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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geheimnisse Ägyptens Dieser Mann erfand die spektakulären Pyramiden
Lange waren ägyptische Grabbauten recht unspektakulär. Bis zwei Baumeister begannen, mit den Pyramiden die Weltwunder zu errichten, die uns bis heute staunen lassen. Wer waren diese Visionäre?
Es wurde zum Sommerhit des Jahres 1999, als der ägyptische Priester Imhotep im Kinoerfolg "Die Mumie" den Kinobesuchern das Blut in den Adern gefrieren ließ. Was kaum jemand von ihnen ahnte: Tatsächlich war der echte Imhotep eine der faszinierendsten Personen des alten Ägyptens. Allerdings betrieb er weder schwarze Magie noch ermordete er – wie sein Namensvetter im Film – seinen König. Imhotep, der um 2.700 vor Christus dem Pharao Djoser diente, gilt als Erfinder der Hieroglyphen, des Kalenders und der Medizin.
Auch die Entnahme der Organe bei der Mumifizierung und ihre Aufbewahrung in Kanopenkrügen soll er erstmals praktiziert haben. In Memphis und Karnak verehrte man ihn gar als Heilgott. Die meisten dieser Ehrungen haben zwar keinerlei historische Grundlage. Doch für eine Meisterleistung gebührt ihm tatsächlich Ruhm und Ehre: Imhotep erfand die Pyramiden.
Imhotep baute für die Ewigkeit
Die Grabbauten der Pharaonen vor Djoser waren eine ziemlich langweilige Angelegenheit. In der Regel handelte es sich um kastenartige Blöcke aus Lehmziegeln, sogenannte Mastabas. Die eigentliche Grabkammer lag dabei unter der Erde, die Mastaba wurde als monumentales Bauwerk einfach darüber gesetzt. Eine Scheinfassade aus Nischen sollte den Eindruck vermitteln, es handele sich dabei nicht um einen einfachen Klotz, sondern um einen Palast oder eine Festung.
So sieht auf ersten Blick auch die Mastaba 3808 in Sakkara aus. Der etwa 20 Kilometer südlich von Kairo gelegene Friedhof diente von der 1. bis zur letzten, der 31., Dynastie vielen Pharaonen als letzte Ruhestätte. Mastaba 3808 entstand schon zur Regierungszeit von Anejib (ca. 2910 - 2890 vor Christus) und ist damit eines der frühesten Monumente. Doch im Inneren birgt das Grabmal ein Geheimnis. Aus unerfindlichen Gründen stapelten die Erbauer zunächst mehrere nach oben kleiner werdende Blöcke aufeinander, eine sogenannte Stufenpyramide, bevor sie den Bau mit einer Mastaba aus Lehmziegeln verblendeten und ihm so von außen die gewohnte Kastenform gaben.
Ob Imhotep, der erst rund 200 Jahre später zur Zeit der 3. Dynastie als oberster Bauleiter des Pharao Djoser lebte, das Innere von Mastaba 3808 kannte, weiß niemand. Als sein Herrscher ihm den Auftrag gab, ein Grabmal zu erbauen, begann er jedenfalls zunächst mit einer klassischen Mastaba. Oder zumindest fast, denn der Bau hatte erstmals keinen rechteckigen, sondern einen quadratischen Grundriss.
Kalk statt Lehm
Mit einer Kantenlänge von 63 mal 63 Metern und einer Höhe von 8 Metern setzte Imhotep einen ansehnlichen Brocken in die Nekropole von Sakkara. Doch zufrieden war er mit dem Bauwerk offenbar nicht, denn schon bald baute er eine etwas niedrigere Stufe um den Block herum und erweiterte den Grundriss so auf 71,5 mal 71,5 Meter.
Auch das aber gefiel dem Baumeister noch nicht. In einer weiteren Bauphase wandelte er die Mastaba in eine vierstufige Pyramide um und neigte die Mauerlagen um 17° nach innen. Lange sollte dieser Plan allerdings nicht halten. Erst nach drei weiteren Umbauten und einer leichten Verschiebung vom Quadrat zurück zum Rechteck war es so weit – Imhotep hatte ein Bauwerk geschaffen, das seines Pharaos würdig war.
In der Nekropole von Sakkara thronte nun die erste Pyramide Ägyptens, 121 mal 109 Meter als Basis – eine der wenigen mit nicht-quadratischer Grundfläche – und mit sechs Stufen beeindruckende 62,50 Meter hoch. Und noch etwas war ein Novum. Die Pyramide des Djoser bestand nicht etwa aus gewöhnlichen Lehmziegeln, sondern aus Kalkstein.
Zwei weitere Pyramiden sollten noch in der 3. Dynastie gebaut werden, eine für den Pharao Sechemchet (ca. 2700 bis 2695 vor Christus) und eine weitere für den Pharao Chaba (um 2670 vor Christus). Bei ersterer, die nur wenige Hundert Meter südwestlich der Pyramide des Djoser in Sakkara steht, hatte Imhotep vermutlich ebenfalls seine Finger im Spiel.
Sarg aus Alabaster
Allerdings plante er hier von Beginn an größer, 120 mal 120 Meter maß bereits der erste Grundriss. In sechs oder sieben Stufen hätte sie sich so mit bis zu 70 Metern Höhe in den Himmel Ägyptens erheben können – wenn sie jemals fertig geworden wäre. Doch Sechemchet starb noch vor der Vollendung. So wäre sein Grabmal fast übersehen worden, denn lediglich acht Meter ragt der Stumpf noch aus dem Boden. Erst 1952 fand sie der Ägyptologe Zakaria Goneim.
