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Tag der Deutschen Einheit: "Die DDR habe ich in guter Erinnerung"


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Lesergeschichten aus dem Osten
"Die DDR habe ich bis heute in guter Erinnerung"


Aktualisiert am 03.10.2020Lesedauer: 5 Min.
Straßenszene in LeipzigVergrößern des Bildes
Straßenszene in Leipzig: Die t-online.de-Leser berichten von Ihrem Leben in der DDR. (Quelle: Marco Bertram/imago-images-bilder)

Manche denken an eine glückliche Kindheit zurück, andere mussten

40 Jahre lang hat ein Teil der Deutschen im Sozialismus gelebt: Bei der Wiedervereinigung 1990 waren es knapp 16 Millionen. Wir wollten von den t-online-Lesern wissen: Wie haben Sie Ihren Alltag in der DDR erlebt?

Die Spannbreite der Antworten ist groß. Einige Erinnerungen sind geprägt von der Rückbesinnung auf glückliche Kindheitsmomente. Andere Leser hingegen haben Schreckliches erlebt: Sie mussten die staatlichen Repressionen am eigenen Leib erfahren. Einige haben gar grausame Zeiten in Haft durchlitten.

Geschichten der Kindheit

Matthias aus Marienberg:
"Es hat uns an nichts gefehlt"

"Ich bin Jahrgang 1980. Die DDR habe ich bis heute in guter Erinnerung. Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit. Wir hatten ein geborgenes Zuhause, es hat uns an nichts gefehlt. Ich bin sehr gern zur Schule gegangen und habe am Pionierleben teilgenommen. Den gesellschaftlichen Umsturz 1989 habe ich als verstörend wahrgenommen. Es geht mir und meiner Familie auch heute sehr gut. Die Kälte, Verrohung und Ungerechtigkeit der heutigen Gesellschaft bereitet mir allerdings große Sorge und Angst."

Renate aus Brandenburg:
"Dass man nicht reisen konnte, empfand ich als nicht so gravierend."

"Meine Kindheit hätte nicht besser sein können, auch wenn es an einigem fehlte. Man konnte einfach Kind sein. Es gab Kinobesuche und Ferienlager (…). Man ist im See schwimmen gegangen und brauchte kein Freibad. Dann kamen die Lehrzeit und die Arbeitswelt, die ich auch in Ordnung fand. Man musste keine Angst haben, den Arbeitsplatz zu verlieren. Sicherlich gab es auch andere Erfahrungen, aber ich spreche von meinen. Dass man nicht reisen konnte, empfand ich als nicht so gravierend. Auch nicht, dass es nicht zu jeder Jahreszeit Bananen und Orangen gab. Das war für mich nicht lebenswichtig. Meine Kinder hatten einen Krippen- oder Kindergartenplatz.(...) Was das System betraf, fühlte ich mich nicht gestört, es gab einige Sachen, mit denen man nicht klarkam oder nicht zufrieden war. Ich hatte viele Freunde, mit denen ich über alles diskutiert habe, aber in meiner Stasi-Akte war nur vermerkt, dass ich mal an Rias Berlin einen Musikwunsch geäußert habe. Natürlich habe ich mich auch über die Wohnungsnot aufgeregt und an den damaligen Staatsratsvorsitzenden einen Brief geschrieben. Daraufhin wurde ich mit meinem Vater, der in der Partei war, zum Wohnungsamt beordert. Mein Vater wusste nichts von dem Brief. Der Erfolg war: Ich habe mit meinen Kindern eine Wohnung bekommen. Alles in allem war ich auf meine Weise glücklich."

Geschichten von Stasi und Haft

Klaus aus Sachsen:
"Geheilt war ich nicht – nur vorsichtiger geworden."

"Als Angehöriger der Nationalen Volksarmee wurde ich im April 1963 von Männern des Ministeriums für Staatssicherheit verhaftet und in die U-Haft in der Magdalenenstraße in Berlin-Lichtenberg gebracht. Viele Wochen war ich in Einzelhaft (…). Die Ausstattung der Zelle war mittelalterlich mit einem stinkenden Kübel statt einer Toilette und einer Schüssel mit Wasser statt eines Waschbeckens. Fast jeden Tag holte man mich zur Vernehmung. Im August 1963 wurde ich in die U-Haft des MfS nach Leipzig gefahren. Dort verbrachte ich einige Tage mit zuweilen bis fünf Personen in einer normalen Zwei-Mann-Zelle. Eines Tages brachte man mich vor ein Militärobergericht. Nach kurzer Verhandlung wurde ich wegen sogenannter "Staatsgefährdender Propaganda und Hetze" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Etwa eine Woche später wurde ich wieder mit einem Gefangenentransporter, der die Aufschrift "Konsumbrot ist immer frisch" zur Tarnung trug, nach Berlin befördert. (…) Anfang Juli 1968 wurde ich nach Hause entlassen. Geheilt war ich nicht – nur vorsichtiger geworden."

