t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalBerlin

Brandenburg: Skandal um rechte Lehrerin – Ministerium führt "Ferien" an


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

So langsam arbeitete das Ministerium
Skandal um rechte Lehrerin – jetzt sollen die Ferien schuld sein


20.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Links ohne, rechts mit Perücke: Elisa W. moderierte auch bei einem Brandenburger Lokal-Sender; für ihre Arbeit bei Compact-TV benutzte sie falschen Namen und Kostümierung.Vergrößern des Bildes
Links ohne, rechts mit Perücke: Elisa W. moderiert auch bei einem Brandenburger Lokal-Sender – für ihre Arbeit bei Compact-TV benutzte sie falschen Namen und Kostümierung. (Quelle: Screenshots)
News folgen

Eine Lehramtskandidatin unterrichtete als offensichtliche Staatsfeindin Grundschüler – auch noch, als das Ministerium längst Bescheid wusste.

Der Druck auf das Brandenburger Bildungsministerium und Minister Steffen Freiberg (SPD) wächst. Weil sein Ministerium nicht rechtzeitig reagierte, stand eine junge Frau mit klar extremistischen Tendenzen wohl länger als nötig vor Kindern und unterrichtete diese. Die Sorge: Diese Zeit könnte sie genutzt haben, um die Schülerinnen und Schüler politisch zu indoktrinieren.

Es geht um die 29 Jahre alte Elisa W. Sie war bis vor kurzem als Referendarin und Beamtin auf Widerruf an einer Grundschule im Landkreis Märkisch-Oderland tätig. Zuvor hatte sie bis Ende Januar 2023 unter falschem Namen und mit Perücke bei Compact-TV moderiert und auch danach noch Kontakte dorthin gepflegt. Der Verfassungsschutz bewertet das Medium des Antisemiten Jürgen Elsässer als gesichert rechtsextrem. Elsässer selbst findet, seine in Falkensee bei Berlin ansässige Redaktion solle "zum Sturz des Regimes beitragen".

Brandenburger Bildungsministerium: Schuld waren die Ferien

Das Ministerium versucht sich nun in einer Erklärung, weshalb Elisa W. so lange ungehindert unterrichten durfte: Schuld seien die Sommerferien und eine Fachabteilung, die Informationen zurückgehalten haben soll.

Interner Zoff also nach dem Skandal um die Lehramtskandidatin: In einer aktuellen Mitteilung räumt das Ministerium schwere Fehler ein. Schon am 27. Juli 2023 sei Post vom Verfassungsschutz gekommen. In einem Schreiben der Brandenburger Behörde sei man über die rechtsextreme Moderationskarriere der angehenden Lehrerin informiert worden.

Bildungsminister Steffen Freiberg wusste Bescheid

Da hätten die Alarmglocken schrillen müssen, denn wie das Bildungsministerium selbst schreibt: "In den Sendungen von Compact-TV werden nach behördlichen Erkenntnissen antisemitische Verschwörungsmythen und islamfeindliche Motive platziert. Die Sendungen tragen Positionen in die Öffentlichkeit, die eindeutig als völkisch-nationalistisch und minderheitenfeindlich zu bewerten sind und damit nicht vereinbar mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung."

Trotzdem passierte erst einmal nicht viel bis nichts. Die zuständige Fachabteilung habe die Hausleitung zwar noch über den Eingang des Schreibens vom Verfassungsschutz und die Einleitung eines Prüfverfahrens informiert, auch Bildungsminister Steffen Freiberg persönlich wusste Bescheid. Aber dann beschloss man offenbar, die Sache sei doch nicht so eilig.

Fachabteilung soll Hausleitung nicht auf Laufendem gehalten haben

Schließlich seien Sommerferien gewesen, heißt es nun. Außerdem dachte man, weil die junge Extremistin nur Beamtin auf Probe sei, habe man ja Zeit. Das Ministerium formuliert es so: "In der Prüfung der Ergebnisse und der Abwägung der Rechtslage wurde seitens der Fachabteilung eingeschätzt, dass aufgrund des besonderen Status der Lehramtskandidatin keine unmittelbaren dienstrechtlichen Konsequenzen abzuleiten wären."

In der Folge versandete die Sache. Die Schule begann nach den Ferien wieder – und dies mit Elisa W.

Das Ministerium betont jetzt: Der Entschluss der Fachabteilung, langsam machen zu können, sei der Hausleitung nicht mitgeteilt worden. Diese habe erst davon erfahren, als der "Tagesspiegel" über den Fall berichtete.

Offene Fragen: Sieben Wochen nichts passiert?

Als am 14. September der erste Artikel zu Elisa W. erschien, "wurden durch die Staatssekretärin sofort Konsequenzen gezogen", heißt es vom Ministerium. Staatssekretärin Claudia Zinke (SPD) habe an diesem Tag schriftlich die Anweisung erteilt, die Lehramtskandidatin am folgenden Tag zum Dienstgespräch einzuladen "und über ihre unverzügliche Freistellung vom Dienst zu informieren".

Es bleiben Fragen. Am Mittwoch wollte die Linken-Abgeordnete Kathrin Dannenberg im Landtag zum Beispiel von Minister Freiberg wissen, was genau in den sieben Wochen passiert ist, die zwischen der Information des Verfassungsschutzes und der Freistellung der Lehrerin liegen.

"Kann versichern, dass Verfahrensabläufe ausgewertet werden"

Antwort des Ministers: "Das Ministerium ist auch in den Sommerferien tätig gewesen." Um das zu belegen, verlas Freiberg während der Landtagsfragestunde ein Protokoll. Es zeigt, wie behäbig gearbeitet wurde: "3.8.: Bitte an den Fachbereichsleiter im Innenministerium, im Fall weiterer Informationen das Bildungsministerium einzubeziehen. 4.8.: Rücksprache mit dem Fachbereichsleiter im Innenministerium. Erster Vermerk zur Frage, ob akute Auffälligkeiten bei der Dame zu beklagen waren? Nein. 11.8.: Sachstandsermittlung mit vorläufiger Bewertung. 18.8. Rückmeldung... – und so weiter."

Außerdem räumte der Minister wortreich Nachholbedarf ein, um in Zukunft in ähnlichen Fällen schneller zu werden. Freiberg: "Wir haben eine generelle Anweisung, die müsste ich vermutlich aus einem Protokoll einer Abteilungsleiterrunde heraussuchen, dass es in solchen Fällen eine Null-Toleranz-Politik gibt. Es gibt aber meines Wissens nach keine schriftliche Dienstanweisung. Aber ich kann versichern, dass die Verfahrensabläufe, und das passiert schon heute, ausgewertet werden und wir daraus dann entsprechend gegebenenfalls Konsequenzen ziehen."

Elisa W. ist aktuell mit Bezügen freigestellt. Spätestens am 17. Dezember wird laut Minister Freiberg über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens entschieden – das seien die rechtlich vorgegebenen drei Monate Frist.

Verwendete Quellen
  • Mitteilung des Brandenburger Bildungsministerium per Mail
  • landtag.brandenburg.de: 90. Sitzung des Landtages Brandenburg, Liveübertragung am 20. September 2023
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website