Gedenken an Terroranschlag in Hanau Kritik an Polizei: "Keine Aufarbeitung vom Versagen"

Im Februar 2020 ermordet ein Rechtsextremer in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund. In Aachen fand am Mittwoch eine Gedenkdemo statt – mit harscher Kritik am damaligen Polizeieinsatz.
Rund 400 Menschen haben am Mittwochabend (19. Februar) in Aachen der Opfer der rechtsextremen und rassistischen Morde von Hanau gedacht. Dort hatte am 19. Februar 2020 ein Mann neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordet, bevor er seine Mutter und sich selbst tötete.
Am Mittwoch jährte sich der Mordanschlag zum fünften Mal. Aus diesem Anlass organisierte ein breites Bündnis linker Gruppen das Gedenken und eine Demonstration. Man wollte aber nicht nur an die Opfer erinnern, sondern auch ein lautes und wütendes Zeichen gegen Rassismus und rechte Gewalt setzen. Bis heute kritisieren Angehörige und Betroffene im Umfeld der Tat zahlreiche unaufgeklärte Pannen bei dem Polizeieinsatz und einen Mangel an Aufklärungswillen.
Gedenken an Hanau in Aachen: Kritik an Aufarbeitung und Konsequenzen
Das Gedenken begann um 18 Uhr auf dem Vorplatz des Bahnhofs Rothe Erde. Dort wurden die Namen der Opfer verlesen und in einer Schweigeminute ihrer gedacht. Außerdem wurde eine Botschaft von Serpil Unvar, der Mutter des ermordeten Ferhat Unvar, abgespielt: "Wenn ihr heute schweigt, werdet ihr morgen in Angst leben", mahnte sie in der Rede. "Wenn ihr euch nicht wehrt, wird sich nichts ändern." Man dürfe nicht zulassen, dass der Hass die Menschen beherrsche. Serpil Unvar ist Mitbegründerin der "Bildungsinitiative Ferhat Unvar" und wurde 2021 mit dem Aachener Friedenspreis geehrt.
In den zahlreichen folgenden Redebeiträgen wurde kritisiert, dass es auch fünf Jahre nach dem rassistischen Anschlag an Aufarbeitung, Gerechtigkeit und Konsequenzen fehle. Zudem wurde eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse und eine konsequente Bekämpfung von Rassismus und rechter Gewalt gefordert. Redner sprachen in diesem Zusammenhang von "Scheiß Polizeiarbeit" in Hanau. Sie kritisierten auch, dass die Polizei am 18. Januar in Aachen einen Aufmarsch von Rechtsextremen und Neonazis "den Weg frei geprügelt" habe.
Gedenken an rassistischen Anschlag: Rhie kritisiert "Mauern des Schweigens"
Ye-One Rhie, Bundestagsabgeordnete der SPD, sprach als eine der wenigen Vertreterinnen einer Partei. "Hanau hätte eine Zäsur sein müssen, Hanau hätte ein Weckruf sein müssen, ein sehr schmerzhafter und sehr brutaler Weckruf." Hanau sei das aber alles nicht gewesen, da keine Konsequenzen erfolgt seien, sagte Rhie anlässlich des fünften Jahrestages der Morde.
Und so die Sozialdemokratin, deren Familie selbst einen Migrations- und Fluchthintergrund hat, weiter: "Es gibt immer noch keine Aufarbeitung von Fehlern, von Mängeln, vom Versagen, überall gibt es nur Mauern des Schweigens und der Nichtzuständigkeit." Mehr als 21 Millionen Menschen in Deutschland mit Migrationsgeschichte würden heute bei dem Wort Hanau denken, "es hätte auch mich treffen können, es hätte meine Familie erwischen können und bin ich überhaupt noch sicher?"
Gedenkdemo in Aachen: "Gegen den Rechtsruck in Deutschland aufstehen"
Nach der Rede bewegte sich die Demonstration über den Adalbertsteinweg zum Elisenbrunnen. Zum Gedenken an die Opfer wurden ein Transparent mit den Fotos der Ermordeten sowie mit Lichterketten beleuchtete Plakate mit ihren Porträts und Namen vorangetragen. Zu Zwischenfällen kam es nicht.
Baran Yenen, einer der Organisatoren und Mitglied des Aachener Integrationsrates, zeigte sich zufrieden. "Hunderte von Menschen zeigen, dass wir gegen den Rechtsruck in Deutschland aufstehen, dass wir dagegen kämpfen und dass der Rechtsruck nicht einfach so stärker werden kann, sondern dass wir uns stark dagegen wehren." Das Gedenken an die Ermordeten von Hanau sei dabei "unsere Verantwortung den Opfern gegenüber", sagte Yenen gegenüber t-online.
- Reporter vor Ort