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Berlin: Ultramarathon-Läufer Arda Saatçi kämpft täglich gegen inneren Schweinehund


Ultra-Athlet Arda Saatçi
"Ich kämpfe nur gegen mich selbst"


10.10.2024 - 17:59 UhrLesedauer: 6 Min.
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Der Berliner Ultra-Athlet Arda Saatçi: "Man schafft immer mehr, als die innere Stimme einem sagt."Vergrößern des Bildes
Der Berliner Ultra-Athlet Arda Saatçi: "Man schafft immer mehr, als die innere Stimme einem sagt." (Quelle: Paul Schaller)

Arda Saatçi ist Extremsportler und Ultra-Marathonläufer. Im Interview mit t-online verrät der gebürtige Berliner, was Fitness mit Gedankenkraft zu tun hat, welche Tipps er für Sportmuffel hat und warum sein Aussehen für ihn keine Rolle spielt.

Seine Community nennt ihn Cyborg: ein Mischwesen aus Mensch und Maschine, das scheinbar mühelos die Grenzen des Machbaren verschiebt und auf der Suche nach der nächsten Extremsituation ist. Doch der Extremsportler Arda Saatçi ist keine Maschine und hat auch nichts Roboterhaftes an sich. Er ist laut eigener Aussage jemand, der nicht in erster Linie mit seinem Körper arbeitet, sondern mit seinem Geist. Mit mentaler Stärke bringt er seinen Körper zu Höchstleistungen. Saatçi ist überzeugt: Was er kann, können andere auch. Sie wissen es nur nicht.

Arda Saatçi ist einen Ultra-Marathon von 3.000 Kilometern von Berlin nach New York gelaufen. Der gebürtige Berliner lief an insgesamt 74 Tagen durchschnittlich 50 Kilometer täglich. Im portugiesischen Porto nahm er das Flugzeug nach Boston. Von dort lief er weiter nach New York, wo er am 15. September ankam. Um das sportliche Pensum zu schaffen, nahm er täglich bis zu 6.000 Kalorien zu sich. Saatçi wurde von einem Kameramann und einem Videoredakteur begleitet. Seine Reise dokumentierte er in sozialen Netzwerken.

t-online: Was muss man tun, um eine Sportskanone wie Sie zu werden?

Arda Saatçi: Einfach anfangen. Zuerst sollte man ausprobieren, was einem Spaß macht. Eine Struktur kann am Anfang helfen, Disziplin aufzubauen. Man nimmt sich zum Beispiel vor, drei Trainingseinheiten pro Woche zu absolvieren. Dazu kann man an kleinen Stellschrauben bei der Ernährung drehen und etwa zunächst nur die Softdrinks weglassen. Das sind erste kleine Erfolgserlebnisse, die einen motivieren, weiterzumachen. Sport in dem Umfang, wie ich ihn jetzt betreibe, habe ich natürlich nicht immer gemacht. Auch ich habe mich von Zeit zu Zeit gesteigert und meine Grenzen immer weiter hinausgeschoben.

Gab es einen Auslöser in Ihrem Leben, der Sie zu dem Extremsportler gemacht hat, der Sie heute sind?

Mich musste nie jemand zum Sport animieren, ich war schon immer sehr bewegungsfreudig. Der Auslöser zum Extremsport war aber ein Tiefpunkt in meinem Leben. Eigentlich wollte ich Fußballprofi werden. Dieses Ziel habe ich nicht erreicht und bin daraufhin in ein Loch gefallen. Das Boxen hat mich da wieder rausgeholt. Im Boxring hatte ich die Möglichkeit, in einen inneren Dialog mit mir zu treten und mich intensiv mit mir selbst auseinanderzusetzen. Was will ich erreichen? Wogegen kämpfe ich? Was sind meine größten Ängste und Schwächen? Ich habe für mich festgestellt, dass man am Ende immer nur gegen sich selbst kämpft, gegen sein eigenes Ego, gegen den eigenen inneren Schweinehund.

