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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Razzia bei Aktivistin Ein Mann zeigt die Polizei an – und die "Letzte Generation"
Was ist bei der Razzia in der Wohnung von Carla Hinrichs passiert? Wurde die Tür aufgebrochen? Wurde sie mit einer Waffe bedroht? Marcel Luthe will das aufgeklärt wissen.
Wegen der bundesweiten Razzia gegen die "Letzte Generation" standen sie plötzlich im Raum. Erst die Polizisten, dann die Vorwürfe. Die bekannte Klimaaktivistin Carla Hinrichs behauptete, ihre Tür sei von Beamten aufgebrochen, sie mit einer Schusswaffe bedroht worden. Eine andere Version als ihre kennen wir nicht. Beweise für ihre Behauptung veröffentlichte Hinrichs nicht. Und die Polizei schweigt. Das liegt zum Teil an Marcel Luthe.
Luthe, früher für die FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, jetzt parteilos und Gründer der "Good Governance Gewerkschaft", hat Anzeige gegen die Beamten erstattet, die in der Wohnung von Hinrichs waren. Sie liegt t-online vor. Wegen der Anzeige hält sich die Polizei mit ihrer Version der Geschichte bedeckt, man beruft sich darauf, nicht über laufende Ermittlungen sprechen zu können. Warum Luthe hofft, dadurch trotzdem mehr über den Vorfall zu erfahren und warum er auch die "Letzte Generation" angezeigt hat, erklärt er nun t-online.
"Letzte Generation" in Berlin: "gedungene, bezahlte Saboteure"
Daraus, dass Luthe die Aktivisten nicht leiden kann, macht er keinen Hehl. Das sei jedoch rein privat. "Nur weil ich sie nicht leiden kann, heißt das noch lange nicht, dass ich will, dass sie Opfer einer Straftat werden." Auf Twitter nennt er die Aktivisten schon mal "gedungene, bezahlte Saboteure". Im Interview mit t-online nicht. Da spricht er vor allem von einem: der Wahrheit.
"Es ist wichtig, dass der Sachverhalt geklärt wird. Wir brauchen die ganze Geschichte." In der Darstellung der Aktivistin fehlt Luthe ein entscheidender Teil. In ihrer Darstellung erklärte Hinrichs, wie an ihre Tür gewummert worden sei, dann hätten Beamte vor ihrem Bett gestanden, eine Waffe auf sie gerichtet. "In der Zeit kann alles Mögliche passiert sein", so Luthe. "Theoretisch kann sie nach etwas gegriffen haben. Einer Brille, im Affekt vielleicht auch nach einem Pfefferspray. Das alles wissen wir nicht. Diese Details fehlen uns, um den Fall zu beurteilen."
Das habe ihn dazu bewegt, die Anzeige aufzugeben. Um herauszufinden, was wirklich in der Wohnung von Carla Hinrichs passiert ist. "Ich bin sehr rechtsstaatsgläubig", so Luthe. "Trotz aller Fehler." Ob hier ein solcher Fehler unterlaufen ist, soll eben nun der Rechtsstaat herausfinden, findet Luthe. Und da die Aktivistin keine Anzeige erstattet hatte, hat er das übernommen. Zur Wahrheitsfindung. "Wenn Hinrichs Version stimmt, dann wären das fürchterliche Wild West Methoden von der Polizei. Solche Beamte könnten wir bei der Polizei nicht gebrauchen. Besonders nicht auf der Straße."
"Alle schreien 'böse Polizei'. Aber wir kennen nur eine Seite"
Sollte Hinrichs Version jedoch nicht stimmen, müsste das auch geklärt werden, so Luthe. "Um die Polizei nicht zu Unrecht zu diskreditieren. Momentan schreien alle 'böse Polizei'. Aber wir kennen nur eine Seite der Geschichte." Auf die Untersuchung durch die internen Ermittler setzt Luthe daher große Hoffnung. Wie er findet, zu Recht. "Wenn es ein Fehlverhalten gab, wird es rauskommen. Dass ein Polizist den anderen deckt, mag vorkommen. Aber dass acht Kollegen von unterschiedlichen Dienststellen, zum Teil sogar aus München, einen Kollegen decken und sich damit strafbar machen – das kann ich mir nicht vorstellen."
Indes hatte Luthe die "Letzte Generation" ebenso angezeigt wie die mutmaßliche bewaffnete Nötigung der Polizeibeamten. "Bereits zwei mal", so Luthe. "In beiden Fällen war ich privat von Blockaden betroffen."
- Interview mit Marcel Luthe
- Eigene Recherchen