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Solingen: Vier Wochen nach Terroranschlag – Trauer und offene Fragen


Schock immer noch nicht verarbeitet
Einen Monat nach Terrorattacke: Solingen in Trauer

Von dpa, t-online
23.09.2024 - 15:15 UhrLesedauer: 3 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240920-99-462079Vergrößern des BildesEin Schild mit der Aufschrift“ Warum?“ am Gedenkort unweit des Tatorts (Archivbild): Bei einer Attacke auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen hatte es am Abend des 23. August Tote und Verletzte gegeben. (Quelle: Thomas Banneyer)

Einen Monat nach dem Anschlag von Solingen findet die Stadt nur langsam in den Alltag zurück. Viele Fragen sind noch offen.

Einige Blumensträuße sind verwelkt, andere gerade erst abgelegt und noch ganz frisch. Auch ein Meer von Grablichtern hat sich auf dem Fronhof in Solingen angesammelt, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Montag. Hier hatte vor einem Monat ein mutmaßlich islamistischer Terrorist mit einem Messer drei Menschen getötet und acht weitere verletzt.

Auf Schildern und Schleifen steht "Frieden" und "Wir halten zusammen" oder auch "Wir Syrer sagen: Frieden und Menschlichkeit für Solingen". Immer wieder kommen Menschen, verharren einen Moment, einige falten die Hände, schütteln den Kopf, gedenken still.

"Meine Tochter war live dabei, sie hat alles vom Fenster aus gesehen, auch den Täter. Sie beansprucht nun psychologische Hilfe", sagte eine 63 Jahre alte Solingerin der dpa. Viele trauten sich noch immer nicht in die Innenstadt, schildert ihre Bekannte. Zwei Erzieherinnen, die in der Nähe arbeiten, berichten: "Schon um 7 Uhr stehen hier die Menschen und trauern." Der Schock sei längst nicht verarbeitet.

Vier Wochen nach dem Anschlag: Das sind die politischen Folgen der Tat

Vier Wochen nach dem Terroranschlag sind Sicherheitspakete geschnürt, Grenzkontrollen angelaufen und erstmals seit Jahren Abschiebungen nach Afghanistan erfolgt. Dass es einem radikalen Islamisten irgendwann wieder gelingen würde, einen Anschlag zu begehen, hatten Sicherheitsexperten erwartet, so die dpa. Und dann geschah es eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen – ausgerechnet in der bergischen Kleinstadt.

Solingen bemüht sich nach den rechtsextremistischen Morden 1993 seit Jahrzehnten vorbildlich um Integration. Damals wurde am frühen Morgen des 29. Mai fünf türkeistämmige Frauen und Mädchen bei einem Brandanschlag ermordet.

Nicht zufällig trug das Fest zur 650-Jahr-Feier der Stadt den Namen "Festival der Vielfalt". "Warum immer Solingen?", fragte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) nach der Tat. "Es ist nicht gerecht, was uns in Solingen widerfährt."

Mitbewohner des mutmaßlichen Täters berichten

Viele Fragen rund um die Tat, das Motiv und den mutmaßlichen Täter sind auch vier Wochen danach noch offen. Der Syrer Issa Al H. (26) sitzt weiter in Untersuchungshaft. In dem ARD/ZDF-Magazin "Strg F" beschreiben ihn seine Mitbewohner aus dem Wohnheim als verschlossen und ständig auf sein Smartphone starrend. Auf sie habe er depressiv gewirkt, psychisch krank, aber nicht wie ein fanatischer Islamist: Er habe geraucht und im Ramadan nicht gefastet.

Ein einstiger Zimmergenosse sagte dem Magazin, dass er selbst vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und vor dem Krieg aus Syrien geflohen sei. Und nun müsse er damit klarkommen, dass er in Solingen wohl ein Zimmer mit einem IS-Mann geteilt habe. Ein anderer Bewohner berichtet, Issa Al H. habe ihm erzählt, dass er in Syrien nach Anschlägen des IS mit einer Decke Leichenteile eingesammelt habe.

Bei den Ermittlungen steht auch das Messer im Fokus

Zum Stand der Ermittlungen hüllt sich die Bundesanwaltschaft seit Wochen in Schweigen. Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass das als Tatwaffe sichergestellte Messer dem Syrer inzwischen zweifelsfrei zugeordnet werden könne. An dem Messer seien nicht nur Blutspuren der Opfer, sondern auch DNA des 26-Jährigen gesichert worden. Zudem fand sich die passende Verpackung eines Messersets in seinem Zimmer.

Ein wohl absichtlich beschädigtes Handy, das auf einer Wiese gefunden wurde, habe inzwischen trotz des Schadens ausgelesen werden können. Nach einem zweiten Handy wird noch öffentlich gefahndet. Auch das Bekennervideo, das der "Islamische Staat" über seinen Propagandakanal verbreitet hatte, stamme von dem 26-Jährigen, heißt es laut dpa aus Ermittlerkreisen. Es war unweit der Solinger Flüchtlingsunterkunft aufgenommen worden, in der Issa Al H. gewohnt hatte.

Nach dem Attentat: Konsequenzen für Solingens Titel als "Klingenstadt"?

Ein Messerattentat ausgerechnet in der "Klingenstadt" Solingen – und doch werde man an diesem Titel festhalten, heißt es aus dem Rathaus. Solingen stehe in aller Welt für eine jahrhundertealte Tradition und Erfahrung bei der Herstellung von Klingen. Die Industriestadt sei damit die weltweit einzige Stadt, deren Name zugleich ein geschützter Markenbegriff ist. Auch eine Umfrage der Lokalzeitung "Solinger Tagblatt" hat ergeben, dass die Solinger an ihrer "Klingenstadt" festhalten möchten.

Diskutiert werde allerdings der Name des Ehrenpreises der Stadt: "Die Schärfste Klinge". Die Debatte darüber beginne gerade erst – auch über den Umgang mit Symbolen, Wegweisern und Logos, berichtet die dpa.

Für viele Menschen in der Stadt geht es aber vor allem ums Begreifen und Verarbeiten. "Die Trauer ist sehr groß und natürlich sind Ängste noch da, nach so einer schlimmen Tat", berichtet die 63-jährige Solingerin der dpa. Neben ihr legt eine Dame Blumen nieder. Sie habe eine der getöteten Personen gekannt, erzählt sie – und fragt: "Was ist das bloß für eine Welt?"

Verwendete Quellen
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