Regieren ohne Rückhalt? Kretschmer bleibt im Amt: Jetzt muss er um Mehrheiten werben
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist erneut gewählt – doch diesmal führen CDU und SPD eine Minderheitsregierung. Um zu regieren, ist Kretschmer auf Kompromisse und Unterstützung der Opposition angewiesen.
Michael Kretschmer bleibt Ministerpräsident von Sachsen, doch die politischen Bedingungen im Freistaat haben sich grundlegend verändert. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundeslandes führt die CDU zusammen mit der SPD eine Minderheitsregierung.
Der Regierungskoalition fehlen zehn Stimmen für eine eigene Mehrheit, und Kretschmer ist damit gezwungen, künftig Allianzen über Parteigrenzen hinweg zu schmieden. "Wir können uns heute gemeinsam auf den Weg machen", sagte der CDU-Politiker nach seiner Wiederwahl am Mittwoch.
Opposition gewinnt an Einfluss
Die Wahl im Landtag verlief dabei alles andere als glatt. Erst im zweiten Wahlgang konnte Kretschmer die nötige einfache Mehrheit sichern. 69 Abgeordnete stimmten für ihn, darunter offenbar auch einige aus der Opposition. Besonders die Linke überraschte mit einem offenen Vertrauensvorschuss. Ihre Fraktionschefin Susanne Schaper erklärte, man gewähre Kretschmer eine Chance, stelle jedoch keinen Blankoscheck aus. Die Grünen enthielten sich nach eigenen Angaben.
- Die ganz andere K-Frage: Kuriose Szene kurz vor Kretschmers Vereidigung
Die AfD stimmte erst für Jörg Urban (AfD). Im zweiten Wahlgang dann für den Kandidaten der Freien Wähler und wollte damit offenbar ein Signal setzen, das an den sogenannten "Kemmerich-Moment" in Thüringen erinnerte. Doch anders als 2020 blieb ein politisches Beben in Sachsen aus.
Für Kretschmer bedeutet die neue Konstellation eine Abkehr von den bisher komfortablen Mehrheitsverhältnissen. Über drei Jahrzehnte hatte die CDU Sachsen entweder allein oder mit Koalitionspartnern regiert. Nun ist sie gezwungen, bei fast jeder Entscheidung neue Mehrheiten zu suchen. Schon beim Haushalt, der noch in diesem Jahr beschlossen werden muss, wird die Minderheitsregierung auf die Unterstützung der Opposition angewiesen sein.
Schwierige Balance zwischen Dialog und Abgrenzung
Erschwert wird die Suche nach Partnern durch die starke Position der AfD im Landtag. Sie wurde bei der Landtagswahl im September knapp zweitstärkste Kraft und wird vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Eine Zusammenarbeit mit der Partei schließt Kretschmer kategorisch aus. Gleichzeitig betonte er, dass seine Regierung mit "Umsicht und Geschlossenheit" arbeiten und auch Vorschläge anderer Fraktionen berücksichtigen wolle. Um dies zu erleichtern, haben CDU und SPD einen Konsultationsmechanismus angekündigt, der eine frühzeitige Einbindung der Opposition in Gesetzesvorhaben ermöglichen soll.
Doch die anderen Fraktionen stellen klare Bedingungen. Die Linke fordert Investitionen in Soziales und Kultur, während das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) darauf drängt, eigene Themen durchzusetzen. Der Freie-Wähler-Abgeordnete Matthias Berger äußerte Zweifel daran, ob die Minderheitsregierung auf Dauer funktionieren könne. Schon jetzt werde deutlich, wie schwierig es sei, Mehrheiten zu organisieren.
Für Kretschmer steht viel auf dem Spiel. Der 49-Jährige, der als Kümmerer gilt und sich gern volksnah präsentiert, betont, dass er auf eine "neue Kultur" in Sachsen setzt. Ob ihm das gelingt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen – nicht zuletzt an der Frage, ob er tatsächlich Kompromisse mit der Opposition finden kann, ohne dabei die eigene Regierung zu gefährden.
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- Mit Informationen von dpa und afp