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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unterwegs auf Premiumrouten Bremen will noch fahrradfreundlicher werden
Obwohl Bremen mit seiner ersten Fahrradzone Deutschlands einen wichtigen Vorstoß in der autofreien Verkehrsführung gemacht hat, merken Bürger häufig: Woanders macht das Radeln mehr Spaß. Das könnte sich mit den neuen Routen allerdings ändern.
Wenn Hanna Christiansen (32) mit dem Fahrrad durch Bremen fährt, ist sie meisten ziemlich glücklich: "Mir gefallen die Radwege hier, es ist wirklich so, dass die Stadt eine fahrradfreundliche Stadt ist – in Bremen Fahrrad zu fahren, ist ein Traum", berichtet die Lehrerin. Sie wohnt in der Bremer Neustadt und fährt täglich knapp fünf Kilometer zur Arbeit, nachmittags dann wieder zurück. "Vor kurzem war ich in Wiesbaden, da ist mir erstmal aufgefallen, wie schön flach wir es hier haben – da macht Fahrrad fahren einfach mehr Spaß".
Wenn sie nachdenkt, fällt ihr eine verbesserungswürdige Sache ein: "Am Werdersee, da ist immer viel los. Da könnte man meiner Ansicht nach die Fahrrad- und Fußgängerwege trennen, das würde die Situation verbessern", schildert die Pädagogin einen Wunsch an die Stadtverwaltung. Als begeisterte Radfahrerin hat sie sich hier und da schon mal an einer "Critical Mass"-Tour des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) beteiligt. Diese Touren, die in allen größeren Städten stattfinden, haben vor allem ein Ziel: Auf den Radverkehr als gleichberechtigte Form des Individualverkehrs aufmerksam machen.
Erste Fahrradzone Deutschlands
Gerade in Bremen kann dieses Anliegen durchaus als realisierbar bezeichnet werden. Schon jetzt besitzt die Stadt Bremen rund 500 Kilometer Radwege und Fahrradstraßen. Mitte letzten Jahre wurde in der Bremer Neustadt die erste Fahrradzone Deutschlands eröffnet, Bremen ist Fahrradstadt. Hier wurde der ADFC einst gegründet, hier wurden schon viele radfreundliche Initiativen "geboren". Und im aktuellen Verkehrsentwicklungsplan 2025 (VEP) sind weitere Maßnahmen enthalten, wie der Radverkehr ausgebaut und verbessert werden kann.
Premiumrouten sollen Verkehr beschleunigen
Neben der Notwendigkeit, die Radinfrastruktur instand zu halten und auszubauen, sind vor allem die Premiumrouten spannend, die weitgehend den Anforderungen von Radschnellverbindungen entsprechen. "Aus Sicht des ADFC Bremen sind diese wichtig für die Weiterentwicklung des Radverkehrs in Bremen, um den bereits sehr hohen Radverkehrsanteil von derzeit 25 bis 27 Prozent weiter steigern zu können", betätigt Stephan Glinka, ADFC-Referent Verkehrsinfrastruktur und Verkehrspolitik.
Die Premiumrouten werden den Radverkehr noch komfortabler machen und zudem beschleunigen, so der Referent. Gerade mit dem Pedelec erreiche man leicht hohe Geschwindigkeiten und sei so schneller und gesünder als etwa mit dem PKW am Ziel. "In der bisherigen Radverkehrsinfrastruktur kann sich nicht immer das volle Potential der Elektrofahrräder entfalten. Dazu braucht es breite und gut ausgebaute Wege, am besten als Fahrradstraße", so Glinka. Dabei sind die Premiumrouten auch geeignet, den Stadtgrenzen überschreitenden Radverkehr zu fördern. So kann eine echte Alternative zum Autopendler-Verkehr entstehen.
Von D.15 bis D.20 und das Projekt "Wallring"
Unter dem Titel "Wallring" hat das Verkehrsressort mit dem Bau des "Kernstücks in der Innenstadt" begonnen. Alles insgesamt sollen bis zum Jahr 2030 an die 100 Kilometer Radpremiumrouten entstehen. Sie werden durchnummeriert – so fällt die Orientierung leichter. Beispielsweise soll die Strecke D.15, wie sie im Verkehrsentwicklungsplan ausgezeichnet wird, 43,8 Kilometern von Farge über Gröpelingen, Walle und Hastedt bis nach Hemelingen und Mahndorf führen.
