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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit um Millionen Erbe will Hotel Adlon zurück: "Wir wurden betrogen"
Felix Adlon hat das Land auf Herausgabe des Hotelgrundstücks verklagt. Es geht um Millionen Euro – und um den Ruf der Familie.
Felix Adlon hat Koch gelernt und dann Film und Fotografie in den USA studiert, wo er viele Jahre lebte. Der Ururenkel des Adlon-Gründers Lorenz Adlon hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe der Familie zu retten.
2021 hat er ihre Geschichte im Heyne-Verlag als Buch veröffentlicht: "Adlon – ein Hotel, sechs Generationen". Im Interview mit t-online erhebt er nun schwere Vorwürfe gegen das Land Berlin. Er unterstellt dem Senat für Finanzen, jahrzehntelang Dokumente unter Verschluss gehalten zu haben. Diese würden beweisen, dass die Familie gegen die Nazis opponiert habe, obwohl die Ururgroßeltern NSDAP-Mitglieder waren und das Hotel im Dritten Reich vom Auswärtigen Amt besetzt worden war.
t-online: Herr Adlon, Sie steigen regelmäßig im Adlon ab, wenn Sie in Berlin sind. Rollt man Ihnen dort den roten Teppich aus oder sind Sie ein Gast wie jeder andere?
Felix Adlon: Beides. Die meisten Hotelangestellten lieben es, wenn meine Frau und ich da aufkreuzen. Es macht einfach eine schöne Atmosphäre, wenn die Gründerfamilie im Adlon ist. Andererseits sind wir ganz normale, zahlende Gäste.
Man macht für Sie keine Ausnahme?
Doch, wir zahlen die sogenannte "Friends & Family"-Rate. Das ist ungefähr die Hälfte vom regulären Preis.
Ärgert Sie das?
Natürlich. Ich bin ein Hotelerbe ohne Hotel. Wir sind um unser Erbe betrogen worden. Wir wurden dreimal enteignet. Das erste Mal von den Nazis, die sich im Dritten Reich im Adlon eingenistet haben. Das zweite Mal von den Sowjets und das dritte Mal nach der Wiedervereinigung, vom Land Berlin.
Gegen das Land Berlin gehen Sie jetzt vors Verwaltungsgericht. Sie fordern die Rückgabe des Grundstücks. Mit welcher Begründung hat Ihnen das Land das bislang verweigert?
Es wird behauptet, meine Urgroßeltern Hedda und Louis Adlon hätten mit den Nazis kollaboriert.
Tatsächlich sind Ihre Urgroßeltern 1941 in die NSDAP eingetreten.
Ja, aber nur, weil sie unter Druck gesetzt wurden. Sehen Sie, die Nazis hatten sich in dem Hotel breitgemacht. Alfred Rosenberg hat sich dort mit seinem Auswärtigen Amt eingenistet, weil in dem Hotel die internationalen Diplomaten unterwegs waren. Das ganze Hotel war verwanzt. Das heißt aber nicht, dass meine Urgroßeltern mit den Nazis kollaboriert hätten. Das hätten sie sich gar nicht leisten können. Wer vom Tourismus lebt, muss weltoffen sein. Meine Urgroßeltern waren sogar im Widerstand.
Tatsächlich?
Ja, meine Urgroßeltern Hedda und Louis waren eng befreundet mit Paul und Margarethe von Hase. Paul von Hase war beteiligt an den Plänen für das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944.
Gut, aber was haben Ihre Eltern damit zu tun?
Der gesamte Berliner Teil des Attentats – das Regierungsviertel zu sperren und Goebbels verhaften zu lassen – das wurde im Adlon geplant.
Ausgerechnet in einem Hotel, das von Nazis verwanzt worden war?
In der Empfangshalle war es so laut, dass man die einzelnen Gespräche nicht belauschen konnte.
Herr Adlon, das klingt unglaublich. Die Gestapo stand neben der Rezeption Wache. Wie sollte das funktionieren?
Vor der Nase der Geheimpolizei wurde der Militärputsch geplant.
Sie sind Jahrgang 1966. Ihre Urgroßeltern sind schon lange tot. Woher wollen Sie das wissen?
Es gibt dazu eine eidesstattliche Versicherung von Margarethe von Hase. Auf die Spur hat mich der Berliner Senat für Finanzen gebracht.
Wie bitte?
2015 bekam ich vom Senat für Finanzen einen Brief, in dem stand, dass wir das Betriebsvermögen des verbrannten Hotels zurückbekommen.
Dabei stand Ihre Familie bis dahin auf der Liste der Nazi-Kollaborateure, und die waren von der Rückgabe der enteigneten Grundstücke ausgeschlossen.
Das habe ich mich auch gefragt. Begründet wurde das plötzlich mit der eidesstattlichen Versicherung von Margarethe Hase – und mit anderen biografischen Details aus dem Leben meiner Urgroßeltern, die der Senat kannte.
Wie ist er an diese Beweise gekommen?
