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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Antisemitismus in Berlin "Ich fühle mich als Jude nirgends mehr sicher"
Der Judenhass in Berlin nimmt zu. Immer wieder kommt es zu antisemitischen Vorfällen. Ein Betroffener findet mahnende Worte. Und äußert seinen sehnlichsten Wunsch.
Der Nahostkonflikt findet mittlerweile auch auf deutschen Straßen statt. Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober haben antisemitische Vorfälle deutlich zugenommen. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) hat nach eigenen Angaben dreimal so viele verifizierte Vorkommnisse wie im Vorjahreszeitraum dokumentiert.
Am Wochenende wurde das Jüdische Krankenhaus in Berlin-Wedding mit einem Stein attackiert. In der vergangenen Woche schleuderten Unbekannte zwei Molotowcocktails in Richtung der jüdischen Gemeinde Kahal Adass Jisroel in Berlin-Mitte.
Viele jüdische Bürger leben dadurch in ständiger Furcht vor Übergriffen. Einer von ihnen ist Doron Bruck. Der 28-jährige Berliner offenbart im t-online-Interview seine derzeitige Gefühlslage und erklärt, warum er Orte wie die Sonnenallee in Neukölln derzeit meidet.
t-online: Herr Bruck, fühlt man sich als Jude in Berlin noch sicher?
Doron Bruck: Nein, ich fühle mich als Jude mittlerweile nirgends sicher. Mein Zufluchtsland Israel wurde von einem barbarischen Terrorangriff auf Zivilisten heimgesucht. Und leider hat die Eskalation des Nahostkonfliktes die antisemitischen Straftaten hierzulande noch bekräftigt.
Überlegt man es sich momentan zweimal, seine Religion öffentlich zur Schau zu stellen?
Absolut. Das öffentliche Ausleben meiner Religion ist zum erheblichen Risiko geworden. Ich traue mich daher nicht mehr, eine Kippa zu tragen oder Hebräisch zu sprechen. Das ist eine unfassbar traurige und besorgniserregende Entwicklung.
"Als Jude fühle ich mich beim Sehen der gewaltsamen Bilder äußerst entsetzt und hilflos"
Doron Bruck zu den Eskalationen auf den Demos in Berlin
Wie fühlt man sich als Jude, wenn man die momentanen Eskalationen auf den Demos in Berlin sieht?
Klar ist: In einem Land mit freier Meinungsäußerung muss eine gewisse Meinungsvielfalt geduldet werden. Allerdings kann es nicht unseren gemeinsamen Werten entsprechen, Terrorangriffe auf Zivilisten zu heroisieren und das Auslöschen Israels von der Landkarte zu fordern. Daher fühle ich mich als Jude beim Sehen der gewaltsamen Bilder äußerst entsetzt und hilflos.
Meiden Sie daher grundsätzlich Orte wie Neukölln? Auf der Sonnenallee kommt es immer wieder zu Pro-Palästina-Kundgebungen.
Ich würde das nicht als Pro-Palästina-Kundgebungen bezeichnen. Das sind viel mehr Pro-Hamas-Kundgebungen. Und auch wenn ich ein Verfechter des offenen Dialogs bin, denke ich, dass diese Menschen derzeit nicht bereit sind, einen sachlichen Diskurs zu führen. Sie nutzen die Gelegenheit, ihren Judenhass unter dem Deckmantel der Israelkritik und des Freiheitskampfes salonfähig machen zu wollen. Und ja, das sind sicher Orte, die man als Jude meiden sollte.
Was würden Sie sich wünschen?
Zunächst einmal würde ich mir natürlich wünschen, dass die zivilen Geiseln der Hamas freigelassen werden. Für die Zivilisten in Gaza wünsche ich mir, dass sie es schaffen, trotz Repressalien der Hamas aus dem Kriegsgebiet zu entkommen und sich so nicht zu menschlichen Schutzschilden der Terrororganisation zu machen.
Und für Berlin? Wie glauben Sie, ist dieser Konflikt innerhalb der Hauptstadt wieder in den Griff zu bekommen?
Für unser Zusammenleben in Berlin ist es wichtig, dass der Informationskrieg, der auf Social Media geführt wird, nicht dazu führt, dass wir die Menschlichkeit verlieren. Jeder sollte sich vor dem Teilen von Inhalten fragen, inwiefern dadurch Hass geschürt wird, ich mich somit zum Teil des Problems mache und welchen Zweck die Quelle verfolgt. Es muss doch möglich sein, einen vernünftigen, respektvollen Diskurs zu führen, um unser friedliches Leben in Berlin nicht zu gefährden.
Doron Bruck, vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Doron Bruck
- mit Material der Nachrichtenagentur dpa