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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verletzte bei größter Einzelblockade in Berlin "Faule Bande": Lkw-Fahrer will Klimablockade durchbrechen
Sie kleben wieder: Aktivisten der "Letzten Generation" besetzen am Freitagmorgen die Kreuzung am Frankfurter Tor in Berlin.
Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben am Freitagmorgen eine große Kreuzung am Frankfurter Tor in Berlin-Friedrichshain blockiert. Mehr als 50 Aktivisten waren beteiligt, viele hatten ihre Hände an der Fahrbahn festgeklebt. Laut Lilly Schubert, Sprecherin der "Letzten Generation" und ebenfalls festgeklebt, handelte es sich um die bisher größte Einzelblockade in Berlin.
Bei der mehrere Stunden andauernden Aktion kam es zu brenzligen Situationen. Gleich zu Beginn drohte ein Lkw-Fahrer, die Blockade zu durchbrechen, und fuhr auf die Aktivistinnen zu, die sich gerade auf die Straße gestellt hatten. Er bremste erst knapp vor den jungen Frauen. "Ich hatte richtig Herzrasen", sagte eine der Aktivistinnen zu t-online. In der Folge äußerte der Fahrer immer wieder lautstark seinen Unmut und ließ seinen Motor mehrmals aufheulen. "Wir machen die Dachbegrünung für Berlin. Hier sitzt die faule Bande auf der Straße und wir haben keine Arbeitskräfte auf dem Bau", rief er.
Weg für Notarzt freigegeben
Kurz nach Beginn der Aktion näherte sich über die Warschauer Straße ein Notarztwagen mit Blaulicht der blockierten Kreuzung und wurde durch den aufgestauten Verkehr ausgebremst. Die nicht festgeklebten Aktivisten gaben an der Stelle kurzzeitig die Fahrbahn frei, sodass der Notarzt mit Polizeieskorte über die Kreuzung fahren konnte.
Immer wieder gingen Passanten oder Autofahrer aggressiv auf die Blockierer zu, rissen Transparente weg oder schrien Dinge wie: "Die Regierung ist nicht hier. Dreckspack!" Ein älterer Mann fragte im Vorbeigehen einen Polizisten: "Könnt ihr die nicht erschießen?" "Nein, das machen wir nicht", sagte der Polizist, der Mann ging weiter.
Die Protestler erhielten aber auch immer wieder Unterstützung, besonders von vorbeifahrenden Radfahrern. "Haltet durch" oder "Weiter so" riefen sie den Aktivisten zu. Eine Anwohnerin beobachtete das Treiben mit ihrem Säugling auf dem Arm. "Ich wollte einfach mal vorbeikommen und mich bedanken", sagte sie. Der Protest sei wichtig.
Eine Besonderheit der Blockade neben der Größe war die musikalische Untermalung: Ein Chor der Aktionsgruppe "Lebenslaute" und einige Musiker mitten auf der Kreuzung sorgten für zusätzliche Aufmerksamkeit. Die Musikerinnen und Musiker sangen Zeilen wie "Und ich schaff’s nicht, einfach zuzusehen, wie alles den Bach runtergeht". Immer wieder sangen Blockierende mit, auch von Umstehenden gab es Applaus.
230 Polizisten wegen Klimaprotesten im Einsatz
Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Laut einer Sprecherin der Berliner Polizei waren am Morgen insgesamt 230 Kräfte wegen Klimaprotesten im Einsatz. Nicht alle davon seien am Frankfurter Tor, manche seien in Bereitschaft für mögliche andere Aktionen, sagte die Sprecherin.
Die Polizisten vor Ort forderten Blockierer und Chor auf, die Straße zu räumen: "Sie behindern den Fließverkehr und gefährden die öffentliche Sicherheit unmittelbar." Da die Aktivisten sich weigerten, wurden sie weggetragen. Vorher lösten Polizeibeamte die Hände der Aktivisten mit Rapsöl und Pinseln von der Straße.
Die Aktivisten und Musiker wurden an mehreren Stellen gesammelt und vorübergehend festgehalten. Der Chor musizierte weiter. Einige Aktivisten versuchten zu fliehen und wurden daraufhin in Handschellen gelegt.
Aktivist blutet stark an der Hand
Mehrere Protestler klagten über Schmerzen an den Händen und Handgelenken, nachdem sie abgelöst und weggetragen worden waren. Sie wurden in einem Krankenwagen versorgt. Ein Mann blutete stark an der Hand. "Manche Polizisten haben das mit dem Ablösen besser drauf als andere", sagte der ältere Aktivist, der nach eigenen Angaben schon oft an Blockaden beteiligt war. Auch ein Polizist musste vorübergehend im Rettungswagen behandelt werden. Er hatte sich das Knie verdreht.
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter beschwerten sich die Aktivisten am Donnerstagabend, dass die Bundesregierung am Donnerstag eine Einladung zu Verhandlungen mit ihnen nicht angenommen habe. "Sie hätten es heute beenden können. Wir bedauern es, dass Sie die Option ausschlugen. Mit Ihrer Politik haben Sie es in der Hand, ob Menschen im Stau stehen und im Gefängnis sitzen. Wir müssten uns nur zusammensetzen."
Die "Letzte Generation" fordert von der Regierung Maßnahmen gegen die Klimakrise, etwa ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen von 100 Kilometern pro Stunde.
- Reporter vor Ort
- Tweet: Twitterprofil @AufstandLastGen