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Berlin: Unfallkreuzung seit 2008 als gefährlich bekannt


"Unfall hätte vermieden werden können"
Tote Radfahrerin: Kreuzung seit Jahren als gefährlich bekannt

Von t-online, cch

Aktualisiert am 10.11.2022Lesedauer: 3 Min.
Mahnwache für getötete RadfahrerinVergrößern des Bildes
Mahnwache für getötete Radfahrerin: Die Trümmer des Fahrrads der getöteten Frau und ein sogenanntes Geisterrad liegen auf der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf. (Quelle: Paul Zinken/dpa/dpa)
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Eine Radfahrerin wurde von einem Betonmischer überrollt und starb. Die Kreuzung, auf der sich der Unfall ereignete, gilt schon länger als gefährlich.

Nach einem tödlichen Unfall auf der Kreuzung Hohenzollerndamm/Bundesallee/Nachodstraße wird viel darüber diskutiert, welche Auswirkungen die Proteste der "Letzte Generation" darauf hatten. Durch eine Demonstration stand ein spezielles Rettungsfahrzeug im Stau. Die Verkehrspolitik in Berlin wird hingegen kaum besprochen.

Dabei sei die Kreuzung in Charlottenburg-Wilmersdorf schon lange als äußerst gefährlich bekannt, so die Radverkehrsorganisation "Changing Cities". Bereits im Jahr 2008 wurde sie demnach als Unfallhäufungspunkt angeführt.

"Eklatantes Verkehrssicherheitsproblem nicht angegangen"

"Die ganzen Empörungswellen verdecken, dass diese Frau gestorben ist, weil seit über einem Jahrzehnt ein bekanntes und eklatantes Verkehrssicherheitsproblem nicht konsequent angegangen wurde", sagt Ragnhild Sørensen von "Changing Cities".

Vorherige Unfälle und Vorschläge der Organisation seien ignoriert worden. "Der Senat und der Bezirk haben sich stattdessen sehenden Auges für die Beibehaltung der gefährlichen Infrastruktur entschieden. Dieser Unfall hätte vermieden werden können, wieder einmal."

Sørensen wirft dem Senat ein zu langsames Tempo bei der Umsetzung des 2018 verabschiedeten Mobilitätsgesetzes (MobG) vor. "Wenn der Senat in diesem Tempo weitermacht oder es sogar verdoppelt oder verdreifacht, bekommen wir immer noch nicht die Stadt, die dem Mobilitätsgesetz und seinen Zielen entspricht."

Das MobG schreibt vor, dass der sogenannte Umweltverbund, also öffentlicher Personennahverkehr, Fuß- und Radverkehr, Vorrang haben. "In dieser Kreuzung hat der Autoverkehr aber zehnmal mehr Platz als der Umweltverbund", kritisiert Sørensen. Weiter sieht das Gesetz geschützte Radwege an allen Hauptverkehrsstraßen vor – an der betroffenen Kreuzung sei gar keiner.

Chronik der Unfallkreuzung

Die Radverkehrsorganisation "Changing Cities" und das Netzwerk "Fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf" verfolgen seit Jahren die Entwicklung der Kreuzung. Sie haben die Chronik der Kreuzung aufgeschrieben:

  • 2008: Die Kreuzung gilt laut Polizei als Unfallhäufungspunkt. Studierende der Technischen Universität Berlin untersuchen sie im Rahmen des Projektes "Sicher unterwegs – Radfahren in Berlin" auf die Verkehrssicherheit. Sie erarbeiten Entwürfe, die Unfälle mit Radfahrbeteiligung verringern sollen.
  • 2010 bis 2020: Die Unfallkommission und die Alliander AG, die die Lichtsignalanlagen in Berlin betreut, arbeiten zehn Jahre federführend an Planungen, um die Kreuzung zu verbessern – für "Changing Cities" eine "absurd lange Planungszeit".
  • Januar 2018: Eine Radfahrerin wird an der Kreuzung von einem rechtsabbiegenden Sattelschlepper erfasst. Die Frau gerät unter die Vorderachse, wird 30 Meter weit mitgeschleift und lebensgefährlich verletzt. Das Netzwerk "Fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf", ein Projekt von" Changing Cities", demonstriert einige Tage später vor Ort und fordert eine sicherere Infrastruktur.
  • Dezember 2018: Die Planungen für die Kreuzung werden im sogenannten Fahrrat des Bezirks vorgestellt. Dem Netzwerk "Fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf" reichen diese nicht aus, es präsentiert einen Monat später Verbesserungsvorschläge. Darin schlägt es unter anderem geschützte Radwege sowie den Verzicht auf zweispuriges Abbiegen vor.
  • 2019: Laut Mobilitätsgesetz müssen zwei Kreuzungen pro Jahr sicherer gemacht werden. Für 2019 wählt der Senat unter anderem diese Kreuzung aus. Das Ergebnis ist Sørensen von "Changing Cities" zufolge aber kaum erkenntlich: "Überall sind zweispurige Rechtsabbiegerspuren vorhanden, nur an einer einzigen Ecke gibt es getrennte Lichtsignale für Rad- und Autoverkehr." Die Ampeln priorisierten immer noch den Autoverkehr.
  • 2020: Der südliche Teil der Kreuzung wird umgebaut. Die Standards des MobG – Vorrang von Radfahrern und Fußgängern – werden dabei nicht beachtet, bemängelt "Changing Cities". Es entsteht dort Berlins erster Dreirichtungsradweg, der aber bei vielen auf Kritik stößt: Wer als Radfahrer von Süd nach Nord fahren möchte, steht laut der Organisation an drei Ampelschaltungen (Nachodstraße, Spichernstraße Süd, Spichernstraße Nord). Fußgänger, die über die Bundesallee in Ost-West-Richtung wollen, haben demnach bis zur Mittelinsel gerade einmal drei Sekunden Zeit – dann ist die Ampel wieder rot.
  • 2022: Eine 44 Jahre alte Radfahrerin wird auf der Kreuzung von einem Betonmischer gerammt und lebensgefährlich verletzt. Sie stirbt vier Tage später im Krankenhaus.

Die Debatte über den Einfluss der Klima-Blockade auf den Rettungseinsatz geht derweil weiter. Laut dem Abschlussbericht der Berliner Feuerwehr hatte die Verspätung des Spezialfahrzeugs wohl doch größere Folgen für den Einsatz. Die Zwillingsschwester der verstorbenen Radfahrerin meldete sich in einem Interview zu Wort und wirft den Aktivisten der "Letzten Generation" Ignoranz vor.

Verwendete Quellen
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