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Berlin: Gastronomen in Kreuzberg klagen über Parkplätze – Umsatzeinbuße


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Gastronomie-Streit in Berlin
"Verlieren die Hälfte unseres Umsatzes"


Aktualisiert am 20.06.2023Lesedauer: 4 Min.
Besucher sitzen vor einem Café (Archivbild): In Kreuzberg können Gastronomen eine Entscheidung des Bezirks nicht verstehen.Vergrößern des Bildes
Besucher sitzen vor einem Café (Archivbild): In Kreuzberg können Gastronomen eine Entscheidung des Bezirks nicht verstehen. (Quelle: snapshot/imago-images-bilder)

In Berlin-Kreuzberg wurde eine Sonderregelung nicht verlängert, die die Außenbewirtschaftung auf Parkplätzen erlaubte. Viele Gastronomen beklagen nun hohe Umsatzverluste.

Filip Mitovski ist wütend. Der 44-jährige Manager einer Bar an der Dresdener Straße in Berlin-Kreuzberg sieht seine Existenz bedroht. Die Hälfte seines Umsatzes sei gefährdet, sagt Mitkovski, und das verdanke er dem von den Grünen geführten Bezirksamt. Noch im vergangenen Sommer durfte er 50 zusätzliche Sitzplätze auf dem Gehweg und den Parkplätzen vor seinem Lokal aufbauen. Das habe ihm den Umsatz gerettet.

Möglich gemacht hatte das eine Sondergenehmigung der Bezirksämter in den Pandemiejahren 2020 bis 2022. Um die ohnehin in dieser Zeit arg gebeutelte Gastronomie zu unterstützen, durften Berliner Restaurants und Kneipen, ihre Gäste auf den Gehwegen und Parkplätzen vor den jeweiligen Lokalen bewirten. Doch damit ist in dieser Saison in Friedrichshain-Kreuzberg Schluss.

Kurzfristige Genehmigung nicht möglich

Das Bezirksamt erklärt dazu auf Anfrage, dass eine Weiterführung aktuell zwar noch geprüft werde. Aber eine Mitarbeiterin schreibt auch, dass "für das Bezirksamt eine solche Regelung bedeutet, Personal für die Genehmigungen vorzuhalten, die rechtlichen Implikationen einer Verstetigung zu prüfen und langfristig auch die Lärm- und Parksituation in den Kiezen zu bewerten". Eine kurzfristige Genehmigung sei daher nicht möglich.

Auch andere Bezirke wie Neukölln entschieden sich gegen eine Verlängerung diverser Pandemie-Sonderregelungen – allerdings scheinen die Kreuzberger Gastronomen unter dem Konkurrenzverhältnis zu den Sommerterrassen in Mitte besonders zu leiden: "In Mitte, keine 1,5 Kilometer entfernt, scheint alles möglich: Ich sehe dort viele Läden, die komplette Bürgersteige einnehmen, mit zum Teil fest verbauten Außenmöbeln", sagt Mitkovski. Auch dürften in Mitte erweiterte Tischflächen auf Parkplätzen eingerichtet werden.

"Die paar extra Außenplätze im Sommer auf der Parkplatzfläche haben uns das finanzielle Überleben gesichert", sagt er. Die Pandemie sei zwar für beendet erklärt, ihre Auswirkungen reichten aber weit in die Zukunft. "Meine finanziellen Reserven sind aufgebraucht. Die staatliche Unterstützung und die dazugehörige ausufernde Bürokratie haben nicht einmal gereicht, um die Fixkosten zu decken, geschweige denn das Personal halten zu können." Qualifizierte Arbeitskräfte seien ihm von Lokalen in Mitte abgeworben worden, da er sein Personal notgedrungen reduzieren musste.

Tatsächlich darf im benachbarten Bezirk Mitte weiterhin auf Parkplätzen gespeist und gefeiert werden. Ihre Entscheidung kommentiert die grüne Mitte-Stadträtin Almut Neumann: "Ich halte die Nutzung von Straßenland für die Gastronomie für besser als für einzelne Parkplätze." Denn auf einem einzigen Parkplatz könnten Gastronomiebetreiber mehrere Tische und Stühle aufstellen und ihre Gäste dort bewirten.

