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Sprachwandel: Das hätte man früher so nicht sagen können


"Von der Sprache her"
Das hätte man früher so nicht sagen können

t-online, Judith Stark

Aktualisiert am 07.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Die deutsche Sprache verändert sich: Viele Ausdrücke, die heute gang und gäbe sind, hätte man so früher nicht gesagt.Vergrößern des Bildes
Die deutsche Sprache verändert sich: Viele Ausdrücke, die heute gang und gäbe sind, hätte man so früher nicht gesagt. (Quelle: Rawpixel/getty-images-bilder)
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Der Sprachwandel bewirkt, dass wir immer mehr Möglichkeiten haben, Dinge auszudrücken. Doch welche Sprachphänomene sind neu? Was hätte man früher noch nicht sagen können?

Das Deutsche befindet sich in einem stetigen Wandel. Kritiker sprechen gar von einer "Verhunzung des Deutschen" oder vom "Sprachzerfall". Englische Begriffe und eine krude Grammatik werden besonders bemängelt. Doch welche Phänomene sind damit überhaupt gemeint? Wie kommunizieren wir in den sozialen Medien und wie im alltäglichen Gespräch?

Antworten gibt der "Zweite Bericht zur Lage der deutschen Sprache", den Forscher der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im September 2017 veröffentlicht haben. Darin haben die Sprachforscher Veränderungen in der deutschen Sprache aus dem Alltag und in der Schriftsprache dokumentiert.

Fazit: Der Bericht zeigt, dass sich die Deutschen heute komplexer ausdrücken. Wir haben uns sieben sprachliche Phänomene aus dem 330-seitigen Bericht herausgepickt und erfahren, wie diese entstanden sind und warum wir diese im Alltag meist ungefragt übernehmen:

"Von der Farbe her gefällt mir die Hose"

Die "von-her"-Konstruktion war ursprünglich für reine Ortsbestimmungen gedacht, wie in "vom Walde komm ich her". Erst in den 1980er-Jahren weitete sich die Bedeutung aus, die man am ehesten mit "hinsichtlich" vergleichen kann. Im Mündlichen wird teilweise sogar das "her" weggelassen: "Das Brot ist vom Geschmack noch frisch."

Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, stolpert vermutlich über noch ganz andere Formulierungen, wie zum Beispiel "Nicer tag vong Sonne her!". Nicht nur, dass hier englische und deutsche Wörter kombiniert werden und sich die Groß- und Kleinschreibung jenseits der Duden-Regeln befindet – es ist vor allem das kleine Wörtchen "vong", das für einen neuen Sprach-Hype steht. Dabei wird "vong" eingesetzt, um eine Anti-Rechtschreibung im Internet bewusst auf die Spitze zu treiben. Man kann das lustig finden oder nicht: Bei Twitter, Facebook und Co. finden sich dennoch zahlreiche Beispiele.

Info
Als "Vong" wird ein Sprachstil bezeichnet, der seit Mitte der 2010er-Jahre verbreitet wird. Bei diesem Trend wird versucht, die deutsche Sprache durch falsche Rechtschreibung besonders kunstvoll zu verhunzen. Er nimmt dadurch ironisch Bezug auf die schlechten Deutschkenntnisse vieler Jugendlicher und Erwachsener. Bekannte Beispiele sind der Satz "Was ist das für 1 life?" und Sätze mit der "vong-her"-Konstruktion.

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"Ich kann leider nicht, weil meine Tochter ist krank"

In diesem Satz findet sich ein eher junges Phänomen des Sprachwandels. Vor zehn Jahren hat man die Verabredung abgesagt "weil meine Tochter krank ist". Heute sagt man ab "weil meine Tochter ist krank". Klingt in vielen Ohren vielleicht noch ungewöhnlich, kommt aber häufig vor. Hören Sie mal genau hin.

