Nach Unglück auf Santorini RWTH-Experte warnt: Warum schlimmere Erdbeben drohen
In der Region um Santorini werden derzeit besonders viele Erdbeben registriert. Ein Experte der RWTH Aachen warnt vor noch stärkeren Beben in der nahen Zukunft.
Seit einigen Tagen bebt die Erde rund um Santorini – und das ist kein Zufall. Professor Klaus Reicherter von der RWTH Aachen erklärt, dass in der Region gerade besonders viele Erdstöße registriert werden. "Es gibt zwischen den Inseln Santorini und Amorgos seit einigen Tagen einen Erdbebenschwarm, also viele Erdbeben unterschiedlicher Stärke. Momentan geht das bis zur Magnitude 5,3."
Warum passiert das ausgerechnet dort?
Santorini liegt auf einer besonders gefährlichen Zone. "Dort gibt es große Verwerfungen, also Brüche in der Erdkruste", sagt Reicherter. Das bedeute, dass sich tief unter der Erde gigantische Gesteinsplatten bewegen und aneinander reiben. Santorini gehöre zu einem "vulkanischen Inselbogen", einer Reihe von Inseln mit aktiven Vulkanen.
"Die afrikanische Platte sinkt dort unter die eurasische Platte ab", erklärt der Experte. Das sorge für extremen Druck in der Erde – und genau dieser Druck entlade sich immer wieder in Form von Erdbeben oder sogar Vulkanausbrüchen.
Besonders kritisch: Der Kolumbo-Vulkan, der nur wenige Kilometer nördlich von Santorini unter Wasser liegt. Dort brodelt es gewaltig: "Seine Kammer enthält gerade ungefähr einen Kubikkilometer Magma in einer Magmenkammer in zwei bis vier Kilometern Tiefe", so Reicherter. Das letzte große Beben und ein Vulkanausbruch dort waren 1649/1650. Der Vulkan ragte damals über die Wasseroberfläche. Ein der Eruption folgender Tsunami verursachte große Zerstörungen in der Ägäis.
Steht ein großer Vulkanausbruch bevor?
Laut Reicherter steht ein großer Vulkanausbruch nicht bevor – aber eine andere Gefahr droht: "Momentan gehen wir eher von einem großen Erdbeben als einem Vulkanausbruch aus. Dort gibt es einen tektonischen Graben, eine Dehnungsstruktur."
Das Problem: Die Erde bebt gerade immer wieder. Und das kann bedeuten, dass sich ein noch stärkeres Beben anbahnt. 1956 gab es in der Region ein Erdbeben mit einer Stärke von 7,7 – das ist tausendmal stärker als die aktuellen Erdstöße.
Reicherter macht das mit einem einfachen Vergleich deutlich: "Wenn ich eine rohe Spaghetti-Nudel zerbreche, entspricht das Magnitude 5. Die relative Energie, die ich benötige, um 32 Spaghetti zu zerbrechen, würde Magnitude 6 entsprechen und Magnitude 7 würde entsprechend rund 1000 Spaghetti bedeuten." Mit anderen Worten: Ein Beben dieser Stärke würde massivste Schäden anrichten und könnte auch einen Tsunami auslösen.
Warum verlassen die Menschen die Insel?
Viele Menschen fliehen, weil sie nicht wissen, ob das wirklich nur kleine Vorbeben sind oder ob bald ein größeres Erdbeben folgt. "Da wir nun eine ganze Reihe von Vorbeben erlebt haben, ist es sicherlich keine Überreaktion, Santorini zu verlassen", warnt der Experte.
Zusätzlich gibt es noch ein weiteres Risiko: Die Geologie der Insel ist problematisch. "An der Westseite mit der Steilküste besteht die Gefahr von Felsstürzen, an der flachen Westseite mit den Stränden die Gefahr von Tsunamis", erklärt Reicherter. Ob und wann ein richtig großes Beben kommt, kann niemand genau sagen.
- Pressemitteilung der RWTH Aachen vom 6. Februar 2025