Eine "Win-Win-Situation"

"Das ist sowohl für die Gastronomie als auch für die Gäste eine Win-Win-Situation und die Flächen kommen der Allgemeinheit so viel mehr zugute als vorher", sagt Neumann. Ihr Geschäftsbereich habe sich im Vorfeld des Sommers 2023 sehr lange mit den Bedingungen für eine Verstetigung von Schankvorgärten auf Parkplatzflächen auseinandergesetzt und Regelpläne hierfür aufgestellt. "Dennoch war es für die Straßenverkehrsbehörde in der Tat eine enorme Last, die Vielzahl an Anträgen zu bearbeiten", erklärt Neumann.

Genau diese Last scheint im benachbarten Bezirksamt in Friedrichshain-Kreuzberg ausschlaggebend zu sein. Schließlich schreibt die Behörde selbst, sie sei "interessiert daran, eine Lösung zu erarbeiten – eine zeitnahe Überarbeitung des Sondernutzungskonzeptes, die für eine Verstetigung notwendig wäre und wie es im Bezirk Mitte schon geschehen ist, ist schlichtweg aufgrund begrenzter Kapazitäten im Straßen- und Grünflächenamt des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg aktuell nicht möglich." Der Bereich "Sondernutzung" habe zu Pandemie-Zeiten viele andere Aufgaben liegen gelassen, um die Genehmigungen für die Parkplatzbewirtschaftung auf den Weg zu bringen.

Ulf Leonhardt (59), der in der Dresdener Straße 120 die "Cevichería" betreibt, hatte so einen Antrag an die Behörden seines Bezirks in Friedrichshain-Kreuzberg gestellt. Dieser wurde entsprechend abgelehnt. Warum, versteht er nicht. Er und andere Lokalbetreiber fühlen sich vom Bezirksamt benachteiligt. Auch Leonhardt klagt über Umsatzeinbußen: "Aufgrund von gestiegenen Lebensmittelpreisen wegen der Inflation und dem angehobenen Mindestlohn kämpfen wir auch nach der Pandemie jedes Jahr erneut ums Überleben."

Vier Parkplätze, auf denen bis zu 25 Gäste Platz fanden, darf er in diesem Jahr anders als in denen zuvor nicht bewirten. Leonhardt veranschlagt: Dürfte er den Raum während des Sommers wenigstens drei Monate lang nutzen, würde ihm das das wirtschaftliche Überleben ermöglichen und er könnte seinen Mitarbeitern zu höheren Einkünften verhelfen. "Nebenbei bemerkt: Höhere Steuereinnahmen gäbe es auch." Aktuell sehe es so aus, als würde in der Dresdener Straße nicht einmal Parkraumbewirtschaftung betrieben – Parken sei laut Anwohnern gratis, auch wenn der Wagen wochenlang auf derselben Stelle stehe.

Gastwirte und Anwohner sind enttäuscht

Die Gastwirte in Kreuzberg sind daher enttäuscht von den grünen Bezirkspolitikern: "Ständig sprechen sie von ihren guten Absichten: Sie wollen für mehr Flächengerechtigkeit und eine Mobilitätswende und mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum sorgen. Warum tun sie es dann nicht?", fragt Leonhardt.

Enttäuscht sind offenbar auch Anwohner und Gäste. Stella Steinigk, 26, kommt regelmäßig in die Dresdener Straße und sagt: "Dass sich ausgerechnet eine grüne Bezirksstadträtin für die Verteidigung von Parkplätzen entschieden hat, anstatt den Gastronomen eine lukrative Saison und den Bürgern einen schönen Sommer zu ermöglichen, hat mich sehr enttäuscht."

Das sieht auch Lüko Becker so. Der 63-jährige Rechtsdozent lebt seit 1982 in der nahen Oranienstraße. Seit 2021 ist er zudem gewähltes Mitglied im Quartiersrat Zentrum Kreuzberg/Oranienstraße: "Die überwiegende Mehrheit der Nachbarn und Gäste würde sich sehr über eine auto- und stressfreie Dresdener Straße freuen."

Er finde es schade, dass niemand aus dem Bezirksamt die Kreuzberger dazu befragt hätte. Dieses kommentiert auf Nachfrage: "Eine Beteiligung von Anwohnenden bei Auslaufen von Sondergenehmigungen ist nicht vorgesehen und wurde dementsprechend auch nicht durchgeführt."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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