Bei der Öffnung entdeckte er in der Mitte der ansonsten völlig leeren Grabkammer einen Sarg aus kostbarem Alabaster, versiegelt mit Mörtel. Doch als die Arbeiter das Siegel brachen, war die Enttäuschung groß – er war ebenfalls leer. Auch die Pyramide des Chaba wurde nie fertiggestellt. Da sie in dem militärischen Sperrgebiet Saujet el-Arjan rund acht Kilometer südwestlich von Gizeh liegt, ist sie weitgehend unerforscht. Früheren Beschreibungen zufolge soll sie ihren beiden Vorgängerinnen allerdings sehr ähnlich sein.
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Djoser und Imhotep haben so die ägyptische Pyramide erfunden – perfektioniert wurde sie jedoch von Pharao Snofru (ca. 2670 bis 2620 vor Christus) sowie seinem Sohn und Vorsteher aller königlichen Bauarbeiten Nefermaat. Bereits kurz nach der Thronbesteigung begann die Planung zu Snofrus Pyramide in der Nekropole von Meidum. Anders als bei den Vorgängerbauten lag hier die Grabkammer zum ersten Mal nicht mehr unter der Erde, sondern im Inneren der Pyramide. Kaum aber war die Stufenpyramide fertig, verlegte der Pharao seinen Regierungssitz nach Dahschur – und befahl seinem Sohn, dort mit dem Bau einer neuen Pyramide zu beginnen.
Knick in der Pyramide
Ganz anders sollte sie diesmal sein: Nefermaat plante das Bauwerk erstmals als echte Pyramide mit glatten Seiten. Mit einer Basislänge von 157 Metern übertraf sie zudem alles, was die ägyptische Architektur bislang hervorgebracht hatte. Doch die Pläne waren zu ambitioniert. Der weiche Untergrund aus Tonschiefer gab unter dem massiven Gewicht nach, immer wieder bildeten sich Risse, und die inneren Kammern drohten einzustürzen.
Nefermaat versuchte, den Bau zu retten, indem er zunächst den Neigungswinkel von 58 Grad auf 54 Grad verringerte und die Seitenlänge auf 188 Meter verlängerte. Doch die Probleme waren zu massiv. Also entschloss sich der Baumeister zu einem radikalen Schritt. Noch einmal reduzierte er den Neigungswinkel – diesmal allerdings, ohne die Basislänge anzupassen. Der so entstandene "Knick" gab dem Bauwerk seinen Namen, heute ist es als Knickpyramide von Dahschur bekannt.
Für Nefermaat mag es ein Rückschlag gewesen sein. Für Archäologen aber ist seine Knickpyramide hochinteressant, weil die Planänderungen, die Reparaturen und die Ausbesserungsarbeiten viel über die Bautechnik verraten. Und noch jemand profitierte von seinem Scheitern: die nachfolgenden Generationen von Baumeistern. Fehler, die Nefermaat in der ersten Planung begangen hatte, machte kein ägyptischer Baumeister noch einmal.
Weltwunder der Antike
Auch Nefermaat selbst hatte gelernt. Noch bevor die Knickpyramide fertiggestellt war, begann er rund zwei Kilometer weiter südlich mit einem neuen Grabmal für seinen Vater, der sogenannten Roten Pyramide. Und diesmal hatte er Erfolg. Die Rote Pyramide ist heute die drittgrößte Pyramide Ägyptens. Ihr Neigungswinkel allerdings blieb sehr vorsichtig. Erst die Pyramidenbauer von Gizeh sollten sich wieder trauen, Monumente mit steileren Seiten zu errichten. Noch während die Bauarbeiten andauerten, kehrte Nefermaat noch einmal nach Meidum zurück und füllte die Stufen seiner ersten Pyramide aus, sodass nun auch sie glatte Seiten hatte.
Imhotep hat den Pyramidenbau erfunden, Nefermaat ihn perfektioniert. Auf den Schultern dieser beiden errichteten die späteren Baumeister die Pyramiden von Gizeh, die zu den sieben Weltwundern der Antike zählen. Die größte von ihnen ist die Pyramide des Pharao Cheops – Sohn des Snofru und damit ein Halbbruder Nefermaats. Die Planung seiner großen Pyramide übertrug der Pharao seinem Neffen Hemiunu, dem Sohn Nefermaats.
Der große Baumeister selber ließ sich allerdings nicht in einer Pyramide bestatten, sondern in einer altmodischen Mastaba. Besonderes Augenmerk richtete er dabei auf die Innenausstattung. Statt die Inschriften und Wandmalereien einfach nur auf die Wände zu malen, ließ er sie zunächst ausmeißeln und dann mit Farbe füllen. "Er machte seine Mastaba in dieser unverwüstlichen Schrift", prahlte Nefermaat in seinem eigenen Grabbau. Und auch Imhotep geriet nicht in Vergessenheit. 1960 benannten niederländische Forscher einen neu entdeckten Asteroiden des Hauptgürtels nach dem ägyptischen Architekten, 16 Jahre später erhielt auch noch ein Krater auf dem Planeten Merkur seinen Namen.
- Eigene Recherche
- Miroslav Verner: Die Pyramiden, Reinbek bei Hamburg 1999
- Zahi Hawass, Die Pyramiden, Wiesbaden 2011