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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlange stehen für Dubai-Schokolade "Es ist der Hype, der einen irgendwie mitreißt"
Lange Schlange vor dem Lindt-Shop in der Aachener City: Viele kamen, um eine Dubai-Schokolade von Lindt zu ergattern. Warum stehen 150 Menschen bis zu vier Stunden dafür an?
Um halb sechs haben sich Mona, Can und Alexander vor der Lindt-Filiale am Aachener Dom getroffen, um eine Tafel der auf hundert Stück limitierten Lindt-Dubai-Schokolade kaufen zu können. Die drei sind die Ersten in der Schlange, in der kurz vor Ladenöffnung um 10 Uhr fast 150 Leute stehen.
Mona und Can kommen aus Köln, Alexander kommt aus Aachen. Gekannt haben sich die drei vorher nicht. "Aber jetzt sind wir Freunde", sagt Mona. Auf Campingstühlen und in dicke Decken eingepackt haben sie viereinhalb Stunden tiefgehende Gespräche geführt, während es über Aachen langsam hell wurde.
Was schätzen die Fans an der 15-Euro-Schokolade?
Was Mona so sehr an der 100 Gramm schweren Schokoladen-Tafel für 14,99 Euro fasziniert, dass sie dafür mitten in der Nacht aufsteht, eine Stunde Zug fährt und vier Stunden bei Kälte und Nieselregen ausharrt, kann sie gar nicht richtig in Worte fassen. "Ich weiß nicht, es ist der Hype irgendwie, der einen so mitreißt."
Nur etwa 30 Plätze hinter Mona, Can und Alexander sitzt Noah auf einem Campingstuhl. Er hat sein iPad mitgebracht, um die Zeit, die er in der Schlange verbringt, sinnvoll zu nutzen und etwas zu arbeiten. Um ihn herum ist ein Streit ausgebrochen. Im vorderen Teil der Schlange haben sich einige Leute hineingemogelt. Maurice, der auf Platz 32 steht, sagt: "Das geht schon die ganze Zeit so. Ich kann auf vier Leute zeigen, die sich in die Schlange hineingemogelt haben."
Das Anstehen geht nicht nur friedlich vonstatten
Maurice und sein Freund Kim sind wütend darüber. Schließlich hätten sie sich um 8 Uhr ordentlich angestellt. Warum Leute mitten in der Nacht aufstehen oder sich vordrängeln und einen Streit in Kauf nehmen, nur um eine der 100 Tafeln zu ergattern, erklärt Maurice sich so: "Diese Schokolade gibt es sonst nirgends. Und wenn doch, dann ist sie immens teuer." Sie sei also etwas sehr Seltenes und sehr Exklusives, das jetzt auf einmal für viele "normale" Leute zugänglich sei.
Die Seltenheit und auch die Strapazen, die man in Kauf nehmen müsse, um sie zu erhalten, machten ihren Wert aus, meint auch Kim. Deswegen, so findet er, sei sie in diesem Jahr das "allerbeste Weihnachtsgeschenk". Denn wer so eine Schokolade bekomme, wisse, dass der Schenkende entweder viel Geld auf den Tisch gelegt haben muss oder wirklich viel Zeit investiert hat. Dass sie die Tafel gern weiterverschenken würden, sagen viele, die in der Schlange stehen. "Auf keinen Fall würde ich die weiterverkaufen", sagt ein Mann und grinst. Dass sie im Internet für mehr als 150 Euro gehandelt wird, weiß er.
Nur für "unnormal hohe Summe" abzugeben
Mona ist ehrlich: Eigentlich sei die Schokolade ein Geschenk für die Nichte, sagt sie. "Aber je nachdem, wie hoch die gehandelt wird, wäre es ja vollkommen idiotisch, sie nicht zu verkaufen. Schließlich sei eine Schokolade auch nichts, was für immer halte. Auch Maurice gibt zu: "Wenn ich jetzt eine Schokolade bekomme, und jemand, der in der Schlange ganz hinten steht, würde mir eine hohe Summe anbieten, dann würde ich sie wohl abgeben", sagt er. "Aber 100 Euro reichen nicht, es muss schon eine unnormal hohe Summe sein."
Ganz anders sieht das Detlef Oestreicher. Der Aachener ist Schokoladen-Connaisseur und fährt regelmäßig zum Lindt-Werksverkauf, um neue Kreationen zu testen. Heute muss er sich gemeinsam mit den Normalbürgern in die Schlange stellen. Die Kreation Vollmilchschokolade, Pistazien, Tahini und Engelshaar reizt ihn besonders. Den Geschmack werde er sich auf der Zunge zergehen lassen, statt "nur zu kauen und dann runterzuschlucken". Der Hype gefällt ihm nicht besonders. Lieber wäre der Schokoladen-Fan – wie immer – ins Werk gefahren, statt sich bei Nieselregen in eine lange Schlange zu stellen.
Das sagen die Lindt-Mitarbeiter zu dem Hype
Direkt neben dem Eingang der Filiale stehen einige Lindt-Mitarbeiter. "Eigentlich habe ich Urlaub", sagt einer von ihnen. Aber das Wahnsinns-Spektakel habe er sich nicht entgehen lassen wollen. Eine der Lindt-Mitarbeiterinnen sagt: "Ich selber würde niemals 15 Euro für Schokolade ausgeben." Deswegen habe sie die Dubai-Schokolade bisher auch selbst nicht probiert. Sie denke aber, dass der Hype auch bald vorbei sein werde. "Lindt springt immer als Letztes auf den Hype auf. Danach ist der meistens vorbei."
Um 10 Uhr öffnet der Laden. Can, Mona und Alexander und seine Mutter sind die ersten, die eine Tafel Dubai-Schokolade kaufen dürfen. Heute werden die Nummern 401 bis 500 verkauft. Die Nummer 401 geht an Can, die Nummer 404 an Mona. Mona strahlt bei der Übergabe, als hätte sie im Lotto gewonnen. Für sie hat sich das frühe Aufstehen gelohnt. Nicht nur wegen der Schokolade, sondern auch weil sie Can und Alexander kennengelernt hat.
Nur Efe Satici geht heute leer aus. Mehr als eine Stunde hat er beinahe an derselben Stelle gestanden. Er sei einfach zu spät gekommen. Früher zu kommen, so dachte er, sei in Aachen nicht nötig. Den Andrang in den anderen Städten habe er zwar mitbekommen, aber im verschlafenen Aachen, so dachte er, würde die Schlange bestimmt etwas übersichtlicher sein. "Aber da habe ich mich getäuscht", sagt er.
- Reporter vor Ort