Erstes Bushido-Konzert nach acht Jahren Der unangenehme Onkel ist wieder da
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Zum Auftakt seiner wohl letzten Tour begeistert Bushido Tausende Fans in seiner Heimatstadt Berlin. Mitgebracht hat er seine Frau, seine Kinder – und mehrere Fremdscham-Momente.
Es ist einer der klangvollsten Namen, die der deutsche Rap zu bieten hat: Bushido. Einer der ersten großen Straßenrapper Deutschlands, Superstar, Grenzgänger, Provokateur. Nach langer Unterbrechung ist er jetzt wieder zurück und hat in Berlin das erste Konzert seiner angeblich letzten Tour gespielt, sein erstes Konzert nach acht Jahren.
Um kurz nach 20 Uhr erlischt das Licht in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof, etwa 14.000 Fans jubeln gespannt. Doch bevor ihr Star die Bühne betritt, müssen sie erst ein deutlich zu lang geratenes Video-Intro ertragen, bis endlich Bushido und sein Backup-Rapper Animus die Bühne betreten. Das Problem wird sich durch den Abend ziehen: Aufgebaute Spannung in der Halle wird durch lange Redepausen, unnötige Gimmicks und Videoeinspieler jäh zerstört.
Entwicklung zum deutschen Kardashian-Clan
Trotz der langen Bühnenabstinenz ist der Tempelhofer nie in der Versenkung verschwunden. Jahrelang stritt er sich mit seinem ehemaligen engsten Vertrauten Arafat Abou-Chaker und dessen Brüdern vor Gericht. Aus Angst vor Attacken lebten Bushido und seine Familie nach der Trennung von Abou-Chaker erst unter Polizeischutz und fingen schließlich ein neues Leben in Dubai an.
Dort intensivierten Bushido und seine Frau Anna-Maria Ferchichi die Entwicklung ihrer Familie zum deutschen Kardashian-Clan. Ihr Leben und das der gemeinsamen Kinder wird täglich minutiös auf Instagram zur Schau gestellt. Meistens ist außerdem noch ein RTL-Kamerateam dabei, um noch eine und noch eine Doku über die Familie zu drehen. Einen gemeinsamen Podcast hat das Paar auch, Bushido noch einen weiteren, in dem er über die deutsche Rapszene und ehemalige Weggefährten herzieht.
"Mittelfinger" für den Haus-und-Hof-Sender
Alles davon erscheint bei RTL, folgerichtig streamt RTL+ auch das komplette Konzert live. Bushido wird nicht müde, das zu erwähnen. (Handgezählt: Sechs Mal.) Wenn er dann im Song "Sterne" trotzdem "Mittelfinger für die RTL-Kamerateams" rappt, ist die Frage nach der Authentizität auch beantwortet.
Solange Bushido rappt und mit seinen alten Hits seine Fans in die glorreichen Zeiten zurückversetzt, macht das Konzert Spaß. Ungefähr in der Mitte des Abends performt er ohne große Pausen einige seiner Songs aus der Zusammenarbeit mit Shindy, die die Halle in Ekstase versetzen. Da ist es auch zu verzeihen, dass Shindy es nicht nach Berlin geschafft hat und seine Stimme vom Band kommt.
Trockensex-Bewegungen in emotionalem Moment
Leider wird dieser Spaß aber viel zu oft durch unnötige Spielereien unterbrochen: Bushido fragt ab, aus welchen Bezirken die Fans kommen, zählt alle Tourstopps einzeln auf oder lässt die Zuschauer einen Dezibelmesser anschreien.
Wenn der mittlerweile 45 Jahre alte Bushido dann auch noch schlüpfrige Witze macht, wirkt der Rapper wie ein unangenehmer Onkel, der ein bisschen zu viel getrunken hat. Erst sagt er aus Versehen "Lieblingsstellung" statt "Lieblingsstelle" und amüsiert sich königlich darüber, dann vergleicht er den Dezibelmesser mit einem Rektalthermometer. Negativer Höhepunkt: Als in einem eigentlich hochemotionalen Moment seine Frau Anna-Maria auf die Bühne kommt und ihn umarmt, macht Bushido tatsächlich Trockensex-Bewegungen.
Mehrmals holt Bushido seine Kinder auf die Bühne
Im letzten Akt des Konzertes geht es um Bushidos Wandlung vom aggressiven Straßenrapper zum einfühlsamen Familienvater. Das demonstriert er nicht nur mit den Songs "Papa" und "Familie", er holt auch gleich mehrmals vier seiner Kinder auf die Bühne. Es gibt lange Gruppenumarmungen, dann sollen die Acht- bis Elfjährigen das Publikum anfeuern. Beim letzten Lied "Für immer jung" tanzen die Kinder im Hintergrund auf der Bühne. Wie so oft im Leben der Ferchichis verschwimmen die Grenzen zwischen süßem Familienidyll und berechnender Selbstvermarktung.
Gut einen Monat lang dauert Bushidos "König für immer"-Tour. Laut Anna-Maria begleiten sie und die Kinder ihn während der gesamten Zeit im Tourbus. Am 15. April gibt es noch ein weiteres Konzert in Berlin.
- Reporter vor Ort