Harry aus Berlin:
"Mein Gedanke war, die erschießen dich jetzt."

"Am 13. August 1961 habe ich mit Freunden Flugblätter verteilt, gegen den Mauerbau. Es folgten Verhaftung durch die Stasi und Monate voller Verhöre. Wer hat uns dazu aufgefordert aus dem Westen? Nach sieben Monaten U-Haft bei der Stasi wurde ich dort nachts durch einen finsteren Keller geführt. Dann das Kommando: 'Umdrehen zur Wand'. Ich bekam Todesangst. Mein Gedanke war, die erschießen dich jetzt."

Renate aus Thüringen:
"Dann bekam ich auf einmal Drohbriefe"

Ich war 1979 in Probstzella im Grenzgebiet als Unterstufenlehrerin tätig. Mein Lebensgefährte bekam an der gleichen Schule Arbeit als Hausmeister (…). Eine Schülerin der zehnten Klasse verliebte sich dann in meinen Lebensgefährten und wollte mich loswerden. Ich bekam auf einmal Drohbriefe. Nach dem vierten erzählte ich dies meinem Direktor. Er sagte, dies muss er weitergeben, weil wir im Grenzgebiet wohnen. (…) Die Polizei fragte mich, ob ich Anzeige erstatten möchte. Ich machte dies aber nicht, da ich dem Mädchen nicht die Zukunft verbauen wollte.

Etwa ein Vierteljahr später standen plötzlich früh um sieben die Polizei und Mitarbeiter des MfS vor unserer Tür, um meinen Partner abzuführen und in den nächsten Zug nach Saalfeld zu setzen. Ich fuhr etwas später nach und ging zur Polizei um zu erfragen weshalb dies geschehen war. Immer kam die gleiche Antwort: 'Machen Sie sich keine Gedanken, es ist nichts Schlimmes.' (…) Ich wechselte nach Saalfeld an eine andere Schule .

Zwei Jahre später hatten wir an dieser Schule eine Feier. Zwei meiner Kolleginnen waren mit Mitarbeitern des MfS verheiratet. Zu späterer Stunde kam ein Mitarbeiter des MfS auf mich zu und fragte mich, ob ich denn überhaupt wüsste, weshalb mein Mann aus dem Grenzgebiet raus musste. Ich verneinte dies. Daraufhin erzählte er mir den Grund: Der Vater des Mädchens, welches die Briefe geschrieben hatte, war Major bei der in Probstzella stationierten Armee und hatte veranlasst, meinen Mann auszuweisen. So haben mir einzelne Personen das Leben zu Hölle gemacht und den Weg zu einer Zukunft verbaut.“

Geschichten der Flucht

Dieter aus Werningerode:
"1966 flüchtete ich über den Brocken"


"Am 7. Oktober 1966 flüchtete ich über den Brocken in die Bundesrepublik. Es war der Gründungsfeiertag der DDR. Als Skisportler war ich vor 1961 oft in der Nähe der Grenze, hörte die Autos auf der Hochharzstraße Torfhaus-Braublage fahren und konnte als junger Mann nicht begreifen, warum ich nicht auch dort fahren oder überhaupt die Welt entdecken durfte. Mein Leben in der DDR war interessant – leider ohne die große Freiheit, von der man als junger Mensch träumt."

Enrico aus Mecklenburg:
"Nach der Entlassung nur Repressalien"


"Mit 16 Jahren der erste Fluchtversuch. Dieser ist gescheitert. Es folgten drei Jahre Haft. Nach der Entlassung nur Repressalien, die zwangsläufig zum zweiten Fluchtversuch führten. Dann nach zweieinhalb Jahren aus der Haft freigekauft."

Verwendete Quellen
  • Einsendungen von t-online-Lesern
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