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Berliner Cannabisproduzent: Sind Sie staatlich beauftragter Drogendealer, Herr von der Groeben?


Interview
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Erster deutscher Cannabisproduzent
Dieser Mann baut Cannabis für den Staat an

  • Matti Hartmann
InterviewVon Matti Hartmann

18.09.2021Lesedauer: 7 Min.
Eine Cannabisblüte aus dem Demecan-Forschungsanbau – und Firmen-Gründer Constantin von der Groeben: Er sagt, dass das Unternehmen keine bekiffte Idee sondern nüchtern kalkuliert war.Vergrößern des Bildes
Eine Cannabisblüte aus dem Demecan-Forschungsanbau – und Firmen-Gründer Constantin von der Groeben: Er sagt, dass das Unternehmen keine bekiffte Idee sondern nüchtern kalkuliert war. (Quelle: Demecan/mtt)
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Constantin von der Groeben und seine Freunde haben die Lizenz, Gras zu produzieren und dem deutschen Staat zu verkaufen.

Zusammen haben die drei Jungunternehmer in Berlin das Start-up Demecan gegründet. Neben zwei kanadischen Firmen ist es das einzige, das hierzulande Cannabis herstellen darf. Ein Gespräch über Medizinalhanf, Sicherheitsvorkehrungen wie bei einer Bank, die Angst vor Kernbohrern und die Vorteile von Schlachthöfen.

Herr von der Groeben, Sie dürfen als eines von drei Unternehmen für den deutschen Staat medizinisches Cannabis herstellen – so richtig mit hohem THC-Anteil. Wann geht’s los?

Constantin von der Groeben: Unsere Produktionsanlage wird voraussichtlich im Oktober fertig, dann folgen noch Abnahmen. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass wir Ende des Jahres oder spätestens Anfang 2022 die erste Ernte einfahren können.

Ab dann könnte man Sie also "staatlich beauftragten Drogendealer" nennen?

Korrekt wäre "staatlich beauftragter Cannabisproduzent".

Wieso nicht Dealer?

Die staatliche Cannabisagentur hat uns den Auftrag erteilt, bis zu einer Tonne jährlich zu liefern. Aber mit diesem Cannabis made in Germany handeln wir nicht. Wir sind Lohnhersteller für die Cannabisagentur, die den Vertrieb an die Apotheken organisiert.

Werden Sie damit reich? Die Cannabisagentur verlangt von den Apotheken einen Festpreis von 4,30 Euro pro Gramm. Was davon ist Ihr Anteil?

Durchschnittlich bekommen wir und die anderen beiden von der Cannabisagentur beauftragten Hersteller 2,30 Euro pro Gramm. Wie viel jeder Einzelne genau erhält, ist vertraulich. Aber: Wir liegen mit unserem Preis relativ deutlich über dem Schnitt.

Trotzdem haben Sie bei der öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag erhalten?

Ja, dank der Qualität unserer Konzepte.

Warum? Ist Cannabisanbau nicht einigermaßen simpel? Viele Hobbygärtner kriegen das auch hin.

Wir stellen ein Arzneimittel her, und da gibt es strikte Qualitätsvorgaben. Wir müssen etwa konstant festgeschriebene Wirkstoffanteile erreichen, also zum Beispiel 20 Prozent THC und unter einem Prozent CBD. Diese Vorgaben Ernte für Ernte einzuhalten, ist extrem anspruchsvoll. Das schafft man nur, wenn man in geschlossenen Räumen Licht, Nährstoffe, Temperatur und Luftfeuchtigkeit ganz genau reguliert und einstellt.

Einem Hobbygärtner kann das nicht gelingen und das unterscheidet unsere Qualität auch von Cannabis, das in Gewächshäusern angebaut wird. Sollte dennoch bei einzelnen Chargen etwas dazwischenkommen, muss das Cannabis vernichtet werden.

Vernichten? Klingt interessant…

Den Vorschlag, das bei einer Party zu machen, höre ich relativ oft. Aber das geht natürlich nicht. Wir fahren solche Chargen zu großen Verbrennungsöfen, die auch die Polizei verwendet, um sichergestellte Drogen zu vernichten. Da herrscht das Sechs-Augen-Prinzip. Und über den Schornstein hängen können Sie sich auch nicht, um high zu werden. Der Rauch wird gefiltert.

Erzählen Sie ein bisschen über den Ort, an dem Sie Cannabis anbauen. Sie haben einen alten Schlachthof in Sachsen übernommen.

So alt ist der gar nicht. Der ist in den 90er-Jahren mit "Aufbau Ost"-Fördergeldern gebaut worden, riesig groß, umzäunt, sehr modern. Aber Anfang der 2000er-Jahre ist zuerst der Schlachtbetrieb eingestellt worden und dann auch die Fleischverarbeitung. Die sind pleite gegangen – seither wurde der Komplex als Lager genutzt und vom Voreigentümer gut erhalten.

Wieso war ein ehemaliger Schlachthof für Sie attraktiv?