Meine Urgroßmutter Hedda hatte sie schon in den fünfziger Jahren gesammelt, um die Herausgabe des Grundstücks zu beantragen. Es war ein ganzer Ordner. Die Behörden haben ihn jahrzehntelang unter Verschluss gehalten.
Sie unterstellen dem Senat, er habe die Beweise für die Unschuld Ihrer Familie zurückgehalten, um das Grundstück verkaufen zu können?
Genau. Irgendwie musste die Bundesrepublik ja ihr Versprechen halten, dass die Wiedervereinigung den Steuerzahler nichts kostet.
Haben Sie den Ordner mit den Beweisen inzwischen gefunden?
Ja, nachdem ich den Brief 2015 bekommen habe, habe ich Akteneinsicht beantragt und den Ordner gefunden. Wären die Beweise nicht unterschlagen worden, wären wir von der Liste der Leute gestrichen worden, denen man eine Kollaboration mit den Nazis nachgesagt hat.
Wie groß ist der finanzielle Schaden, der Ihnen durch den Verlust des Grundstücks entstanden ist?
Wir haben damals ausgerechnet, nach der Wende hätten wir 80 Millionen D-Mark bekommen müssen. Wert war das Grundstück über 100 Millionen D-Mark. Verkauft wurde es für 70 Millionen D-Mark an den Baulöwen Jagdfeld.
Welchen Wert hat es heute?
Mit dem Kasten, der draufsteht, vielleicht zwischen 300 und 500 Millionen Euro. Keine Ahnung. Irgendwann wird es ein Scheich kaufen. Dann werden wir es vielleicht wissen (lacht).
Adlon ist ein Mythos. Schon jetzt gibt es zahlreiche Bücher und Filme. Geht es Ihnen in dem bevorstehenden Prozess nur ums Geld?
Nein, es geht in erster Linie um die Würde meiner Familie. Es kann nicht sein, dass meine Urgroßeltern als Naziverbrecher dastehen. Und natürlich geht es auch darum, dass wir unser Erbe antreten wollten.
Das Grundstück des Adlon ist das Filetstück der Deutschen Immobilien-Industrie. Geben Sie es zu: Als Freiberufler könnten Sie das Geld gut gebrauchen.
Es war meine Frau, die mich ermutigt hat, da tiefer zu bohren. Sie ist Opernsängerin, ich bin Filmemacher. Für uns ist es immer schwieriger geworden.
Sie meinen: finanziell?
Die Leute glauben, uns gehört das Adlon immer noch und wir fahren im Bentley vor. Wenn ich den Gärtner zum Baumschnitt bestelle, überlege ich, ob ich mich mit Felix oder Herr Adlon melden soll. Im zweiten Fall verdoppelt sich gleich der Preis. (lacht) Es hat auch Auswirkungen auf unsere Arbeit.
Inwiefern?
Bei meiner Frau heißt es, die Adlon könne man sich nicht leisten. Als Sopran singe sie nur Wagner-Rollen. Das ist spooky. Und bei mir war es so, dass ich schon mal keine Filmförderung bekam, weil es hieß, ein Adlon könne seinen Film doch selbst vorfinanzieren. Mir sind dadurch drei Filme in Folge weggebrochen.
Müssten Sie den Berliner Senat für Finanzen nicht auch dafür verklagen, dass er die Akte mit Ihren Beweisen unter Verschluss gehalten hat?
Eine gute Idee. Aber will man deshalb noch mal jahrelang prozessieren?
Auch die Hohenzollern klagen die Rückübertragung von Immobilien und Grundstücken ein. Auch da geht es um die Frage, ob die Familie dem NS-System erheblichen Vorschub geleistet hat. Ist der Fall Adlon mit dem Fall Hohenzollern vergleichbar?
Nein, überhaupt nicht. Die Hohenzollern klagen etwas ein, das sie sich nicht mit eigenem Fleiß verdient haben. Sie haben ihr Lebenswerk auf dem Rücken der Bürger gebaut. Ich finde das unanständig. Der Kronprinz war ein Ur-Nazi.
Fragt sich bloß, ob das Verwaltungsgericht Ihre neuen Beweise anerkennt. Wie weit würden Sie gehen, um das Grundstück zurückzubekommen?
Bis wir gewinnen.
Was würde das für das Adlon bedeuten?
Wir wären wieder Teilhaber des Hauses und könnten wieder das machen, was schon Hedda und Louis gemacht haben. Sie haben Events im Haus veranstaltet, wo Politik, Wissenschaft, Kunst und Kultur aufeinandertreffen. Dieser Kosmos existiert nicht mehr. Es geht nur um Zahlen. Es fehlt die Seele. Es fehlt die Familie und ihr Credo "Adlon oblige".
Was bedeutet das?
Das ist ein Wortspiel. Es kommt von "Noblesse oblige". Adel verpflichtet. Es bedeutet, für den Gast das absolut Beste zu liefern. Gut mit dem Personal umzugehen, damit es gut mit den Gästen umgeht.
- Interview mit Felix Adlon