Gefahr aus der Tiefe Supervulkane - was wirklich dahintersteckt
Eine gigantische Magmablase explodiert, die Erde bricht auf, eine riesige Säule aus Lava und Asche steigt in den Himmel - als der Supervulkan Toba auf Sumatra in Indonesien vor rund 75.000 Jahren ausbricht, hinterlässt er Chaos und Verwüstung. Das ist lange her, doch die Gefahr ist nicht gebannt. Supervulkane gibt es auch heute noch, verstreut über die ganze Erde.
Aber wie gefährlich sind sie wirklich? Und wann steht ein Ausbruch bevor? t-online.de sprach mit dem Vulkanexperten Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum Potsdam.
t.online.de: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Supervulkan ausbricht, soll höher sein, als die für einen Asteroideneinschlag auf der Erde. Es gibt konkrete Pläne, um Asteroiden unschädlich zu machen. Bei Supervulkanen heißt es hingegen, ein Ausbruch in nächster Zeit sei unwahrscheinlich. Wie ist das zu erklären?
Torsten Dahm: Also erstens muss man klarstellen, dass beides sehr geringe Wahrscheinlichkeiten sind. Große Vulkanausbrüche - oder sogenannte Supervulkan-Ausbrüche – kann man aufgrund von geologischen Daten rekonstruieren. Im Mittel ist etwa alle 50.000 Jahre einer vorgekommen. Aber das sind insgesamt kleine Statistiken und da ist es wirklich schwierig eine Wahrscheinlichkeit anzugeben. So ähnlich ist es bei den Asteroiden.
Liegt es vielleicht auch daran, dass es eigentlich unmöglich ist, einen Supervulkan aufzuhalten?
Es ist sicher richtig, dass es keine Technik gibt und auch nicht ernsthaft überlegt wird, wie man einen Vulkanausbruch beeinflussen könnte. Das sind riesengroße Kräfte, die man nicht kontrollieren kann. Einen Vulkan kann man beobachten und man kann darauf reagieren, wenn man weiß, dass er in Unruhe ist. Aber den Ausbruch beeinflussen, das geht nicht.
Was ist ein Supervulkan eigentlich? Wodurch unterscheidet er sich von anderen Vulkanen?
"Supervulkan" ist ein Begriff, der vor allem in der Öffentlichkeit verwendet wird, weil er griffig und eingängig ist. Letztlich ist das ein Vulkan, der große Eruptionen mit sehr großen Eruptionsvolumen - über 1000 Kubikkilometer - ermöglicht. Zu so einem Großausbruch gehört dann auch immer, dass es einen Einsturzkrater gibt, eine sogenannte Caldera. Diese Calderen können sehr groß sein. Eine bekannte ist Yellowstone mit einem Ausmaß von 80 auf 50 Kilometern.
Was passiert, wenn so ein Vulkan ausbricht? Die Toba-Eruption vor rund 75.000 Jahren ist ja sehr gut erforscht…
Vor 75.000 Jahren war vermutlich der letzte große Supervulkanausbruch. Man kann das aufgrund der Ablagerungen rekonstruieren, aber es ist schwierig, das ganz genau zu beschreiben. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich so, dass das nicht in einem einzigen, sehr kurzen Ausbruch abläuft, sondern dass es eine aktive Phase gibt, die längere Zeit andauern und auch Pausen aufweisen kann. Wie das genau abläuft, hängt aber von dem jeweiligen Vulkankomplex ab – kein Vulkan ist wie der andere. Die Supervulkanausbrüche müssen aber schon ganz starke explosive Phasen gehabt haben. So fand der Yellowstone-Ausbruch auch in mindestens drei Phasen statt.
Was sind denn die Folgen von solch einem Ausbruch?
Wenn vulkanisches Material in die Atmosphäre geschleudert wird, kann das unser Wetter und Klima kurzzeitig beeinflussen. Zum Beispiel können die Temperaturen sinken und die Sonneneinstrahlung beeinträchtigt werden. Das kann bei einem Supervulkan-Ausbruch auch größere Bereiche betreffen, so dass unter Umständen sehr ernsthafte Auswirkungen zu befürchten sind – ähnlich wie bei einem Meteoriteneinschlag.
Was würde so ein Ausbruch für die Menschheit heute bedeuten?
Ein Einfluss auf die Vegetation und ein Artensterben wird diskutiert, damit kann man zumindest rechnen. Der Tambora-Ausbruch 1815 in Indonesien beispielsweise veränderte auch das Klima auf der Nordhalbkugel für einige Jahre, obwohl er im Vergleich zu einem Supervulkan-Ausbruch relativ klein war. Das zeigt schon, wie groß die Auswirkungen sein könnten.
Welcher Supervulkan liegt uns denn am nächsten? Gibt es vielleicht in Deutschland einen?
