Klimaforscher Hasselmann Deutscher Nobelpreis-Gewinner: "Fantastische Überraschung"
Der Nobelpreis für Physik geht zum zweiten Mal in Folge an einen Deutschen. Der Meteorologe Klaus Hasselmann teilt sich den Preis mit zwei weiteren Forschern für Arbeiten zum Erdklima und zu komplexen Systemen.
Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den deutschen Klimaforscher Klaus Hasselmann, Syukuro Manabe aus Japan und den Italiener Giorgio Parisi für physikalische Modelle zum Erdklima. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit.
Wie im Vorjahr sind die Nobelpreise mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie dotiert. Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann teilen sich eine Hälfte des Preises, die andere geht an Giorgio Parisi. "Drei Preisträger teilen sich den diesjährigen Nobelpreis für Physik für ihre Studien zu chaotischen und scheinbar zufälligen Phänomenen. Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann legten den Grundstein für unser Wissen zum Klima der Erde und wie die Menschheit es beeinflusst." Giorgio Parisi werde für seinen revolutionären Beitrag zur Theorie von ungeordneten Stoffen und zufälligen Prozessen ausgezeichnet.
Hasselmann völlig überrascht
Hasselmann zeigte sich nach seiner Auszeichnung mit dem Physik-Nobelpreis völlig überrascht. Er verstehe das noch nicht richtig, aber es sei eine fantastische Überraschung, den Nobelpreis zu bekommen, sagte der 89-Jährige am Dienstag der schwedischen Nachrichtenagentur TT, nachdem er unmittelbar zuvor von seiner Auszeichnung erfahren hatte.
"Ich habe das erst vor fünf Minuten gehört. Ich versuche weiterhin, das zu begreifen", wurde Hasselmann von der Agentur zitiert. Wie er den Nobelpreis feiern werde, wisse er noch nicht richtig. "Zuerst muss ich Luft holen und sehen, was passiert", sagte er TT.
Hasselmann wurde in Hamburg geboren
Klaus Hasselmann wurde im Oktober 1931 in Hamburg geboren und ist Klimaforscher, Meteorologe und Ozeanologe. Für seine Arbeiten erhielt Hasselmann bereits mehrere Auszeichnungen, etwa den Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt und eine Ehrenmedaille der spanischen Universität Alcalá. Er ist am Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie in Hamburg tätig. Hasselmann erarbeitete ein Modell, das verdeutlichte, dass Klimamodelle verlässlich sein können, obwohl sich das Wetter selbst chaotisch verhält, schreibt das Nobelkomitee. Er entwickelte zudem Methoden, die es ermöglichten, Spuren menschlicher Aktivitäten im Klima nachzuweisen.
Der in 1931 in Japan geborene Manabe forscht an der Princeton University in den USA. Er zeigte mit seinen Arbeiten, dass ein erhöhter Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre einen Anstieg der Temperatur an der Erdoberfläche zur Folge hat, so das Komitee. Seine Arbeiten seien grundlegend für die Entwicklung der gegenwärtigen Klimamodelle gewesen.
"Erwärmt sich die Erde? Ja."
Manabe und Hasselmann hätten im Geiste von Alfred Nobel zum größten Nutzen für die Menschheit beigetragen, indem sie eine solide physikalische Grundlage für unser Wissen über das Erdklima geschaffen haben, begründet das Nobelkomitee seine Entscheidung. "Wir können nicht mehr sagen, wir hätten es nicht gewusst – die Klimamodelle sind eindeutig. Erwärmt sich die Erde? Ja. Ist die Ursache dafür die erhöhte Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre? Ja. Kann dies allein durch natürliche Faktoren erklärt werden? Nein. Sind die Emissionen der Menschheit der Grund für den Temperaturanstieg? Ja."
Giorgio Parisi, einer der drei Nobelpreis-Gewinner, hält den Kampf gegen die Klimakrise wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz COP26 für äußerst dringend. "Es ist klar, dass wir für künftige Generationen jetzt sehr schnell handeln müssen", sagte der Italiener am Dienstag, als er anlässlich der Bekanntgabe der diesjährigen Preisträger mit Reportern telefonierte. Es sei sehr dringend, dass klare und sehr kraftvolle Entscheidungen getroffen würden.
Parisi ist froh über Auszeichnung
Thors Hans Hansson vom zuständigen Nobelkomitee sagte, diejenigen Entscheidungsträger in der Welt, die die Botschaft des Klimawandels immer noch nicht begriffen hätten, würden dies vermutlich auch in Zukunft nicht tun. Der Generalsekretär der Akademie, Göran Hansson, ergänzte, der Kampf gegen den Klimawandel basiere auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Weiter sagte Parisi, er sei "sehr froh" über die Auszeichnung. "Das habe ich nicht wirklich erwartet", sagte er. "Ich habe keinen Anruf erwartet." Wie er den Nobelpreis feiere, wisse er noch nicht.
Der Physiker wurde 1948 in Rom geboren. Er forscht an der dortigen Sapienza Universität zu komplexen Systemen. Er habe entdeckt, dass in ungeordneten komplexen Materialien versteckte Muster zu finden sind, heißt es beim Nobelkomitee. "Sie ermöglichen das Verständnis und die Beschreibung vieler verschiedener und scheinbar völlig zufälliger Materialien und Phänomene, nicht nur in der Physik, sondern auch in anderen, sehr verschiedenen Bereichen, wie Mathematik, Biologie, Neurowissenschaften und maschinelles Lernen."
Insgesamt 215 Preisträgerinnen und Preisträger
Im vergangenen Jahr hat der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel den Physik-Nobelpreis erhalten. Genzel und die US-Forscherin Andrea Ghez hatten 2020 die eine Hälfte des Preises erhalten, während die andere Hälfte an den Briten Roger Penrose gegangen war. Die drei waren damit für ihre Erforschung von Schwarzen Löchern geehrt worden.
Insgesamt haben bislang 215 Preisträgerinnen und Preisträger die Auszeichnung in der Kategorie Physik erhalten, der US-Forscher John Bardeen dabei gleich zweimal. Der erste von ihnen ist der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen gewesen, der den Preis 1901 für die Entdeckung der nach ihm benannten Röntgenstrahlen erhalten hatte.
Physik-Nobelpreis geht oft an mehrere Wissenschaftler
Häufig gehen der Preis in Physik und die weiteren wissenschaftlichen Auszeichnungen an zwei oder drei Wissenschaftler gleichzeitig, die entweder gemeinsam oder zum selben Fachgebiet geforscht haben. Schon gestern war David Julius (USA) und dem im Libanon geborenen Ardem Patapoutian der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin zugesprochen worden. Die beiden haben Zellrezeptoren entdeckt, über die Menschen Temperaturen und Berührungen wahrnehmen.
Verliehen werden die prestigeträchtigen Nobelmedaillen und Diplome traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). Wer dann gemeinsam mit den Ausgezeichneten in Medizin und in Physik geehrt wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen: Am Mittwoch werden die Preisträger in Chemie ebenfalls von der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften verkündet, am Donnerstag folgt in der Schwedischen Akademie die Bekanntgabe des Literaturnobelpreisträgers. Am Freitag ist dann in Oslo der Friedensnobelpreis an der Reihe, am nächsten Montag wiederum in Stockholm der Preis für Wirtschaftswissenschaften, der als einziger nicht auf Nobels Testament zurückgeht.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Eigene Recherche
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