Durch die vormalige Lebensmittelproduktion gibt es sehr gute Hygienebedingungen, die wir auch für die Cannabisherstellung brauchen. Und dann wegen der Sicherheitsanforderungen: Betäubungsmittel dürfen nur in Räumen mit Böden, Wänden und Decken aus 24 Zentimeter dickem Stahlbeton gelagert werden. Leerstehende Industriehallen mit so massiven Decken finden Sie nur sehr selten. Und ein Neubau ist teuer und extrem Energieaufwendig.

Haben Schlachthöfe denn so dicke Decken?

Die sind sogar teilweise 70 Zentimeter dick, weil dort Kuh- und Schweinhälften an der Decke entlanggeführt wurden.

Und Sie brauchen diese massiven Decken, weil sich sonst jemand mit einem Kernbohrer zu Ihrem Gras durchbohren könnte?

Genauso ist es. Zusätzlich haben wir an den Decken, Böden und Wänden noch sogenannte Körperschallmelder. Wenn jemand einen Bohrer oder einen Presslufthammer ansetzt, geht sofort der Alarm los.

Wie bei einem Tresor?

Ja, die Schutzanforderungen sind ähnlich wie für den Tresorraum in einer Bank. Auch versicherungstechnisch.

Wie viel Fläche im Schlachthof nutzen Sie für den Cannabisanbau?

Ungefähr ein Sechstel von insgesamt 30.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche. Das reicht locker für das, was die Cannabisagentur bei uns bestellt hat. Der Rest ist Ausbaufläche.

Ausbaufläche? Was haben Sie denn noch vor?

Wir wollen wachsen. 2020 wurden bereits 9,4 Tonnen medizinische Cannabisblüten nach Deutschland importiert, das ist ein erhebliches Wachstum von 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch andere Darreichungsformen von medizinischem Cannabis sind stark gewachsen, zum Beispiel hat sich die Anzahl der importierten Cannabisvollextrakte von 2019 auf 2020 auf knapp 60.000 Einheiten verdoppelt.

Wenn wir und die beiden anderen von der Cannabisagentur beauftragten Produzenten demnächst die vereinbarten Mengen liefern, kommen wir alle drei zusammen nur auf etwa ein Viertel der Menge, die letztes Jahr importiert wurde. Und wir erwarten, dass der Bedarf an Cannabis noch weiter steigt. Daher haben wir uns für eine Betriebsstätte entschieden, in der wir kurzfristig unsere Anbaumenge auf zehn Tonnen pro Jahr erweitern können.

Woher der Optimismus?

Die Patienten merken, dass ihnen Cannabis hilft. Und die Ärzte verschreiben zusehends mehr. In etablierten Märkten wie Kanada, einigen Staaten der USA oder Israel sehen wir, dass etwa 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung mit medizinischem Cannabis therapiert werden. Wir gehen davon aus, dass auch bis zu 1 Prozent der deutschen Bevölkerung mit medizinischem Cannabis als Therapeutikum in Berührung kommen wird.

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Weil die Leute, die sowieso gerne kiffen, dann zum Arzt gehen und sich ein Rezept wegen ihrer "Rückenschmerzen" ausstellen lassen?

Ich glaube, das ist eine sehr ungerechte Unterstellung. Das hieße ja, dass die Ärzte am illegalen Konsum mitwirken würden. Es ist anders. Ärzte, die einen gesamtheitlichen Blick auf die Gesundheit haben und zu denen Patienten mit chronischen Schmerzen kommen, die durch Opiat-Therapien vielleicht zu stark belastet sind, die sagen sich: Warum nicht mal was Neues ausprobieren?

Etwas, was eigentlich alt und traditionell ist, jetzt aber nach Arzneimittelherstellungsstandards produziert wird. Schmerzpatienten können Cannabis immer dann erhalten, wenn sie ansonsten austherapiert sind. Die Einsatzbreite ist sehr weit.

Wo bekommen Sie die Samen für Ihre Cannabispflanzen her?

Wir beziehen sowohl Samen als auch Stecklinge aus den Niederlanden, aus Spanien, aus Österreich, aber vor allem aus Kanada. Wenn wir uns für eine Genetik entschieden haben, züchten wir Mutterpflanzen. Mittels Stecklingen werden die dann geklont, sodass wir konstant die gleiche Pflanzenqualität erreichen.

Haben Sie mehrere Sorten im Angebot?

Wir starten mit zwei Sorten in die kommerzielle Produktion. Die eine wird einen THC-Gehalt von etwa 15 Prozent haben, die andere von rund 20 Prozent. Wir probieren aber noch weitere Genetiken, um zu schauen: Wie ist die Konstanz, das Wuchsverhalten, der Blüteertrag?

Und wie heißen Ihre Sorten? Haben Sie sich da etwas Besonderes ausgedacht? Teils gibt es ja sehr blumige Namen.

Was wir für unsere Forschung importieren, hat tatsächlich auch so klingende Namen – zum Beispiel "Amnesia", "Blueberry", "Gelato". Unsere Sorten werden von der Cannabisagentur voraussichtlich schlicht Demecan Typ 1 und Typ 2 genannt.

