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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach verpasstem Aufstieg Düsseldorfer Altstadt: Die Trauer trägt Rot-Weiß
Fortuna Düsseldorf verspielte im Elfmeterschießen den Aufstieg. Die Enttäuschung in der Altstadt nach dem dramatischen Spielende war groß.
Als die jubelnden Bochumer Spieler auf dem Bildschirm zu sehen waren, war auch dem letzten Düsseldorfer Fan klar, dass es keinen weiteren Elfmeter mehr geben würde. Dass der Traum vom Aufstieg geplatzt war. Tausende Fans hatten am Montagabend in der Düsseldorfer Altstadt der sicher geglaubten Rückkehr in die erste Bundesliga entgegengefiebert. Doch dann verspielte ihre Elf ein 3:0 aus dem Hinspiel und verlor im Elfmeterschießen. Die Trauer, sie trägt rot-weiße Farben.
Rund drei Stunden zuvor: Die Bolkerstraße in der Altstadt füllt sich vor dem Anpfiff, nahezu jede Bar, jede Kneipe hat Fernsehbildschirme in die Fenster gehängt. Die Restaurants an der Uferpromenade sind rappelvoll, hier läuft das Spiel auf Großbildleinwänden. Die Fans verteilen sich an den Tischen, einige tragen Fortuna-Trikots, die Kellner verteilen Alt. Was, lieber Fußballgott, soll heute schiefgehen?
Thomas Bergmann hofft auch auf die Fortuna, allerdings aus rein finanziellen Gründen: Vor ihm steht eine Kiste mit T-Shirts. "Aufstieg 2024 Düsseldorf" steht darauf, und das, wo alle hinwollen: "1. Liga". Er sei aus Hamburg angereist, aber kein Düsseldorf-Fan. Beim Stand von 0:0 sind die T-Shirts noch günstig zu haben. "Jetzt kosten sie zehn Euro, beim Aufstieg 25. Und wenn Bochum 4:0 führt, wahrscheinlich fünf", sagt Bergmann. Wie viele er schon verkauft habe? "Sagen wir, es gibt die Optimisten und die Pessimisten. Die Pessimisten sind in der Überzahl."
Noch keine Sorgen nach der ersten Führung Bochums
Aber was soll heute schon schiefgehen? Als Bochum das 0:1 schießt, bleiben die Fortuna-Fans entspannt. Domenico Jacobs und Ben Boeing, beide 25 Jahre, verfolgen das Spiel vor dem "Auberge". "Solange es zur Halbzeit nicht höher steht, ist alles okay. Heute wird gefeiert, so oder so – hier fiebern alle mit", gibt sich Jacobs siegessicher. Eine Karte fürs Stadion hätten sie nicht ergattern können. "Ohne Dauerkarte hat man keine Chance. Da waren 30.000 in der Warteschlange", sagt Boeing.
Sie seien gespannt, ob das stimme, was sich die Fans über den Burgplatz erzählten. Dort steht bereits eine Bühne für den Japantag am kommenden Samstag. "Aber warum wurde die am Montag schon aufgebaut? Gerüchten zufolge sollen da nachher die Toten Hosen spielen", sagt Jacobs und Boeing zeigt sein Düsseldorf-Trikot mit dem Logo der Band. Durchatmen in der Halbzeit. In einer Bar läuft bereits "Tage wie diese". Was soll heute auch schiefgehen?
An besagter Bühne werkelt ein einsamer Handwerker herum, während der Rest der Stadt auf die Bildschirme starrt. Spielen hier wirklich nachher die Toten Hosen? "Nee, aber morgen. Wenn sie's nicht verkacken, ist hier Helau, Helau", sagt der Mann. "Wie steht's denn?", will er wissen. Eins zu null für Bochum. "Und wie lange noch?" Halbe Stunde. "Was soll da schiefgehen?"
Fassungslosigkeit nach dem 3:0
Nur Augenblicke später macht der Noch-Bundesligist das 2:0. Zeit, um bei Thomas Bergmann nach dem aktuellen Preis für die Aufstiegsshirts zu fragen. "Immer noch zehn Euro." Denn kurz darauf gibt es Elfmeter für Bochum und der VfL trifft. Die Stimmung kippt: Fassungslosigkeit in den Gesichtern auf der Bolkerstraße, Hände vor den Mündern. Ein Mann schreit aus nächster Nähe einen Fernseher an: "Wir packen das, nicht ihr", brüllt er, betont die ersten Silben. Daraufhin legt sich ein älterer Herr an einem Tisch mit ihm an. Die beiden beschimpfen sich, "Flachpfeife" ist hierbei noch das harmloseste Wort.
Vor den Kneipen ist es voller geworden. Die Fans vor der "Engel Rockbar" stimmen einen Wechselgesang an und rufen "Fortuna". Die Zuschauer vor dem "Brandenburger" antworten mit "Düsseldorf". Nicht alle Fernseher laufen synchron, der Aufschrei bei der Düsseldorfer Doppelchance in der 118. Minute ist ein paar Meter weiter früher zu vernehmen als anderswo. Das wird doch wohl nicht noch schiefgehen?
Totale Enttäuschung nach dem Elfmeterschießen
Die Fans rufen das Gründungsjahr "1895", als das Elfmeterschießen beginnt. Mit "Kastenmeier, Kastenmeier" feuern sie ihren Torhüter an, als könnte er sie drüben im Stadion hören. Jubel und Ernüchterung wechseln sich ab. Die Spannung ist mit Händen zu greifen. "Mir zappelt's in der Poperze", sagt ein junger Mann in einer Gruppe vor dem "Kuhstall". Sein Stresslevel liege bei "12 von 10", ergänzt sein Kumpel. Eine junge Frau läuft unruhig umher. Drüben weicht der bange Blick zweier Paare nicht mal, wenn Düsseldorf trifft. Das Drama, mit dem hier niemand gerechnet hatte, ist längst eines geworden.
Pure Enttäuschung herrscht, als Takashi Uchino den letzten Elfer über die Latte jagt. Fast sofort setzt ein Exodus der Fortuna-Fans ein, sie strömen in Richtung Heinrich-Heine-Allee davon. Die Paare umarmen sich, eine junge Frau hat Tränen in den Augen. Domenico Jacobs und Ben Boeing trinken noch ihr Bier aus. "Total enttäuscht" seien sie. Aber: "Die geileren Vereine sind in der zweiten Liga – nächstes Jahr geht’s gegen Köln." Es muss ja weitergehen.
- Reporter vor Ort