Äußerungen zu Eugenik Eklat um Kassenärzte-Chef: "Schockierend" und "abstoßend"
Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen hat über Gentests zur Verhinderung der Geburt von Kindern mit Erbkrankheiten fabuliert. Jetzt hagelt es Rücktrittsforderungen.
Aussagen des Chefs der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) sorgen aktuell für Wirbel. Im Editorial der Mai/Juni-Ausgabe des KVS-Mitteilungsblatts hatte Klaus Heckemann sich über Möglichkeiten ausgelassen, wie durch Genanalysen bei Eltern die Zahl an Geburten von Kindern mit Erbkrankheiten minimiert werden könnte.
Bei Eltern, bei denen durch eine Genmutation das Risiko einer Erbkrankheit bestehe, könne man durch In-vitro-Fertilisation und Präimplantationsdiagnostik "das Risiko der Geburt eines schwerstkranken Kindes ausschließen". Weiter schreibt Heckemann, dass die Nutzung einer solchen "Chance" zweifellos "Eugenik" sei. "Allerdings in ihrem besten und humansten Sinn." Es müsse eine gesellschaftliche und ethische Diskussion darüber geführt werden. Momentan seien die notwendigen Analysen aber ohnehin noch zu teuer. Sein Editorial schließt Heckemann mit der "Hoffnung, eine lebhafte Diskussion auszulösen."
Begriff durch Naziverbrechen belastet
Die ausgelöste Diskussion ist so lebhaft, dass es mittlerweile zahlreiche Stimmen gibt, die Heckemanns Rücktritt fordern. Vor allem, dass Heckemann von "Eugenik" spricht, sorgt für Entrüstung. Eugenik bezeichnet die Erbgesundheitslehre. In Deutschland verbindet man damit vor allem die Zeit des Nationalsozialismus, in der die Eugenik als Rechtfertigung für Zwangssterilisationen und die massenhafte Ermordung von Kranken und Menschen mit Behinderung verwendet wurde.
In einem am Dienstag veröffentlichten Offenen Brief an die Staatsministerin Petra Köpping fordern Vertreter der Dresdner Hochschulmedizin indirekt die Abberufung Heckemanns. Dieser sei als KVS-Vorsitzender nicht mehr tragbar. Es sei "schockierend und unverständlich", dass dieser "ein solches Gedankengut" in einer Publikation der KVS verbreiten dürfe. Heckemanns "ethisch abstoßende Äußerungen" widersprächen der Unantastbarkeit der Menschenwürde.
"Auf die schmerzlichste Weise mit der ärztlichen Ethik unvereinbar"
Zuvor hatten bereits der Bundesverband Mukoviszidose und die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) Heckemanns Rücktritt gefordert. In der Stellungnahme von ACHSE heißt es, dass die Äußerungen vor dem Hintergrund der NS-Verbrechen an Menschen mit Behinderungen und kranken Menschen "auf die schmerzlichste Weise mit der ärztlichen Ethik unvereinbar" seien. Heckmann maße sich an, über die Lebensqualität von Betroffenen von schweren genetischen Erkrankungen zu urteilen.
Es ist nicht der erste Eklat, den Heckemann mit einem seiner Editorials auslöst. 2022 hatte er darin Aktivisten der "Letzten Generation" als "Klimaterroristen" bezeichnet. Außerdem polterte er über das Gendern, bei dem "über Sprache das Denken manipuliert" werden solle. Er appellierte, den "Auswüchsen des Zeitgeistes mutig entgegenzutreten". Nach lautstarker Kritik hatte Heckemann sich damals für seine Wortwahl entschuldigt.
Die Kassenärztliche Vereinigung und Heckmann selbst haben sich bisher nicht zu der Kritik geäußert.
- Offener Brief der Dresdner Hochschulmedizin, bestehend aus Universitätsklinikum Dresden und Medizinischer Fakultät der TU Dresden
- achse-online.de: Stellungnahme der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen