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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Orthografin Immer noch ’ne Schippe drauf
Super, superer, am supersten – der Superlativ. Warum weniger, wenn auch mehr geht? Muss nicht sein, obwohl dick auftragen durch sinnloses Steigern von Adjektiven in der Umgangssprache heiß begehrt ist.
Neulich las ich irgendwo auf einem Schild: "Berlins echteste Currywurst". Vermutlich bildet man sich dort auch ein, nicht nur die "echteste", sondern die "meistverkaufteste" Wuarscht, ähm Wurst, anzubieten, die Currysoße ist vermutlich der "totalste" Wahnsinn und zusätzlich erhält man dort sicher auch noch "erstklassigsten" Service bei "minimalsten" Preisen. Was man auf den ersten Blick nicht erhält, ist "lupenreinstes" – pardon, lupenreines Deutsch.
Aus rein grammatischer Perspektive sind zwar von den meisten Adjektiven Steigerungs- beziehungsweise Vergleichsformen denkbar. Neben der Grundform, dem Positiv, gibt es die erste Steigerungsstufe, den Komparativ, und schließlich die höchste Stufe, den Superlativ:
1. Positiv: die Grundstufe – gleicher Grad (Beispiel: dumm)
2. Komparativ: Mehr- oder Höherstufe – ungleicher Grad (Beispiel: dümmer)
3. Superlativ: Meist- oder Höchststufe – höchster Grad (Beispiel: dümmste)
Warum ist weniger nicht genug?
Der Trend, Wörter wild bis zum Äußersten, zum Superlativ, zu steigern, die sich eigentlich gar nicht steigern lassen, begegnet uns ständig im Alltag – beispielsweise in der Werbung (falsch: der optimalste Elektrogrill; richtig: der optimale Elektrogrill), bei Sportberichterstattungen oder Wettervorhersagen (falsch: der extremste Sportwagen XY; extremste Wetterbedingungen; richtig: der extreme Sportwagen XY, extreme Wetterbedingungen), in der Politik (falsch: Vorsicht, der Klassiker – die einzigste Kandidatin; richtig: die einzige Kandidatin).
Man hat häufig das Gefühl, es fehlt etwas, wenn man nicht bis zum Superlativ steigert, da es teilweise bei vielen Adjektiven zur Gewohnheit geworden ist.
Achtung: steigern absolut sinnlos! – Absolutadjektive
Das Wort Absolutadjektiv beschreibt eigentlich schon, worum es geht: diese Adjektive stehen für Eigenschaften, die bereits absolut und somit unveränderlich sind. Sie können darüber hinaus auch bereits einen höchsten oder geringsten Grad bezeichnen. Dennoch neigen viele dazu, gerade diese Adjektive zu steigern.
Wenn ich tot bin, dann bin ich schlicht tot. Ich kann nicht noch töter werden und bin auch nicht am allertötesten von allen Toten – medizinisch wie aus grammatischer Sicht ist das Unsinn. Oft denkt man sich, wenn man etwas Tolles sieht: mein Gott, perfekter geht es nicht? Doch, es geht, zumindest grammatikalisch. Allerdings: Was perfekt ist, kann eigentlich nicht noch mehr gesteigert werden.
Viele Steigerungen ergeben häufig eben keinen Sinn, wie an dem Beispiel oben deutlich wird. Sie veranschaulichen bereits den höchsten oder niedrigsten Grad in ihrer Grundstufe beziehungsweise drücken die Grenze nach oben oder unten aus. Der Zustand schwanger wäre ein gutes Beispiel dafür, denn mehr schwanger als schwanger kann niemand sein.
Einige Beispiele für Absolutadjektive:
einzig • endgültig • leblos • mündlich • schriftlich • rund • blind • taub • stumm •
richtig • schwanger • fertig • lebendig • leer • voll • vollendet • lauwarm
Auch hier gibt es Ausnahmen
In übertragender Bedeutung sind einige dieser absoluten Adjektive dennoch steigerbar:
Das Konzert ist leerer als im letzten Jahr. Die Darbietung könnte durchaus lebendiger sein.
Zusammengesetzte Adjektive – nicht alles steigern bitte
Auch bei zusammengesetzten Adjektiven neigt man gelegentlich dazu, einfach beide Bestandteile bis zum Anschlag zu steigern. In den meisten Fällen kann hier aber nur entweder das erste oder das zweite Glied gesteigert werden – falsch ist es hingegen, beide Teile zu steigern.
Entweder den ersten oder zweiten Bestandteil steigern:
schwerwiegender, schwerer wiegend
weittragender, weiter tragend
weitreichender, weiter reichend
weitgehendste, weitestgehende
Falsch ist es, wenn beide Bestandteile gesteigert werden:
meistgekaufteste
bestbewertetste
nächstliegendste
weitestgehendste
größtmöglichste
Vielleicht steigern Sie in Zukunft einfach einmal zu wenig als zu viel. Denn weniger dick auftragen ist auch in Texten häufig mehr.
Ich hoffe, Sie haben eine optimalste freie Zeit, bekamen erstklassigste Geschenke, genossen vollendetste Weihnachtsleckereien und haben den bestmöglichsten Rutsch ins neue Jahr! (das klingt ja völligst falsch, der reinste Unsinn?).
Ihre jahresendurlaubsreifeste Orthografin!*
*Auflösung: optimale Zeit, erstklassige Geschenke, vollendete Weihnachtsleckereien, bestmöglichen Rutsch, völlig falsch, der reine Unsinn, jahresendurlaubsreife
- Duden: Erste Hilfe – Die 100 häufigsten Fehler: Rechtschreibung, Grammatik & Co. (2018)
- Duden – Die Grammatik Bd. 4, 2016
- Duden Bd. 1, 27. Auflage
- Duden Bd. 9, 8. Auflage