t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalBerlin

Berlin: Er sprayt Stars auf die Hauswände der Stadt – so viel verdient er


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Graffitikünstler in Berlin
Der Mann, dem die Stars ihr Gesicht anvertrauen


Aktualisiert am 12.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Grafitti-Maler "Tank": Seine Wandporträts können Berlinerinnen und Berliner an vielen Ecken beobachten.Vergrößern des Bildes
Graffitikünstler "Tank": Seine Wandporträts können Berlinerinnen und Berliner an vielen Ecken der Hauptstadt beobachten. (Quelle: "Tank")

Jeden Tag kommen über drei Millionen Berliner an seinen Kunstwerken vorbei. Nun erklärt Graffitikünstler "Tank", wie es ist, Superstars wie Heidi Klum zu malen.

Auf seiner Staffelei kommt er den Stars ganz nah – oder zumindest ihren Konturen. Vergangene Woche wurde am Frankfurter Tor eine neue Werbekollaboration von Spraydosen-Künstler "Tank" enthüllt: Für eine Kampagne von Yves Saint Laurent malte er Elvis-Darsteller Austin Butler. Der Schauspieler blickt nun in typischer Modelpose auf etwa drei Millionen Passanten, die jeden Tag an der Warschauer Straße vorbeifahren.

Butler soll in diesem Kontext ein schwieriges Motiv gewesen sein. Denn auf einem anderen Kontinent hatte sich bereits ein Graffiti-Kollege an das Gesicht des Hollywoodstars gewagt – mit eher mäßigem Resultat. Für das Berliner Bild musste also ein Profi her. Und Graffitikünstler "Tank" gilt als Deutschlands talentiertester Porträtmaler im Häuserwände-Format. Einige Beobachter aus der sogenannten Mural-Szene sagen sogar, dass er einer der Besten in ganz Europa sei. So sprühte er im vergangenen Jahr etwa Motive für Nike, Levis oder Lacoste an Berliner Fassaden.

Seine Illustration zum Videospiel "Hogwarts Legacy" lockte scharenweise Harry-Potter-Fans an, die sich vor der Wand in Neukölln fotografieren ließen. Und manchmal schauten sogar die abgebildeten Künstler persönlich vorbei: Rapper wie Cro oder Kontra K wollten sehen, was "Tank" aus ihrem Gesicht gemacht hat. "Beide total bodenständig. Und Kontra K hat sogar selbst eine Dose in die Hand genommen und mitgemacht – und das sogar ziemlich gut", sagt "Tank" im Gespräch mit t-online.

Wie viel verdient man als Graffitikünstler?

Solche werblichen Auftragsmalereien sind in Berlin nur auf ausgewählten Fassaden erlaubt: "Wer ein Privathaus mit Blumen bemalen möchte, muss einfach nur den Besitzer fragen", erklärt der Künstler. "Doch bekannte Brands, die auf zentralen Wänden im Stadtgeschehen werben wollen, müssen erst alle möglichen Genehmigungen bei den Berliner Ämtern einholen – zudem haben diese Plätze natürlich ihren Preis." Das Buchen der Fassaden kostet für den Kunden oftmals zwischen 40.000 und 100.000 Euro Miete.

Die professionellen Fassadenmaler erhalten für solche Projekte einen Tagessatz zwischen 350 und 900 Euro. "Für Austin Butler habe ich ungefähr drei Tage gebraucht", sagt "Tank" und springt wieder in sein Auto, eine neue Mercedes-E-Klasse, der ganze Stolz des Künstlers. "Wenn ich nicht male, dann wasche ich den Wagen", sagt er mit seinem typisch trockenen Humor.

Louis-Vuitton-Täschchen und Edel-Auto

Heute trägt "Tank" ein Louis-Vuitton-Täschchen und muss die Spraydosen nicht mehr im Rucksack herumschleppen, sondern kann sie in seinem Edel-Auto durch die Republik fahren – aktuell pendelt er beruflich zwischen Köln, Zürich und Berlin. Doch lange war seinem Umfeld nicht klar, dass der heute 42-Jährige noch mal Karriere machen würde.

"Tank" wuchs in Leichlingen, einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen, auf. Mit der Schule tat er sich schwer: "Ich war ein unfassbar hibbeliger Schüler". Ein Lehrer ließ ihn erste Graffitis an die Fassaden seiner ehemaligen Schule sprayen. Doch die Disziplin, die Teenager "Tank" in sein Hobby fließen ließ, färbten nicht auf seine Vormittage im Klassenzimmer ab: Er brach die Schule ab.

Bis zur Volljährigkeit hing er auf dem Skateplatz rum oder nahm für wenig Geld Auftragsarbeiten in der Umgebung an. Der Zivildienst in einer Herzklinik brachte schließlich mehr Struktur in seinen Alltag. "Danach war ich etwas älter und ruhiger und habe Schritt für Schritt alle Schulabschlüsse nachgeholt", sagt er, während er vor dem Frühstück 3000 in Kreuzberg einparkt. Als Nächstes steht Brunch auf seiner Tagesordnung.