Parallel zum Boxen habe ich mit dem Laufen angefangen. Und auch da habe ich gemerkt: Man läuft vor allem gegen sich selbst. Wenn mein innerer Schweinehund nicht mehr weiterlaufen wollte, habe ich noch zwei, drei Kilometer drangehängt. Für mich wurde dann klar: Man schafft immer mehr, als die innere Stimme einem sagt.

Viele Menschen träumen davon, einmal in ihrem Leben einen Marathon zu laufen. Sie liefen gleich mehrere hintereinander. Warum?

Ganz einfach: Ich wollte wissen, ob ich es schaffe. So etwas habe ich in dieser Form noch nie gemacht. Ich habe es gleichzeitig geliebt und gehasst. Ich habe nicht mehr Lust auf Sport als andere Leute, es kostet mich nicht weniger Überwindung. Es ist jeden Tag von vorn eine Herausforderung und eine Hassliebe gewesen. Beim Training verfluche ich auch alles und jeden, aber ich bin süchtig nach dem Gefühl danach. Ich wollte auch bewusst allein laufen. Wenn man ganz allein Sport treibt, kann man niemandem die Schuld für eine schlechte Leistung geben außer sich selbst. Dieser Situation wollte ich mich aussetzen.


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Ich habe nicht mehr Lust auf Sport als andere Leute, es kostet mich nicht weniger Überwindung.


Arda Saatçi


Nach über 700 Kilometern brachen Sie sich das Schienbein und mussten den Ultra-Marathon unterbrechen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Als mein Körper Zeit gebraucht hat, um zu heilen, gab ich ihm diese Zeit. Es war mir wichtig, meiner Community zu zeigen, dass Dinge, die man sich vornimmt, nicht auf Anhieb funktionieren müssen. Deshalb habe ich die Unterbrechung des Ultra-Marathons und meinen Genesungsprozess dokumentiert. Das hat mich nicht frustriert oder geschwächt, solche Rückschläge gehören zu einem solchen Projekt. Das ist Teil des Prozesses. Man muss damit umgehen und weitermachen.

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Welchen Herausforderungen mussten Sie sich während des Ultra-Marathons noch stellen?

Mein Team und ich hatten keine konkrete Route geplant. Wir wussten nicht, was uns erwartet. Die Strecken waren teilweise sehr uneben. Wir haben im Zelt geschlafen und uns mit einem Wasserkanister geduscht. Ich war kein einziges Mal auf einer normalen Toilette. Es gab viele Situationen, die ich so vorher noch nie erlebt habe.


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Meine Familie fragte: "Warum tust du dir das an?"


Arda Saatçi


Kann Ihr privates Umfeld verstehen, warum Sie sich diesem Extremsport aussetzen?

Mein Ziel, Extremsport zu betreiben und davon leben zu können, war anfangs für viele in meiner Familie nicht richtig greifbar. Dann kamen Fragen wie "Warum tust du dir das an?", "Was bringt dir das?", "Kann man davon leben?" Ich habe Betriebswirtschaft studiert und hatte einen sicheren Job in der Bau- und Immobilienbranche. In den ersten Jahren war es schwer, an meinem eigentlichen Ziel festzuhalten. Aber meine Familie hat immer wieder gesehen, dass ich nicht aufgebe.

Und wie ist sie dann damit umgegangen?

Eine Situation ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Während meines gesamten Studiums bin ich morgens um vier Uhr aufgestanden, um laufen zu gehen. Abends bin ich wieder gelaufen. Eines Tages ist meine Mutter mit mir um vier Uhr aufgestanden und hat mich gefragt, warum ich das eigentlich mache. Da habe ich ihr gesagt, sie soll mir vertrauen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es sich auszahlen würde. Meine Eltern haben mir dieses Vertrauen entgegengebracht und mich auf meinem Weg sehr unterstützt. Inzwischen weiß meine Familie, was ich für ein Feedback für meine Arbeit bekomme, dass ich finanziell unabhängig bin und das mache, was mich erfüllt.

