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Berlin Sonnenallee: Wie Neukölln über die Hamas-Attacke auf Israel denkt


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Menschen auf der Sonnenallee
Attacken der Hamas in Berlin gefeiert: "Ich ertrage es kaum noch"


Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Junge Männer an der Sonnenallee: Am Wochenende kam es hier immer wieder zu Versammlungen zur Solidarität mit der terroristischen Hamas.Vergrößern des Bildes
Junge Männer an der Sonnenallee: Am Wochenende kam es hier immer wieder zu Versammlungen zur Solidarität mit der terroristischen Hamas. (Quelle: Jürgen Held)

An der Sonnenallee feierten Dutzende Personen den Terroranschlag der Hamas auf Israel. Zweieinhalb Tage später herrscht in Neukölln Zurückhaltung.

Auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln ist am Dienstagvormittag alles gewohnt quirlig. An einem Obststand sortiert ein Händler seine Ware. Er reißt zwei Tüten von einer Rolle herab und gibt sie einem Kunden. Ein paar Meter weiter sitzen zwei arabischstämmige Männer in ihren 50ern. Sie nippen an ihrem dampfenden Tee und gestikulieren wild umher.

Worüber sie sprechen, ist unbekannt. Möglicherweise geht es um die aktuelle Lage in Israel und Palästina. Das Thema ist hier präsent – an vielen Häusern, Straßenlaternen und Bushaltestellen prangen Graffitis und Sticker in den Farben Palästinas.

Die schockierenden Bilder der Gräueltaten der Terrororganisation Hamas in Israel gingen um die Welt. Auch der Jubel zu diesen Attacken auf den Straßen Berlins sorgte für Empörung. An der Ecke Reuterstraße feierten am Samstagabend Aktivisten der pro-palästinensischen Gruppe Samidoun den Tod Hunderter Israelis, wie t-online berichtete. Die Polizei ermittelt in mehreren Fällen wegen der israelfeindlichen Aktionen, unter anderem wegen der Belohnung und Billigung von Straftaten.

Jüdischer Mann zu Palästina-Demo: "Es war extrem hart"

"Ich habe keine Worte dafür", sagt ein englischsprachiger junger Mann, der gerade dabei ist, sein Rennrad abzuschließen. Er gibt an, Jude zu sein und an der Sonnenallee Ecke Reuterstraße zu wohnen – dort, wo es zu den Polizeieinsätzen kam.

An jenem Samstagabend sei er gerade von der Arbeit gekommen: "Es war extrem hart zu sehen, wie vor meiner Haustür der Tod von anderen Juden gefeiert wird". Viel mehr möchte er nicht sagen. Er schluckt kräftig und versucht zu lächeln. "Ich ertrage es kaum noch", sagt er, als er in einen Hauseingang verschwindet.

"Krieg ist immer schlimm", sagt ein anderer Mann, um die 50 Jahre, in gebrochenem Deutsch: "Sowohl für Israel als auch für Palästina". Näher auf die Situation eingehen, möchte auch er nicht. Er fügt lediglich hinzu: "Es sind furchtbare Bilder". Ähnlich geht es einem deutschen, jungen Mann, der in einer Querstraße der Sonnenallee lebt. "Es ist zu komplex, als dass ich mir dazu ein Urteil bilden möchte".

Palästinenser fühlen sich allein gelassen: "Es macht keinen Sinn"

Die Farben Rot, Schwarz, Weiß und Grün sind nicht nur an vielen Straßenecken gesprüht. In einer Shisha-Bar, an der zwei Palästina-Flaggen wehen, lächelt ein junger Mann und erklärt: "Wir sind nur Arbeiter hier, ohne Chef dürfen wir nicht darüber reden". Die Anspannung zu dem Thema ist auf der gesamten Sonnenallee zu spüren. Auch im Markt nebenan, ebenfalls mit den besagten Flaggen bestückt, sagt der Verkäufer: "Hier an der Sonnenallee wird kaum jemand offen darüber sprechen". Er zuckt mit den Schultern und führt fort: "Weil es keinen Sinn macht".

Weshalb das so ist, versucht ein Syrer in seiner Parfümerie zu erklären. Khaled ist 36 Jahre alt und lebt seit acht Jahren in Deutschland: "Bei den Menschen hier und in Palästina hat sich über viele Jahre das Gefühl der Ungerechtigkeit aufgebaut. Sie standen dauerhaft unter Druck". Er meint, die Palästinenser fühlten sich ihrer Heimat beraubt. Auch deshalb würden so viele von ihnen hier in Neukölln leben. Weshalb das so ist und warum die Israelis und Palästinenser keinen Frieden finden, lesen Sie hier.

Generell dürfe es keine Gewalt geben, sagt der Parfümerie-Inhaber. "Die Feiereien nach den Attacken der Hamas finde ich nicht gut", fügt er hinzu. Dass auf der Sonnenallee diese Gräueltaten dennoch bejubelt wurden, sieht er dementsprechend kritisch. Er unternimmt einen Versuch der Erklärung, warum es dennoch dazu kam. "Für viele Menschen hier war das ein Gefühl der Befreiung", sagt er. "Seit vielen Jahren versuchen die Palästinenser auf ihre Probleme aufmerksam zu machen – und niemanden interessiert es". Israel halte sich nicht an die Regeln, fügt er hinzu.

Pro-Palästina-Demonstration in Neukölln abgesagt

Passiere in Israel hingegen etwas Schlimmes, würden die westlichen Medien sofort aufspringen, so die Meinung des Mannes: "Von daher kann ich die Wut verstehen". Er wünscht sich insbesondere mehr Gleichberechtigung. Ob es irgendwann eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung mit Israel und Palästina geben kann, möchte er nicht beantworten.

Offen sprechen will ein Großteil der Menschen wohl nur auf angemeldeten Demonstrationen. Am Mittwochnachmittag sollte es in Berlin-Neukölln wieder soweit sein. 250 Personen planten, sich unter dem Motto "Solidarität mit Palästina" zu versammeln. Die Polizei sagte die Veranstaltung allerdings ab, teilte eine Sprecherin t-online mit. Den Grund dafür konnte sie zunächst nicht mitteilen.

Offenbar rechnete die Behörde aber mit antisemitischen und volksverhetzenden Parolen. Bei einer ähnlichen Demo in Neukölln hatten an Ostern einzelne Teilnehmer antisemitische Parolen gerufen, darunter laut Beobachtern auch "Tod den Juden, Tod Israel".

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich im Vorfeld ebenfalls für ein Verbot der Demonstration starkgemacht. "Für Antisemitismus und Israel-Hass ist in Berlin kein Platz", sagte er. Gleichzeitig unterstrich er, dass dieser Hass in der Stadt von einer Minderheit ausgehe. "Wir haben viele Menschen mit arabischen Wurzeln in unserer Stadt, die genauso besorgt sind über die Bilder, die gerade aus Israel kommen."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Telefonat mit einer Sprecherin der Berliner Polizei
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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