entlegene Klöster in Georgien, ein Luxuszug in Kirgistan, Kamele vor alten Palästen in Usbekistan oder zeitweise ein Nomadenleben in der Wüste Gobi in der Mongolei. Die Eindrücke sind traumhaft, manchmal abenteuerlich.
René Schleucher und Sergius Buckmeier melden sich zur Videokonferenz mit t-online aus Hongkong. Zwischenstopp auf einer Reise, die das Düsseldorfer Paar, wenn alles klappt, einmal rund um die Welt führt. Und wenn irgendwie machbar, am liebsten mit dem Bus und vor allem mit der Bahn. Die beiden sind schon früher viel gereist, aber das jetzige "Projekt" ist etwas ganz Besonderes: Sie haben ihre Jobs dafür gekündigt und ihre Wohnung aufgelöst. Ende offen.
"Bei mir ist die Idee bestimmt schon zwei, drei Jahre gereift", erzählt der 53 Jahre alte René Schleucher und schmunzelt mit einem Blick auf seinen Partner. "Du hast lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich das ernst meine und dass das wirklich eines Tages passieren wird." Sergius Buckmeier habe sich hauptsächlich wegen seines Jobs erst noch an den Gedanken gewöhnen müssen, wirklich für mindestens ein Jahr die Zelte in Deutschland abzubrechen, räumt der 39-Jährige ein. "Als Schauspieler ist das nicht so einfach", sagt er.
Der Startpunkt stand fest. Eigentlich. Odessa sollte es werden, weil Buckmeiers Großeltern aus der Nähe stammten. "Dann kam aber der Ukraine-Krieg dazwischen", erzählt Schleucher. In diesem Sommer ging es dann aber wirklich los. Über die Türkei nach Georgien in den Kaukasus bis Kasachstan. In der Hauptstadt Almaty wurde Buckmeier geboren und begab sich hier auf Spurensuche. "Zum Beispiel waren wir in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin."
Dass es hauptsächlich mit Zug, Bus oder Bahn von A nach B gehen soll, stand von vorneherein fest und macht den besonderen Reiz des Abenteuers aus, sagt Schleucher, der mit langer Interrail-Erfahrung aufwarten kann. Buckmeier runzelt die Stirn. Denn Zugfahren ist eigentlich so gar nicht sein Ding. Viele Menschen auf engem Raum. "Ich leide an Angststörungen, das ist dann für mich schon fast eine Konfrontationstherapie." Aber da müsse er jetzt durch.
Erdrutsch auf der Fahrt in der Türkei
Und wie ist es, anderenorts mit dem Zug unterwegs zu sein im Gegensatz zu "Traveling with Deutsche Bahn"? Ja, das Klischee stimmt. "Die Züge, egal wo wir bisher waren, sind schon – im Vergleich zu Deutschland – alle sehr pünktlich gewesen", berichtet Schleucher. Außer einmal, als ein Erdrutsch bei einer Fahrt durch die Türkei den Fahrplan sprengte.
So ganz ging das Vorhaben, vor allem auf Schienen zu reisen, jedoch nicht auf. Wobei es nicht am Willen scheiterte, sondern an der geopolitischen Lage. Manchmal hätte die kürzeste Route durch Russland geführt und fiel daher aus. Weshalb es dann auch mal per Flieger weiterging.
Der russische Angriffskrieg war immer wieder Thema auf der Reise. Ob in Gesprächen mit Einheimischen oder wegen sonstiger Umstände, wie in Georgien. "Es gab zum Beispiel Einleger in den Menükarten mancher Restaurants auf Russisch, gerichtet an russische Touristen, dass diese dort nicht erwünscht seien", erinnert sich Schleucher und erzählt auch von vielen Graffiti, in denen Russlands Präsident Putin verunglimpft wurde.
In Usbekistan und Kirgistan sei diese Anti-Russland-Stimmung nicht mehr so zu spüren gewesen. "Aber auch dort haben wir viele geflüchtete Menschen aus Russland getroffen, die in ihrem Land keine Zukunft mehr für sich gesehen haben – und sich vermutlich auch nicht vom Militär verheizen lassen wollten."
