Von den Nazis zur Nasa Was Hitlers Raketen-Fachmann zur Mondlandung beitrug
Vor 50 Jahren hissten die Amerikaner ihre Flagge auf dem Mond – auch ein Erfolg für den deutschen Ingenieur Wernher von Braun. Der hatte einst todbringende Raketen für die Nazis gebaut.
Die Mondlandung vor 50 Jahren war nicht nur ein Triumph der USA, sondern auch die größte Stunde im Leben des deutschen Raketeningenieurs Wernher von Braun (1912–1977). Schon mit 17 Jahren hatte dieser eine Science-Fiction-Geschichte mit dem Titel "Lunetta" verfasst. Für die Verwirklichung dieses Traums war ihm jedes Mittel recht. "Wissenschaft an sich besitzt keine moralische Dimension", behauptete er.
Von Brauns Leben ist zweigeteilt. Fotos zeigen ihn bis 1945 mit Adolf Hitler und anderen Nazi-Größen. Und dann steht er plötzlich neben US-Präsidenten wie Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy oder dem Trickfilmer Walt Disney. Ob von Braun das selbst als starken Bruch empfunden hat, ist fraglich. Er betrieb sein ganzes Leben lang Raketenbau. Für welches politisches System, das war ihm zweitrangig.
Raketenbau für die Nazis
Ebenso war von Braun Architekt seiner eigenen Legende, egal in welcher Position er sich befand. An seiner Genialität als Raketentüftler sind laut Erkenntnissen des Wernher-von-Braun-Forschers Christopher Lauer allerdings erhebliche Zweifel angebracht: So sei die Dissertation des deutschen Raketeningenieurs zu gewichtigen Teilen etwa ein Plagiat.
Gleichwohl leitete von Braun später die Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Insel Usedom. Wo auch die Entwicklung der sogenannten "V2"-Rakete stattfand – der "Wunderwaffe", von der sich Hitler in der Endphase des Zweiten Weltkriegs doch noch die Wende erhoffte – durch den Beschuss von Städten wie London mit zahlreichen Zivilisten als Opfern. Als ihm von Braun einmal einen Film von einem Raketenstart vorführte, zeigte sich der "Führer" laut dem Ingenieur derart begeistert, dass er "geräuschvoll Explosionen imitierte".
1943 wurde die Raketenproduktion zum Schutz vor Luftangriffen in ein Tunnelsystem in Thüringen, das heute als Konzentrationslager Mittelbau-Dora bekannt ist, verlegt. Für die Arbeit wurden Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald eingesetzt, die von Braun teilweise selbst auswählte. Er ging buchstäblich über Leichen, denn täglich starben Menschen, die auf einem Haufen aufgestapelt wurden. "Professor von Braun ging daran vorbei, so nahe, dass er die Leichen fast berührte", sagte ein Überlebender aus.
Vorzugsbehandlung für den Raketen-Nazi
1944 kam von Braun kurzzeitig in Gestapo-Haft – allerdings nicht, weil der Raketenforscher in Opposition zum Nationalsozialismus geriet. Sondern weil SS-Führer Heinrich Himmler die Raketenforschung unter seine Kontrolle bringen wollte. Kurz vor Kriegsende brachte von Braun schließlich die wichtigsten Dokumente der deutschen Raketenforschung in Sicherheit. Er besaß nun ein Faustpfand für seine Verhandlungen mit den Amerikanern, die mit den Sowjets bereits in einen Wettlauf um die von den Nazis entwickelten Technologien eingetreten waren.
In einem im Mai/Juni 1945 verfassten Bericht stellte von Braun den Amerikanern bereits den Flug zum Mond in Aussicht. Sie waren sofort interessiert: Am 18. September 1945 flog der Chefkonstrukteur der gefürchteten V2-Rakete in die USA und bekam fortan eine Erste-Klasse-Behandlung. Als er noch einmal kurz für seine Hochzeit nach Deutschland zurückkehrte, wurde er von den Amerikanern streng bewacht, da sie seine Entführung in die Sowjetunion befürchteten.
In der Folgezeit wurden 115 Mitglieder seines Peenemünde-Teams in die USA nachgeholt. Noch Anfang der 60er-Jahre besetzten Deutsche sämtliche Abteilungsleiterposten des Raketenforschungszentrums. Dankbarkeit zeigten sie nicht: Einer von ihnen beklagte sich in einem Interview sogar über die schlechte amerikanische Küche.
Der Traum von der Superrakete
In der texanischen Wüste und später in Huntsville im US-Staat Alabama setzte von Braun seine Arbeit so nahtlos fort, dass sein Forschungszentrum inoffiziell "Peenemünde Süd" genannt wurde. Seine Beteiligung an den Verbrechen des Nationalsozialismus: kein Thema. Er entwickelte jetzt die erste atomare Mittelstreckenrakete – wieder ein Rüstungsprojekt. Sein Biograf Johannes Weyer urteilt: "Wie schon in Nazi-Deutschland platzierte er seinen Traum, eine Superrakete zu bauen, geschickt in den politisch-militärischen Kontext." Das war nun der Kalte Krieg.
Um Fördermittel und politische Unterstützung für sein Forschungszentrum zu gewinnen, startete von Braun eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Seine Eloquenz, sein Charme und sein blendendes Aussehen ließen ihn schnell zur Berühmtheit werden. Dazu kam, dass er 1958 vier Monate nach dem Sputnik-Schock den ersten amerikanischen Satelliten in die Erdumlaufbahn schoss und damit in den Augen der Amerikaner ihre nationale Ehre wiederherstellte.
Auch am Sputnik-Schock waren deutsche Forscher beteiligt: Es ging um eine Gruppe rund um von Brauns ehemaligen Kollegen Helmut Gröttrup (1916–1981). Er arbeitete zunächst in der sowjetischen Besatzungszone, wurde dann aber 1946 mit etwa 5.000 anderen Ingenieuren und deren Angehörigen in die Sowjetunion deportiert. Auch sie entwickelten nun die V2-Raketen weiter.
Lebenslange Anonymität
Das Superhirn bei den Sowjets war jedoch kein Deutscher, sondern der aus der Ukraine stammende Chefentwickler Sergej Koroljow (1907–1966), dessen Identität lebenslang geheim gehalten wurde. Die Amerikaner kannten ihn nur als "Mister X". Als das Nobelkomitee nach dem Sputnik-Coup in Moskau anfragte, wem es denn den Preis für diese Meisterleistung verleihen könne, antwortete Staatschef Nikita Chruschtschow, dies sei eine Gesamtleistung des sowjetischen Volkes gewesen.
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Der Wettlauf zum Mond wurde zum Kräftemessen der Supermächte. In den USA entwickelte von Braun für die Raumfahrtbehörde Nasa die dafür nötige Saturn-Trägerrakete. Gern hätte er auch die Apollo-Kapsel für die Astronauten gebaut, doch dieser Auftrag ging an das Manned Spacecraft Center in Houston. Ziemlich bald nach der Mondlandung strich die US-Regierung das immens teure Raumfahrtprogramm radikal zusammen, weil das politische Ziel – der Propaganda-Sieg über die Sowjets – nun erreicht und das Interesse der Öffentlichkeit deutlich erlahmt war. Von Braun wechselte enttäuscht in die Privatwirtschaft. Mit 65 Jahren starb der Raketenmann 1977 an Krebs.
- Nachrichtenagentur dpa
- Artikel "Von den Nazis zur NASA", in Deutschlandfunk, 2019