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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wildwest in Brandenburg Niemanden interessiert, wie die Clans ihre Villen bezahlen
Woher stammt das Geld, mit dem der 21-jährige Sohn des Clanchefs Abou-Chaker die Bushido-Villa in Kleinmachnow ersteigert hat? Brandenburg prüft nicht, ob es aus kriminellen Geschäften kommt. In Berlin wäre das unmöglich.
Es ist ein Parkgrundstück in bester Lage, drei Villen, ein unterirdischer Wellness-Tempel, 16.000 Quadratmeter, obendrein ein echtes Schnäppchen. Für 7.401.500 Euro ging das gemeinsame Villengrundstück von Rapper Bushido und dem Berliner Clan-Chef Arafat Abou-Chaker am Mittwoch bei der Zwangsversteigerung im Amtsgericht Potsdam weg. So hoch war die Mindestsumme, die geboten werden musste – es ist die Hälfte des Verkehrswertes.
Der Käufer ist Ahmed Abou-Chaker, der Sohn von Clan-Chef Arafat Abou-Chaker. Das wirft Fragen auf. Denn Ahmed Abou-Chaker ist erst 21, er lebt noch bei seiner Mutter und ist Student. Der "Bild" sagte sein Vater, er studiere "Online-Handel oder Online-Business". Woher hat Ahmed Abou-Chaker über sieben Millionen Euro?
Eine Task Force für Immobiliengeschäfte
In Berlin würde diese Frage die Behörden auf den Plan rufen. Das Land hat sich den Kampf gegen Clankriminalität auf die Fahnen geschrieben. Hier ist man für Geldwäsche sensibilisiert. Im Sommer 2018 wurden in der Hauptstadt 77 Immobilien beschlagnahmt. Eine arabischstämmige Großfamilie, der Remmo-Clan, soll sie mit Geld aus der Organisierten Kriminalität bei Zwangsversteigerungen billig erworben haben.
Um solchen Geschäften einen Riegel vorzuschieben, hat die Justiz im Januar 2020 eine Task Force eingerichtet. Sie soll verhindern, dass illegal erworbenes Geld in Immobilien und Grundstücke investiert wird. Die Task Force arbeitet mit Notaren zusammen. Verdachtsfälle meldet sie dem Zoll.
In Brandenburg fühlt sich keine Behörde zuständig
An Arbeit mangelte es der Task Force anfangs nicht. Bei fast jeder zweiten Prüfung habe ein Verdachtsfall vorgelegen, heißt es. Im August 2021 geriet auch ihre Arbeit ins Stocken. Seither dürfen Notare nach einer Gesetzesnovelle nur noch Verdachtsfälle melden, wenn ihnen konkrete Fakten vorliegen. Der damalige Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne) startete eine Bundesratsinitiative, um die Gesetzesänderung wieder zurückzunehmen. Er scheiterte.
In Brandenburg will man von dieser Form der Verbrechensbekämpfung noch nie etwas gehört haben. Dabei, heißt es bei der Bundesnotarkammer, sei die Geldwäschegefahr bei Zwangsversteigerungen besonders groß. Prüft das Land, woher das Geld stammt, das der älteste Sohn von Clan-Chef Arafat Abou-Chaker investieren will, um den Landsitz zu erwerben, auf dem sein Vater mit seiner neuen Lebensgefährtin wohnt? Weder das Justiz-Ministerium noch das Finanzministerium können die Frage von t-online beantworten. Das Finanzministerium verweist aufs Amtsgericht.
Dessen Sprecher erklärt, man sei nicht zuständig. Der Sprecher des Justizministeriums findet die Frage "höchst interessant". Er telefoniert herum. Aber auch er findet niemanden, der eine Antwort hat. Er sagt, sofern der Abou-Chaker-Sohn die Bank-Bürgschaft in Höhe von zehn Prozent des Kaufpreises nicht bar bezahlt, sondern überwiesen habe, sei die Bank in der Pflicht, zu prüfen woher die sieben Millionen Euro kommen. So stehe es im Geldwäschegesetz, Paragraph zwei, Absatz 3.
Wo ist das Geld aus dem Pokerraub?
Brandenburg, ein Paradies für illegale Geldwäsche? Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert schon seit Jahren, dass es die Länder den Clans zu leicht machten, Geld aus der Organisierten Kriminalität in Immobilien und Grundstücke zu investieren. Sie fordert eine Obergrenze für Bargeldtransfers und eine Beweisumkehr in dem 2017 verabschiedeten Gesetz zur Vermögensabschöpfung. Wenn es nach ihr geht, sollen die Käufer beweisen, dass das Geld legal erworben wurde, nicht der Staat.
Derzeit ist es in Deutschland noch umgekehrt. Wie schwer den Strafverfolgungsbehörden die Arbeit dadurch gemacht wird, zeigt das Beispiel Berlin. Von den 77 Remmo-Immobilien, die das Land Berlin vorläufig beschlagnahmt hat, konnten erst zwei einkassiert werden. Im Fall des Abou-Chaker-Anwesens in Kleinmachnow, sagt Benjamin Jendro, Sprecher der GdP Berlin, sollten sich die Behörden in Brandenburg mal die kriminelle Vergangenheit einiger Clan-Mitglieder anschauen.
Die hätten zwar zahlreiche Einnahmequellen. Sie verdienten ihr Geld unter anderem mit Drogen und der Vermietung von Straßenstrichen. Doch Schlagzeilen machte Mohamed "Momo" Abou-Chaker 2010 als Kopf der berüchtigten Pokerraubbande am Potsdamer Platz. Von dem erbeuteten Geld, 241.930 Euro, fehle bis heute jede Spur. "Da braucht sich dann auch niemand zu wundern, wie ein 21-Jähriger an sieben Millionen Euro kommt", sagt Jendro.
- Eigene Recherchen
- Telefonate mit Pressestelle des Amtsgerichts Potsdam und Brandenburger Justiz- und Finanzministerium
- Telefonat mit Benjamin Jendo, GdP
- Telefonat mit der Geldwäsche-Abteilung des Senats Berlin