Taxifahrer verspricht Schaf als Mitgift zur Hochzeit mit der Tochter
Und natürlich spielt oft eine Rolle, dass die zwei Männer als Paar unterwegs sind. "Wir waren auf dem ersten Teil unserer Reise ja praktisch nur in homophoben Ländern unterwegs", sagt Buckmeier. Angst hatten sie bis jetzt nie – zeigen ihre Beziehung aber auch nicht offen. "Wenn der Herbergsvater fragt, in welcher Beziehung wir denn zueinanderstehen, ob wir Arbeitskollegen seien, überlegt man sich schon sehr genau eine Antwort", erzählt der 39-Jährige.
"Wir haben oft Doppelzimmer gebucht, auch weil es einfach preiswerter ist. Aber in Usbekistan ging das zum Beispiel gar nicht mit zwei Männern." Und immer wieder kam die Frage, berichtet Buckmeier, "wo unsere Frauen seien, wieso wir nicht verheiratet sind und keine Kinder haben". Das führte manchmal zu absurden Situationen: Ein Taxifahrer in Kirgistan wollte etwa seine Tochter mit dem Schauspieler verkuppeln – und versprach zur Hochzeit als Mitgift ein Schaf.
Sprachbarrieren sind auf der Weltreise nur selten ein Problem
Das Schöne an ihrer ausgefallenen Reiseroute: Sie verläuft abseits der ausgetretenen Backpacker-Pfade. Touristen aus der Heimat sehen sie nur selten. Selbst an einem "Spot" wie dem Kloster Davit Garedscha in Georgien trafen die Düsseldorfer nur auf eine Handvoll Reisende aus dem Westen. In einem Dorf in China war Buckmeier sogar beliebtes Selfie-Motiv für die Einheimischen, weil ein Ausländer dort eine Attraktion ist. "Aber es war immer nett, nie unangenehm", sagt er.
Sprachbarrieren erleben die beiden selten als Problem – obwohl es sie, vor allem in China, gibt. "Mittlerweile helfen da die Übersetzungs-Apps schon gut weiter", sagt Schleucher und lacht: "Früher mussten wir gackern, wenn wir im Restaurant Hühnchen bestellen wollten." Und wenn dann doch irgendwo das Smartphone streikt, springen die Einheimischen ein. Zum Beispiel in Pingyao – in einer chinesischen Stadt – standen die beiden Weltreisenden mitten in der Nacht ohne Unterkunft da. "Eine richtige Traube von Menschen hat sich dann um uns gebildet, alle wollten helfen."
Mittlerweile sind die Düsseldorfer weitergezogen. Von China aus ging es mit dem Zug nach Vietnam. Jetzt haben sie sich vorgenommen, entschleunigter zu reisen. "Wir waren am Anfang zu schnell unterwegs. Das waren 100 Tage Power-Sightseeing", sagt Schleucher. "Wir wollen einfach wieder ein wenig mehr Alltag, auch auf Reisen", ergänzt sein Partner.
Ziel sei es, "dass wir mal länger an einem Ort bleiben, vielleicht ein paar Monate – und dann auch arbeiten", fügt Schleucher an, der in Deutschland lange als Journalist beschäftigt war. Konkret sind ihre Pläne noch nicht.
"Unseren Wohlfühlort suchen wir noch"
Es sei schon ein Zwiespalt zwischen der Sehnsucht nach Freiheit und der nach Struktur. "Es gibt die innere Stimme, die sagt, man müsste sinnvoll seine Zeit verbringen. Aber auf der anderen Seite auch die, die sagt: Das ist sinnvoll, was wir machen – wir lernen durch die Erfahrungen." Schleucher betont: "Es ist ja kein Müßiggang, den wir betreiben." Buckmeier als Schauspieler vermisst inzwischen allerdings die Bühne. Er erzählt: "In der Mongolei waren wir in einem Theater. Das hat mich schon getriggert, selbst auf der Bühne zu stehen."
Vielleicht klappt es ja bald, wenn die beiden dann doch irgendwo etwas länger sesshaft werden. Außerdem bleibt die Liste der Länder, die sie noch sehen wollen, lang – verteilt über alle Kontinente bis nach Australien. "Wir fühlen uns bei der Auswahl wie Kinder in einem Spielzeugladen. Wir waren schon an vielen schönen Plätzen auf unserer Reise, unseren Wohlfühlort suchen wir aber noch", sagt Schleucher.
Unter @TravelGuysOnTour sind die beiden Düsseldorfer digital auf Instagram und YouTube unterwegs.
- Gespräch mit Sergius Buckmeier und René Schleucher