Die Machbarkeitsstudien dafür sind abgeschlossen. In der Innenstadt wird die Route über den Wallring führen. Mit dieser Idee möchte Bremen eine Fahrradroute auf beiden Seiten der Weser bauen, die um die Innenstadt herum leitet und so einen besser fließenden Verkehr ermöglicht. Vor wenigen Wochen haben die Arbeiten begonnen, Mitte Juli soll es im Stephaniviertel weitergehen. Die D.16 führt Radfahrer von den Wallanlagen aus in Richtung Schwachhausen und bis zur Uni. Die Strecke soll quer zur Weser, durch die Neustadt bis zur Universität und weiter in Richtung Lilienthal führen.
Die D.17 verläuft in die andere Richtung und quer zur D.16. Hier geht es um die Verbindung zwischen Obervieland, Neustadt und Woltmershausen, und zwar am linken Weserufer. Die D.19 enthält verschiedene Teilabschnitte, ein kleinerer, innerer Ring soll die Innenstadt, Neustadt und Östliche Vorstadt verbinden. Ein weiterer, größerer Ring wird mit D.19 b und c nummeriert, die Route schließt Woltmershausen, Grolland, Obervieland, Hemelingen, Gartenstadt Vahr, Schwachhausen, Findorff und Walle ein. Und als äußerer Ring ergänzt die D.20 diese Vision: Einmal rechts der Weser als Verbindung zwischen der Universität und Arbergen. Die D.20a auf der anderen Seite der Stadt verläuft wie eine Tangente zur D.19 und führt nach Delmenhorst.
ADFC Bremen plädiert für Priorisierung
Die beschriebenen Routen sind ein Teil des Bremer Verkehrsentwicklungsplans (VEP 2025), der ADFC Bremen war in den Jahren von 2012 bis 2014 an der Erstellung beteiligt. "Wir werden wahrscheinlich nicht alle dort verzeichneten Premiumrouten verwirklichen können", vermutet Glinka. Aus Sicht des Vereins müsse daher eine Priorisierung erfolgen. "Wir brauchen starke Nord-Süd und Ost-West Verbindungen", weiß der Referent aus der täglichen Arbeit.
Bisher sei die Querung der Innenstadt nicht so komfortabel wie gewünscht. "Daher brauchen wir eine attraktive Umfahrung der Innenstadt für den Radverkehr. Mit der Fahrradroute Wallring werden wir dies bekommen", so seine Einschätzung. Ebenso wichtig seien aus Sicht des ADFC Bremen die geplanten Wesersprünge – das leuchtet jedem ein, der schon einmal in einer Stadt gelebt hat, die mittig durch einen Fluß geteilt wird.
Eindeutige Markierungen für die Sicherheit
Die Studentin Andrea Röhrs wohnt wie Hanna Christiansen ebenfalls in Bremen, aber ihr geht es anders, wenn sie mit dem Rad unterwegs ist: So richtig wohl fühlt sie sich mit diesem Verkehrsmittel in der Stadt nicht. "Ich fahre wirklich lieber Rad, wenn ich bei meiner Familie im Landkreis Osterholz bin – mir ist das in der Stadt einfach zu unübersichtlich und zu hektisch", so die angehende Ingenieurin.
Dieses Gefühl kennen sicherlich auch andere Radfahrer. Mit Blick auf die Gestaltung der Premiumrouten wird es daher nicht nur auf die Strecke, sondern auch auf die eindeutige Kennzeichnung ankommen. "Es muss für jeden Verkehrsteilnehmer – und insbesondere für den Autoverkehr – eindeutig erkennbar sein, dass man hier auf einer Vorrangroute für den Radverkehr unterwegs ist", benennt Glinka eine wichtige Anforderung an die Premiumrouten und verweist unter anderem auf die Stadt Straßbourg: Denn hier wurde in Sachen Fahrrad-Premiumrouten bereits ein Corporate Design umgesetzt.
- Eigene Recherchen und Gespräche
- "Weser Kurier": "Einzelhandel am Wall soll erreichbar bleiben"
- Stadt Bremen: "Fahrradtour Wallring Bremen City"
- Webseite des Allgemeinen deutschen Fahrradclubs Landesverband Bremen e.V.