Dieses Phänomen ist laut Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg keineswegs eine Übernahme der englischen Konstruktion ("I can't come, because my daughter is sick") oder eine Folge vom sogenannten "Migrantendeutsch". Den Nebensatz wie einen einfachen Hauptsatz zu gestalten, geht auf eine alte Satzstruktur des Deutschen zurück. Für den Sprecher ist es zudem sprachökonomischer – er muss sich weniger anstrengen.

Info
"Migrantendeutsch" umschreibt als Sammelbegriff sprachliche Varianten, die sich als Mischformen der deutschen und der Muttersprache zugereister Migrationsgruppen bedienen. Dies kann sowohl grammatische Aspekte, als auch den Wortschatz betreffen. Bekannte Beispiele sind Formulierungen wie "Guck ich Fernsehen".

"Wir brauchen nicht einkaufen gehen"

"Du brauchst nicht kochen" oder "Ich brauch das nicht lernen": Was haben diese Sätze mit Sprachwandel zu tun? "Brauchen" war ursprünglich gar nicht in einer solchen Konstruktion einsetzbar.

"Normale", sogenannte Vollverben, wie malen oder singen, bilden den Infinitiv immer mit "zu". Brauchen ist ursprünglich ein Vollverb – wandelte sich aber zu einem Modalverb. Dazu gehören beispielsweise auch die Wörter müssen, dürfen oder wollen. Das "zu" wird bei diesen Verben nicht mehr gebraucht.

"Ich habe mich wegen dem kalten Wetter erkältet"

Spätestens nach Bastian Sicks Bestseller "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" ist vielen der Genitiv-Schwund im Deutschen bekannt. "Wegen dem Wetter ist der Besuch von meinem Opa ausgefallen" wird eher gesagt als: "Wegen des schlechten Wetters ist der Besuch meines Opas ausgefallen."

Von Kritikern wird allerdings oft nicht dazugesagt, dass der Genitiv sich nicht das erste Mal in der Sprachgeschichte verändert. Im 19. Jahrhundert trank man gerne ein "Glas gutes Weins", heute eher ein "Glas guten Weins" oder "ein Glas vom guten Wein". Der Schwund des Genitivs ist also nichts Neues, er entwickelt sich nur weiter.

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"Komm, lasst uns ein Selfie machen"

Englische Begriffe, die Anglizismen, sind Sprachpflegern schon lange ein Dorn im Auge. Der Begriff wird von vielen allerdings inflationär verwendet – und ist inzwischen zu negativ besetzt. Anglizismen ergänzen unsere deutschen Begriffe oder vereinfachen sie: Ein "Event" ist etwas anderes als eine "Veranstaltung". "Selfies" machen ist einfacher und schneller gesagt als "ein Foto von sich selbst schießen".

Zum Schluss noch ein Phänomen, das im Geschriebenen auftaucht und auf einer Verwechslung beruht: das sogenannte "Vorfeldkomma". Es wird fälschlicherweise gesetzt, wenn die Art und Weise, der Ort, der Zeitpunkt oder der Grund einer Handlung am Anfang eines Satzes festgelegt werden. Diese Bestimmungen werden dabei mit einem Nebensatz verwechselt. Ein solcher Irrtum kann langfristig allerdings dazu führen, dass sich die Sprache wandelt. Wer weiß – in hundert Jahren (,) nimmt der Duden das Vorfeldkomma vielleicht sogar auf.

Die deutsche Sprache wird immer vielfältiger

Die Forscher der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sehen den Sprachwandel entgegen der Meinung vieler Kritiker als eine Bereicherung für die deutsche Sprache. Ihr Wortschatz ist in den letzten hundert Jahren um 1,6 Millionen Wörter gewachsen. Veraltete Grammatik- und Sprachregeln werden mit neuen spielerisch kombiniert. Wir haben mehr Möglichkeiten denn je uns auszudrücken. Auch wenn man sich an einige Veränderungen erst einmal gewöhnen muss.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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