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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Hatte extreme Todesangst" Frau berichtet über Spritzenattacke in Berliner Club
Eine Frau berichtet, in einem Berliner Club mit einer Spritze unter Drogen gesetzt worden zu sein. Der Veranstalter äußert sich in einem langem Statement dazu. Was ist dran an dem Fall?
Wieder berichtet eine Frau davon, in einem Berliner Club mit einer Spritze attackiert worden zu sein. "In der Nacht zum Sonntag musste ich leider selbst Erfahrung mit einer Needle-Spiking-Attacke im Club Ost machen", schreibt eine Userin auf Instagram. Aber in dem Fall sind viele Fragen offen.
Sie habe auf der Tanzfläche gemerkt, dass es ihr nicht gut gehe und sei mit einem Uber nach Hause gefahren, schreibt die Frau. Auf der Fahrt sei sie "wie sediert" gewesen. Zu Hause habe ihr Partner eine Einstichstelle unterhalb ihres rechten Schulterblatts gefunden. Er sei mit ihr ins Krankenhaus gefahren, wo die Einstichstelle bestätigt worden sei. Gelitten habe sie unter extremen Koordinationsstörungen, Gangstörungen, Halluzinationen und Erbrechen. "Ich bin hyperventiliert, habe nur geweint und hatte extreme Todesangst."
Ausmaß des Problems in Berlin ist unklar
Als Needle Spiking bezeichnet man Angriffe mit Spritzen in Nachtclubs, bei denen den Opfern absichtlich Rauschmittel injiziert werden. Die meisten Fälle von Nadelangriffen gab es bislang in Großbritannien. 1.382 Anzeigen registrierte die britische Polizei in diesem Zusammenhang in der zweiten Jahreshälfte 2021.
Wie häufig solche Angriffe in Berlin vorkommen, ist unklar. Erst im Mai hatte eine australische Sängerin berichtet, dass sie im Berghain nach einer Nadelattacke zusammengebrochen sei. Andrea Priest vom Projekt Sonar für ein sicheres Berliner Nachtleben sagte dem rbb Mitte Juni, dass darüber hinaus keine Fälle gemeldet worden seien. Der Berliner Polizei scheint das Phänomen gänzlich unbekannt zu sein. In den vergangenen Jahren habe es keine einzige Anzeige in diese Richtung gegeben, sagte ein Sprecher am Anfang der Woche.
Frau macht Sicherheitspersonal des Berliner Clubs Vorwürfe
Im aktuellen, möglichen Fall macht die Frau dem Veranstalter in ihrem Post Vorwürfe. Bei ihr und bei mehreren anderen Leuten seien weder die Taschen kontrolliert noch seien sie abgetastet worden. "Shame on you, Türsteher oder 'Security', dieses Thema nicht ernst zu nehmen", schreibt sie. Auf mehrmalige t-online-Anfragen hat die Frau nicht reagiert.
In der besagten Nacht von Samstag auf Sonntag fand im Club Ost eine Party des Veranstalters "Stimulation Berlin" statt. Der Veranstalter hat am Donnerstag ein Statement zu dem Vorfall auf Instagram veröffentlicht. Man sei am Montag auf die von der jungen Frau veröffentlichten Vorwürfe aufmerksam gemacht worden. "Wir nehmen das sehr ernst", schreiben die Veranstalter.
Partner der Frau soll Mitarbeiter bedroht haben
Das Statement von "Stimulation Berlin" wirft aber auch neue Fragen auf. Noch bevor die Veranstalter darin auf den angeblichen Needle-Spiking-Vorfall zu sprechen kommen, schreiben sie davon, dass während der Veranstaltung am Samstag einer Person vom Sicherheitsdienst der Zutritt verweigert worden sei. Diese Person habe daraufhin mehrere Mitarbeiter "ernsthaft bedroht".
Nach t-online-Informationen handelt es sich bei der Person, der die Veranstalter Bedrohungen vorwerfen, um den Partner der Frau, die angibt, Opfer einer Nadelattacke geworden zu sein.
"Aufgrund der Art dieser Bedrohung, ihrer Verbindung zu dem angeblichen Spiking-Vorfall und weiterer von uns gesammelter Informationen mussten wir die Polizei einschalten", heißt es weiter im Statement von "Stimulation Berlin".
Frau kam ohne Sicherheitskontrolle in den Club
Wie genau die Polizei eingeschaltet und ob und gegen wen Anzeige erstattet wurde, ist unklar. Die Veranstalter wollten sich auf t-online-Anfrage nicht dazu äußern. Auch die Berliner Polizei konnte am Donnerstag keine Angaben dazu machen, ob und gegen wen in diesem Fall Anzeigen vorlägen.
Den Vorwurf der jungen Frau, dass sie selber an diesem Abend keiner Sicherheitskontrolle unterzogen worden wäre, gibt der Veranstalter zu. Wegen des "Vorfalls an der Tür" sei sie von einem Mitgründer des Veranstalters persönlich aufs Gelände gebracht worden. "Das tut uns sehr leid und es wird nie wieder vorkommen."
Nach Veröffentlichung der Vorwürfe habe man die Frau sofort auf mehreren Kanälen kontaktiert, schreibt der Veranstalter. Diese habe darauf bisher nicht reagiert.
"Wir können nicht die Eingeweide und Genitalien aller unser Gäste durchsuchen"
Weiter schreiben sie, dass zukünftig jeder Gast, der den Verdacht habe, mit einer Nadel gestochen worden zu sein oder sich unwohl fühle, sofort das Personal um Unterstützung bitten solle. Man brauche "eure Mitarbeit, damit wir unsere Räumlichkeiten auch in Zukunft so sicher wie möglich gestalten können."
Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass es nicht zu verhindern sei, wenn jemand etwas unerkannt in den Club bringen wolle. "Wir können nicht die Eingeweide und Genitalien aller unser Gäste durchsuchen." Man versuche aber, ein möglichst sicheres Umfeld zu schaffen. "Seid versichert, dass wir diese Dinge ernst nehmen und alle Berichte über Spiking in Berliner Clubs uns ebenfalls in Unruhe versetzen."
- Eigene Recherche
- Statement des Veranstalters "Stimulation Berlin"