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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Plötzliche Funkstille "Ghosting kann Menschen jahrelang verfolgen"
Singles, die auf Partnersuche sind, machen manchmal die schmerzhafte Erfahrung, dass sie geghostet werden. Eine Expertin verrät, was Betroffenen hilft.
Plötzlicher Kontaktabbruch ohne jede Vorwarnung – Menschen, die geghostet werden, werden mit vielen Fragezeichen allein gelassen: Warum hat die Person plötzlich das Interesse verloren? Habe ich etwas falsch gemacht? Besteht Hoffnung, dass der Kontakt wieder aufgenommen wird?
"Diese Fragen können Menschen jahrelang verfolgen", sagt die Berliner Diplom-Psychologin Anja Wermann zu t-online. Nachdem sie selbst geghostet worden war und das Thema Ghosting bei ihren Klienten eine immer größere Rolle gespielt hatte, gründete sie 2021 in ihrer Praxis eine Ghosting-Ambulanz.
Ghosting-Opfer können in Krise geraten
Wie hart eine Person eine Ghosting-Erfahrung trifft, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So können etwa Menschen mit Verlustängsten besonders unter Ghosting leiden, da alte Wunden aufgerissen werden, erklärt Anja Wermann. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange eine Beziehung tatsächlich gedauert hat.
Die Psychologin erfahre von ihren Klienten, dass die Hemmschwelle, jemanden zu ghosten, immer weiter sinke. Dies liege ihr zufolge auch an der vermehrten Nutzung von Dating-Apps, die zwar das Kennenlernen erleichtern, gleichzeitig aber die Hemmschwelle senken, danach bequem abzutauchen.
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Tipps zur Selbsthilfe
Anja Wermann gibt drei Tipps für Menschen, die unter einer Ghosting-Erfahrung leiden und sich nicht von ihrem Ghost lösen können:
1. Die Schuld nicht bei sich selbst suchen
Betroffene können nach einer Ghosting-Erfahrung zwischen zwei Perspektiven wählen. Sie können sich sagen, dass das Verhalten vor allem etwas über den Ghost aussagt, der ohne ein Wort abgetaucht ist. "Die andere Perspektive ist, das Verhalten des Ghosts auf sich selbst zu beziehen und den Fehler bei sich selbst zu suchen", sagt Anja Wermann. Mit der ersten Perspektive könne es jedoch viel besser gelingen, Abstand zu gewinnen und das Erlebnis zu verarbeiten.
2. Perspektive des Ghosts einnehmen
Die von Ghosting betroffene Person kann sich fragen, wie sie es erlebt hat, wie der Ghost mit Problemen, Stress und Unsicherheiten umgegangen ist, als noch Kontakt bestand. "Ist es eine Person, die sich eher zurückzieht, wenn es zu viel wird, die sich eher nicht konfrontiert?", fragt Anja Wermann. Das könne helfen zu verstehen, warum jemand so etwas tut.
3. Gedankenkarussell durchbrechen
Die Frage nach dem Warum, die Ghosting-Betroffene umtreibt, kann zermürbend sein. Anja Wermann empfiehlt deshalb die Übung mit dem "Spürhund". "Dabei stellt man sich vor, dass der eigene Verstand wie ein Spürhund auf der Suche nach einem Stöckchen ist, der die Antwort auf die Frage bringt, warum man geghostet wurde", erklärt die Diplom-Psychologin. Um das zu durchbrechen, müsse man sich bewusst machen, dass man selbst den Spürhund mit dieser Frage losgeschickt habe. "Das Problem ist nur, dass er die Antwort nicht finden wird, denn die hat der Ghost – der sie nicht rausrückt", so Wermann.
Nun sei es wichtig, den Spürhund zurückzurufen, ihm für die Suche zu danken und damit den Suchauftrag zu beenden. Es kann auch hilfreich sein, eine neue Frage zu stellen, bei der der Spürhund erfolgreich ist, z. B. "Was würde mir jetzt guttun?", erklärt die Expertin.
- Gespräch mit Anja Wermann, Diplom-Psychologin