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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Berliner Juso-Chef kritisiert Partei "Langjährige Mitglieder wollen aus der SPD austreten"
In Berlin will die SPD mit dem Wahlsieger CDU koalieren. Die Jusos halten das für einen großen Fehler.
An diesem Donnerstag starten in Berlin die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD. Teile der Sozialdemokraten sind mit Schwarz-Rot allerdings nicht einverstanden – und üben lautstarken Protest. Im Interview spricht Peter Maaß, Co-Landesvorsitzender der Berliner Jusos, über das Vorhaben, die Große Koalition zu verhindern, das angespannte Verhältnis zur Parteispitze und über die alles entscheidende Mitgliederabstimmung am 24. April.
t-online: Herr Maaß, ist es aktuell eine anstrengende Zeit bei den Jusos?
Peter Maaß: Wir sind sehr enttäuscht, weil die SPD Berlin den falschen Weg geht. Wir haben immer gesagt, dass Rot-Grün-Rot unser Bündnis ist. Jetzt gilt es alles dafür zu tun, die Koalition mit der CDU zu verhindern.
Das klingt nach einem angespannten Verhältnis zwischen Jusos und Landesvorstand.
Die Situation ist angespannt, ja. Als Jusos sind wir allerdings nicht nur kritisch, sondern auch konstruktiv. Innerparteilich läuft nun ein Wettbewerb. Wir sind das Sprachrohr der Anti-Groko-Haltung und teilen damit eine der zwei Meinungen. Und das ist gut so. Klar ist: Wir sind hier kein "Abnicker-Verein". Sonst hießen wir CDU.
Sie stellen sich klar gegen Schwarz-Rot. Die SPD-Kreisverbände Neukölln und Steglitz-Zehlendorf haben sich schon gegen die GroKo ausgesprochen. Sie scheinen auf einem guten Weg zu sein.
Neukölln war ein Achtungserfolg. Es zeigt, dass die Leute dort unzufrieden sind. Und diese Unzufriedenheit gibt es in weiteren Kreisen. Insbesondere junge Menschen sind extrem genervt. Sie wollen keine Rückschrittkoalition. Aber auch langjährige Parteimitglieder, die über 40 Jahre in der SPD sind, wollen aus der Partei austreten. Es betrifft also nicht nur die Jusos und den Kreisverband Neukölln. Ich spüre, dass es ein großes Verlangen gibt, Diskussionen zu führen. Wir sind deshalb auch nicht einverstanden damit, dass der Landesparteitag in den Juni oder Juli verschoben wird.
Sie sagten vor Kurzem, dass die Jusos eine der größten parteiinternen Kampagnen führen werden, die es je in der Berliner SPD gab. Wie weit sind Sie bereit zu gehen?
Sehr weit. Wir wollen in alle Abteilungen und Kreisverbände gehen, um unsere Standpunkte zu diskutieren. Wir hauen jetzt alles rein, was es gibt. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir noch eine weite Strecke vor uns haben.
Sie wollen insbesondere an die Basis heran?
Genau das sind unsere Leute. Es geht darum, diejenigen, die in der Partei eh gegen die GroKo sind, zu sammeln. Und es geht darum, diejenigen zu mobilisieren, die noch unentschieden oder die schon länger inaktiv sind. Diese Leute wollen wir erreichen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass wir nach der Mitgliederabstimmung – je nach Ergebnis – als Partei wieder zueinander finden.
Die Mitgliederabstimmung am 21. April innerhalb der Berliner SPD ist entscheidend. Sie kritisieren, dass neue Mitglieder, die erst ab jetzt in die SPD eintreten, nicht mitentscheiden dürfen.
Wir haben am Montag kontroverse Debatten darüber geführt, wie dieses Votum ablaufen wird. Die Bundesrichtlinie der SPD sieht für Mitgliederabstimmungen vor, dass man acht Wochen vor der Abstimmung in die Partei eingetreten sein muss. Wir wollten das auf vier Wochen verkürzen. So hätten wir noch zwei bis drei Wochen gehabt, um durch unsere Kampagne Interessierte an unsere Partei zu binden und ihnen die Möglichkeit zu geben, ebenfalls abzustimmen. Doch das wollte man nicht.
Weshalb?
Es gab die Vorwürfe, dass Leute kommen, die der SPD schaden könnten. Für mich ist das aber eine Nebelkerze. Wir müssen uns überlegen: Was ist der Sinn dieser Auseinandersetzung? Es geht auch darum, einen Wettstreit der Ideen zu kreieren und Menschen an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Am Ende hätten wir damit unser Parteileben bereichern und viele neue Mitglieder in der SPD Berlin begrüßen können. Es wäre juristisch sogar möglich gewesen, wir hatten das schon im Willy-Brandt-Haus abgeklärt. Wir hätten diese Frist verkürzen können, sodass der Stichtag nicht der 24. Februar, sondern irgendwann Ende März gewesen wäre. Doch daraus wird nichts.
Ihre Kollegin und Co-Landesvorsitzende Sinem Tasan-Funke twitterte dazu am Dienstag: "Gremiensitzungen, in denen Angst der Hauptberater ist, sind keine guten Gremiensitzungen." Was meint sie damit?
Wir wollten neben der Fristverkürzung auch erreichen, dass Mitglieder zum Beispiel digital abstimmen können. Das wurde ebenfalls vom Landesvorstand abgelehnt. Ich glaube, die SPD-Führung hätte durch diese Punkte ihre Erfolgsaussichten schwerer abschätzen können. Daher die Angst. Ich teile die Ansicht meiner Kollegin.
Sie üben also Kritik am Landesvorstand. Hätten Sie sich nach der Wahl eigentlich einen Wechsel in der Berliner Parteiführung gewünscht, etwa bei der Landesvorsitzenden?
Natürlich muss es personelle Konsequenzen geben. Das bezieht sich aber nicht zwangsläufig auf Franziska Giffey. Wir wollten ja, dass sie bei Rot-Grün-Rot Bürgermeisterin bleibt. Dafür muss sich im Senat insgesamt etwas ändern. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, was schiefgelaufen ist und warum. Das ist nicht nur Franziskas Giffeys Schuld.
Sondern?
Ich finde es generell wichtig, etwas an dem Tableau der SPD Berlin zu ändern. Diese Personaldebatte ist aber zweitrangig. Bei der Ergebnisverkündung müssen wir weiter schauen, denn natürlich ist auch die Spitze der Partei mit den Koalitionsgesprächen und deren Ausgang verknüpft. Bis dahin bin ich aber mit voller Kraft dabei, diese Koalition zu verhindern.
Klingt nach noch harten Wochen für Sie. Sie bleiben aber optimistisch, dass Sie Schwarz-Rot noch verhindern können?
Ich habe keine andere Wahl. Schwarz-Rot ist eine Koalition des kleinsten Versprechens. Die ist für mich nicht befriedigend. Ich gebe alles, was ich habe, um das zu verhindern. Ich nehme in der Breite der Partei wahr, dass die GroKo ein Fehler ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Stimmungsbild im Landesvorstand ein anderes war. Jedoch klangen viele von den jetzigen GroKo-Unterstützern vor zwei Jahren noch anders.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Maaß!
- Eigenes Interview mit Peter Maaß