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Abtreibungen in Sachsen steigen an: Das hat der Ukraine-Krieg damit zu tun


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Vor allem in den Grenzregionen
Warum in Sachsen die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche so rasant steigt


Aktualisiert am 28.05.2023Lesedauer: 3 Min.
Ann-Rieke Lohaus (rechts) von der Beratungsstelle Pro Familia in Dresden muss immer mehr Beratungsgespräche führen.Vergrößern des Bildes
Ann-Rieke Lohaus (rechts) von der Beratungsstelle Pro Familia in Dresden muss immer mehr Beratungsgespräche führen. (Quelle: Montage (imago, Beate Erler))
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In Sachsen gab es 2022 fast zehn Prozent mehr Schwangerschaftsabbrüche als im Jahr zuvor. Das liegt am Ukraine-Krieg, dem Klimawandel, aber auch an der Gesetzeslage in Polen.

Am Nachmittag um 16 Uhr ist der Beratungstag zu Ende. Drei Termine liegen hinter Ann-Rieke Lohaus, und alle drei waren Schwangerschaftskonfliktberatungen. Die Beratungsstelle von Pro Familia in Dresden ist hell und freundlich eingerichtet. Die Frauen, die hierherkommen, sollen sich wohlfühlen. Trotz der schweren Gespräche, die sie hier führen.

"Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist immer noch umstritten und ein Tabuthema", sagt Ann-Rieke Lohaus, eine von zwei Beraterinnen, die hier arbeiten. Sie ist seit Februar neu in der Pro-Familia-Beratungsstelle auf der Bernhardstraße, die staatlich anerkannte Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungen anbietet. Und auch sie kann bestätigen, was das Statistische Landesamt des Freistaates Sachsen kürzlich veröffentlicht hat.

Neben Berlin hat Sachsen den höchsten Zuwachs an Schwangerschaftsabbrüchen. So entschieden sich im vergangenen Jahr 5.515 Frauen für einen Abbruch. Das sind 9,2 Prozent mehr als noch im Jahr 2021. Auch deutschlandweit ist die Zahl gestiegen und damit so hoch wie seit zehn Jahren nicht, berichtet das Statistische Bundesamt. 104.000 Frauen und damit rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr haben einen Abbruch vornehmen lassen. Außerdem gibt es seit letztem Jahr einen höheren Zulauf bei Beratungsstellen wie Pro Familia.

Polnisches Abtreibungsgesetz wirkt bis nach Sachsen

Die Gründe liegen laut Pro Familia in der sozialen und wirtschaftlichen Unsicherheit sowie der Bedrohung durch den Ukraine-Krieg und den Klimawandel. "Um eine Familie zu gründen oder zu vergrößern, braucht es ein Gefühl von Grundsicherheit", sagen Katrin Küchenmeister und Juliane Löser von Pro Familia in Chemnitz. Diese sei nicht mehr so vorhanden wie noch vor einigen Jahren, sagen sie.

Auch Ann-Rieke Lohaus hört das in ihren Beratungsgesprächen jetzt öfter. "Es gibt durchaus Frauen, die steigende Kosten und die weltpolitische Lage als Gründe äußern." Auch wenn aktuell diese Argumente mit hineinspielen, sind es aber meist mehrere Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch, sagt die studierte Diplompädagogin. Es kommen Frauen zum Gespräch, die keinen Kinderwunsch haben und fest entschlossen sind. Oder es gibt bereits Kinder und die Familienplanung ist abgeschlossen. Oder die Frauen sind gerade in der Ausbildung und im Studium und trauen sich zu diesem Zeitpunkt nicht zu, ein Kind aufzuziehen.

Ein weiterer Grund für den Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche im Osten Deutschlands ist aber auch die steigende Zahl von Frauen aus Polen in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen.

Auch die Beratungsstellen von Pro Familia in der Grenzregion verzeichnen einen hohen Zulauf aus Polen aufgrund der restriktiven Abtreibungsgesetze dort. Ann-Rieke Lohaus hat in Dresden noch keine Polinnen beraten. In Grenznähe gibt es Beratungsstellen in Eisenhüttenstadt, Fürstenwalde und Frankfurt/Oder.

"Viele Frauen sprechen nicht mal mit dem Partner darüber"

Die Beratung vor dem Schwangerschaftsabbruch ist gesetzlich vorgeschrieben. Demnach bleibt ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen ab der Empfängnis straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Außerdem müssen zwischen der Beratung und dem Abbruch drei volle Tage liegen, so Ann-Rieke Lohaus. Sie hat schon viele emotionale Gespräche geführt. Die Frauen haben die Gelegenheit, mit einer neutralen Person über ihre Situation zu sprechen und ihre Fragen loszuwerden.

Für die meisten Frauen ist sie die einzige Person, der sie sich offen anvertrauen können. "Viele Frauen sprechen nicht einmal mit ihrem Partner darüber und auch nicht mit Familie oder Freunden", sagt die 40-Jährige. So kann sie den Frauen etwas Erleichterung verschaffen. Ihr gesetzlicher Auftrag ist es, die Frauen zu ermutigen, ihre Schwangerschaft fortzusetzen.

Die Beratung ist aber immer ergebnisoffen und vertraulich. Am Ende bekommt jede Frau eine Bescheinigung über die erfolgte Beratung. Das schwierige Thema war ihr nie fremd und sie will den betroffenen Frauen eine empathische Gesprächspartnerin sein. Schließlich hat schon ihre Mutter vor vielen Jahren die Pro-Familia-Beratungsstelle in Marburg an der Lahn mitaufgebaut.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
  • destatis.de: Fachserie 12 Reihe 3 – Schwangerschaftsabbrüche
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