"Kein Alkohol, keine Drogen, nur wenig Frauen"

"Tank" mag schöne und exklusive Dinge. Aber die Früchte seiner Anstrengungen kann er erst seit einiger Zeit genießen – es liegen harte Arbeitsjahre hinter ihm. Zuerst holte er den qualifizierten Hauptschul-, dann den Realschulabschluss und anschließend das Fachabitur samt Ausbildung zum Mediengestalter nach. "Ich fing sogar noch ein Studium an, denn ich wollte, dass ein abgebrochenes Kunststudium der letzte Posten in meinem Lebenslauf ist."

Während die anderen weiter auf dem Skatepark abhingen und kifften, stand "Tank" frühmorgens auf und feilte an seiner Maltechnik. "Wenn ich in den Fünfzigern geboren worden wäre, dann hätte ich mir wahrscheinlich Pinsel und Leinwand geschnappt", sagt "Tank". Warum er sich stattdessen für Spraydosen entschieden hat? Dosen gelten als unberechenbares Medium. Viele Künstler, die mit feinen Werkzeugen wie klassischem Pinsel oder Fineliner anfangen, haben später große Schwierigkeiten, sich Spraydosen zum Untertanen zu machen. "Das Medium zu beherrschen, hat mich sehr gereizt", erklärt er.

Schwere Erkrankung zwingt ihn zum Stillstand

2016 kam dann ein großer Einschnitt für den Künstler: Er hatte sich mittlerweile einen Namen in Westdeutschland gemacht und konnte von seiner Leidenschaft leben. Doch eine schwere Erkrankung zwang ihn für ein Vierteljahr zum Stillstand. Monatelang hatte er extreme Schwindelgefühle.

Als er sich zurück an die Hauswand gekämpft hatte, wollte er alles hinter sich lassen – und zog 2017 nach Berlin. Hier war alles eine Spur größer: die Aufträge, die Freundeskreise – aber auch die Partys. Doch mit Kokain- und Alkoholexzessen hatte "Tank" nie viel am Hut. Auf die Frage, wie er es geschafft habe, sich mit seiner Art der Kunst einen Namen zu machen, antwortet er ohne mit der Wimper zu zucken: "Kein Alkohol, keine Drogen, nur wenig Frauen." Dafür raucht er gerne, Marlboro rot-weiß. Und er trinkt sehr viel Cola, vielleicht sein größtes Laster, ebenfalls rot-weiß.

"Tank" hat eine eigene Maltechnik erfunden

Auch in seiner privaten Arbeit als Künstler spielen Marken eine große Rolle. Wenn er nicht gerade Auftragsarbeiten für Luxusklienten ausführt, widmet er sich eigenen Projekten. "Die sieben Todsünden" zeigt eine Serie von schwarz-weiß gehaltenen Darstellungen. Auf "Gier" sind beispielsweise zwei Rolex-Uhren am Handgelenk eines Skeletts zu sehen. "Dafür habe ich eine eigene Malmethode entworfen, die ich Hyrex nenne: Ich habe mir in den USA Farbe mischen lassen, in deren Formel moderne Nanotechnologie verbaut ist." Konturen, die er mit diesem Mittel vorzeichnet, weisen andere Farben ab. So kann er innerhalb weniger Sekunden große Farbbeutel an eine Wand schmeißen, und die Zuschauer können live bei der Enthüllung des Motivs zusehen.

Aktuell ist der Künstler sauer, weil es Agenturen gibt, die diese Technik nun nachmachen und zu Werbezwecken an Brands verkaufen. "Es hat zwar etwas gedauert, bis sie herausgefunden haben, wie es geht. Und sie können es auch nicht so gut wie ich. Aber wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, wie die Werbeindustrie die Technik von Künstlern klaut", beschwert sich "Tank", als er nach dem Brunch wieder in seinem Auto sitzt. Er möchte von seinem neuesten Werk in Neukölln ein Foto machen, checkt dafür aber in einer App, wann der Stand der Sonne perfekt ist.

Loading...
Loading...

Er malte auch schon Heidi Klum

Er hat noch etwas Zeit, deshalb fährt er zu einem Straßenfest. Der große Mann, der manchmal wie ein großes Grummelbärchen wirken kann, bekommt strahlende Augen, als er die Ballonhändler sieht – und kauft sich ein quietschbuntes Einhornkätzchen. "Meine Mutter hat kürzlich so einen gekauft", sagt er, und schlurft mit dem Ballon über der Schulter weiter.

Apropos Mutter: Auch Modelmama Heidi Klum war bereits Subjekt seiner Spraydose. "Fashion-Fotos sind immer schwierig, weil die so tot-gephotoshopped sind. Aber Heidi hat trotzdem Spaß gemacht – sie ist im Dorf neben mir im Rheinland groß geworden, das verbindet uns." Anfang des Jahres hing sie in gigantischer Größe am Hermannplatz in Neukölln. Dort hängt aktuell das neueste Werk von "Tank": Hip-Hop-Legende Nas für einen Cognac von Hennessy. Neugierige Berliner, die nicht ohnehin auf dem Weg zur Arbeit daran vorbeikommen, können die aktuellen Wände von "Tank" noch bis Ende September begutachten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website