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Zur Person

Arda Saatçi wurde 1997 in Berlin geboren und wuchs in Lichterfelde im Bezirk Steglitz-Zehlendorf auf. Seine Eltern haben einen türkischen Migrationshintergrund. Der größte Teil seiner Familie lebt in Istanbul. Saatçi lebte mit seiner acht Jahre älteren Schwester und seinen Eltern in einer Wohnung. An seine Kindheit hat er glückliche Erinnerungen. "Ich war sehr viel draußen."

Auf YouTube folgen Ihnen über 450.000 Menschen, auf Instagram sogar über 600.000. Welche Intention steckt hinter Ihrem Content?

Ich wünsche mir, ich könnte den einen oder anderen zum Sport oder zu gesunder Ernährung bewegen. Damit hätte ich der Welt schon viel Gutes hinterlassen.

Neben Ihren Fitnessvideos veröffentlichen Sie auch Clips, in denen Sie Süßigkeiten und Fast Food essen. Wie passt das zusammen?

Für mich ist es wichtig, authentisch zu sein. Wenn ich Lust auf einen Burger habe, dann esse ich auch einen – daraus mache ich vor meiner Community kein Geheimnis. Diese Foodblog-Videos zu machen, macht mir sehr viel Spaß, und die Leute schauen sie sich gerne an. Das ist zusätzlicher Content, den ich auf meinem Kanal anbiete.

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Trotzdem ist gesunde Ernährung doch essenziell, um Ihr Sportlevel zu erreichen.

Ich betone immer wieder, wie wichtig gesundes Essen ist und das macht immer noch 90 Prozent meiner Ernährung aus. Ich esse täglich mindestens ein Kilo Gemüse, ein halbes Kilo Obst, viel Eiweiß, Nüsse, hochwertige Fette und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel. Es ist wichtig, dass der Körper diese Grundbedürfnisse deckt. Aber auch den Schokoriegel sollte man sich meiner Meinung nach nicht verbieten.

Viele Menschen treiben Sport, um attraktiver auszusehen. Welche Rolle spielt das Aussehen für Sie?

Wenn man Sport treibt, ist ein gutes und gesundes Aussehen das Tüpfelchen auf dem i, aber darum geht es mir nicht in erster Linie. Es reizt mich nicht, auf mein Äußeres fixiert zu sein. Es geht mir um eine persönliche Entwicklung.


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Die meisten Menschen wissen nicht, wo ihre Grenzen liegen oder sagen von vornherein: "Das schaffe ich nie."


Arda Saatçi


Sind Sie als Extremsportler denn ein gutes Vorbild für Sportmuffel?

Ich möchte nicht, dass mich jemand kopieren will oder mein Trainingsprogramm nachahmt. Ich werde niemandem zu einem bestimmten Training, einer bestimmten Ernährung oder einer bestimmten Diät raten. Jeder muss sich seine Bausteine selbst zusammenstellen. Ich kann niemandes Leben verändern.

Aber ich möchte eine Inspirationsquelle sein. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen ihre Komfortzone verlassen und sich sportlich ausprobieren, ihren Körper spüren und ihre ganz persönlichen Grenzen austesten. Ich bin mir sicher, dass die meisten Menschen nicht wissen, wo ihre Grenzen liegen oder von vornherein sagen: "Das schaffe ich nie." Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch mindestens 15 Minuten am Tag hat, um etwas für seinen Körper zu tun und sich dann zu steigern.

Was macht ein Arda Saatçi, wenn er mal keinen Sport treibt?

Ich gehe sehr gerne essen, spazieren, bin gern in Gesellschaft. Sport treibe ich meistens allein, da suche ich den Ausgleich im Privatleben.

Sie haben den Ultra-Marathon von Berlin nach New York gemeistert. Gönnen Sie sich jetzt eine Verschnaufpause?

Mit etwas Abstand merke ich, dass die große Reise für mich erst jetzt beginnt. Meine Lust auf neue Herausforderungen ist groß und ich habe viele Ideen im Kopf. Was ich genau vorhabe, werde ich nach und nach bekannt geben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Interview mit Arda Saatçi
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