Woher nehmen Sie die Erfahrung, professionell Hanf zu züchten?

Wir besitzen eine Forschungslizenz. Seit Anfang des Jahres haben wir schon diverse Pflanzenzyklen hinter uns. Außerdem haben wir natürlich erfahrenes Personal eingestellt, unter anderem aus Kanada und Dänemark, aber auch viele Pharmazeuten, die zwar noch keine Erfahrung mit Cannabis hatten, aber dafür mit der Arzneimittelherstellung.

Und dann haben wir seit vier Jahren selbst viel dazugelernt. Wir waren in Israel, in Holland, in Kanada, in den USA, in Neuseeland. Wir sind ganz gut dabei herumgekommen, uns anzuschauen, wie andere arbeiten.

Constantin von der Groeben hat einige schillernde Persönlichkeiten in seiner Verwandtschaft. Er stammt aus einem alten Adelsgeschlecht, zu dem unter anderem auch der ehemalige Judo-Europameister Alexander von der Groeben sowie dessen als TV-Moderatorin bekannt gewordene Frau Ulrike gehören. Außerdem der Unternehmer Karl Konrad von der Groeben, der nach dem Zweiten Weltkrieg Coca-Cola-Werke in Gießen, Mainz und Wiesbaden führte und später mit seinem Startkapital die Gründung der Amadeu-Antonio-Stiftung ermöglichte. Constantin von der Groebens Großvater Hans war einer der ersten Kommissare der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

Wenn jetzt in Deutschland der Handel mit Cannabis auch zu nicht-medizinischen Zwecken erlaubt werden würde

…zum Beispiel unter einer Kanzlerin Baerbock? Das könnte schnell gehen.

Wäre das eigentlich gut oder schlecht für Sie?

Das ist eine Frage, mit der wir uns aufgrund der politischen Situation aktuell tatsächlich auch beschäftigen.

Durch die hohen Sicherheitsvorkehrungen und die Arzneimittelstandards würde Ihr Gras wahrscheinlich teurer als das von anderen, oder?

Ja, mit Sicherheit. Ich bin aber zuversichtlich: Wenn wir erst einmal anfangen zu produzieren, werden wir das qualitativ hochwertigste Cannabis herstellen. Von diesem Qualitätsvorsprung werden wir profitieren. Ob wir dann auch tatsächlich aktiv in einen möglichen Adult-Use-Markt einsteigen, ist eine strategische Entscheidung.

Unabhängig davon wollen wir Cannabis als Medizin weiterentwickeln: von der Cannabisblüte hin zu Extrakten. Die kann man noch genauer dosieren. Und das Produkt lässt sich leichter einnehmen. In der Palliativbehandlung im Krankenhaus ist es zum Beispiel praktikabler, wenn Sie Cannabis nicht inhalativ konsumieren, sondern etwa als Tropfen bekommen, zum Beispiel mit dem Essen.

Die anderen beiden Unternehmen, die Cannabis made in Germany verkaufen, sind übrigens Töchter kanadischer Konzerne. Zufall?

Nein. Die Cannabisagentur hat zwei Vergabeverfahren durchgeführt, bei denen man sich für die Cannabisproduktion bewerben konnte. Im ersten gab es die Voraussetzung, Erfahrung im Cannabisanbau zu haben.

Im zweiten war das dann etwas anders, aber im ersten standen die deutschen Unternehmen schlecht da: Erfahrung konnten sie nicht haben. Und wenn sie welche gehabt hätten, dann wäre das nicht legal gewesen. Einige deutsche Vorreiter wurden geschluckt, die Kanadier haben in Deutschland ein Ding nach dem anderen gekauft. Bei uns war es andersherum.

Sie haben beim inzwischen insolventen, kanadischen Konzern Wayland zugeschlagen.

Ja. Die hatten den Schlachthof in Sachsen ursprünglich gekauft und dort auch schon ein paar kleine Vorarbeiten geleistet. Aber dann kriegten sie Probleme und wir haben das Gelände übernommen. Für uns war das, mit der Rückendeckung unserer Gesellschafter, ein schöner Erfolg: zu zeigen, dass es auch anders geht.

Zu Ihren Geldgebern zählen unter anderem der ehemalige Geschäftsführer des schwäbischen Spielwarenherstellers Schleich und der Chef der Krombacher-Brauerei.

Mittlerweile ist unsere Gesellschafterbasis sogar noch weiter gewachsen, und wir freuen uns über die damit verbundene Expertise. Aber die sind alle erst eingestiegen, nachdem wir 2019 im zweiten Vergabeverfahren den Zuschlag bekommen hatten, also einen staatlichen Produktionsauftrag vorweisen konnten. Die Jahre bis dahin waren eher spartanisch. Wir mussten alles selbst finanzieren und haben so manche Nacht und manches Wochenende durchgearbeitet.

Und das Vergabeverfahren war ja ein Wettbewerb mit vielen, teilweise großen und börsennotierten Unternehmen. Das Risiko zu scheitern, war also relativ groß. Aber: Diamanten entstehen im Dunkeln und unter Druck.

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