In Deutschland gibt es zwar in der Eifel ein sehr junges Vulkangebiet, das auch sehr starke Ausbrüche hatte - aber nicht in der Kategorie, von der wir hier sprechen. Ansonsten gibt es eine große Caldera auf den Phlegräischen Feldern bei Neapel. Hier ist aber umstritten, ob es sich um einen Supervulkan handelt.
Der Ausbruch des Vulkans unter dem Yellowstone-Nationalpark ist überfällig, heißt es immer wieder. Alle 600.000 Jahre sei es so weit. Wie ist da der aktuelle Stand?
Yellowstone wird intensiv überwacht, wie auch andere Vulkane weltweit. Die Überwachung zeigt, dass es dort auf jeden Fall Aktivität gibt, zum Beispiel in Form von Erdbeben oder Hebungen und Senkungen des Bodens. Das findet man aber nicht nur dort, sondern auch auf den Phlegräischen Feldern und der Lazufre-Region in Südamerika. Das heißt aber nicht, dass ein Ausbruch unmittelbar bevor steht. Erst wenn sich die Aktivität dramatisch verstärken würde, wäre das ein Alarmsignal. Einen Supervulkan-Ausbruch müsste das aber nicht unbedingt bedeuten. In Yellowstone zum Beispiel könnte es auch sein, dass es nur einen kleinen Ausbruch geben würde.
Kündigt sich eine Eruption also vorher an?
Ganz genau kann man – ähnlich wie bei Erdbeben – eine Eruption nicht vorhersagen. Bei Vulkanen ist es aber schon so, dass Wochen oder Monate vor einem Ausbruch eine Unruhe festzustellen ist, Alarmsignale in Form von kleinen Erdbeben beispielsweise. Das sind Hinweise darauf, dass sich Magmen in höhere Regionen bewegen und das Potenzial groß wird, dass es einen Ausbruch gibt. Es kann aber auch passieren, dass es nicht zum Ausbruch kommt, obwohl es diese Erscheinungen gibt.
Welches sind denn die drei gefährlichsten Supervulkane? Bei welchen ist ein Ausbruch - in welchem Zeitraum auch immer - am wahrscheinlichsten?
Das kann ich seriös nicht beantworten. Meistens wird zwar auf Yellowstone hingewiesen, weil der die höchste Aktivität zeigt und am besten überwacht wird. Es kann aber auch sein, dass sich in einigen Jahren bei einem anderen Supervulkan die Aktivität verstärkt.
Yellowstone ist also doch der "heißeste"?
Wenn es um die großen Caldera-Vulkane geht, ist Yellowstone schon der, bei dem man Aktivität klar nachweisen kann. Generell gilt, dass es für den Ausbruch eines Supervulkans ein großes Magmareservoir geben muss. Das muss sich erstmal bilden, was nicht innerhalb von kurzer Zeit geht. Es gibt also schon die Chance, über geophysikalische Methoden zu erkennen, ob es ein solch großes Reservoir unter einem Supervulkan gibt. Dadurch lässt sich das Potenzial für einen Großausbruch besser einschätzen.
Gibt es einen Vulkan, der so eine Magma-Ansammlung schon hat?
Das wird aktuell erforscht. Es ist aber leider nicht ganz so einfach Reservoire eindeutig auszumessen. Man weiß nur, dass es unter Yellowstone auf jeden Fall ein Reservoir geben muss, aber auch unter den Phlegräischen Feldern bei Neapel gibt es Hinweise auf ein Magmareservoir. Nicht bekannt ist, wie groß sie wirklich sind. Außerdem ist es auch möglich, dass es zwar ein großes Reservoir gibt, es aber nie zu einem großen Ausbruch kommt. Es könnte auch sein, dass es einfach erstarrt.
Kann man also mit großer Sicherheit sagen, dass wir uns vor den Supervulkanen auf der Erde nicht fürchten müssen, oder ist ein Ausbruch einfach nicht absehbar, aber jeder Zeit möglich?
Ein Ausbruch ist nicht absehbar und die Wahrscheinlichkeit dafür ist auch sehr klein. Es ist aber natürlich möglich, dass Vulkansysteme Aktivität zeigen und auch ausbrechen. Es hat in der Vergangenheit große Ausbrüche gegeben und es wird auch in der Zukunft irgendwann wieder welche geben.
Sind wir in den nächsten 1000 Jahren also vor Super-Ausbrüchen sicher?
Das kann ich nicht sagen. Die kritische Frage ist, wie schnell kann sich so ein System weiterentwickeln, und kennen wir überhaupt alle Systeme, die potenziell gefährlich werden können? Sicher ist, dass sich sowas nicht in wenigen Tagen oder Wochen aufschaukelt. Wenn ein System wie Yellowstone sich stark verändern würde, dann bekämen wir das mit. Und dann könnte man auch einschätzen, was für eine Gefahr das bedeutet.
Professor Torsten Dahm leitet das Institut für Erdbeben- und Vulkanphysik am Geoforschungszentrum Potsdam.
Das Interview führte Ulrich Spath