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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hintergrund | Hambacher Fest Als Tausende "Deutschlands Wiedergeburt" forderten
1832 setzten Tausende Menschen ein Zeichen gegen den Absolutismus. Auf dem Hambacher Fest forderten sie Meinungsfreiheit und nationale Einheit. Manche bezahlten einen hohen Preis dafür.
Glocken läuten, Geschütze feuern, dann setzt sich der Festzug in Bewegung. Mehr als 20.000 Menschen steigen am 27. Mai 1832 aus dem pfälzischen Neustadt hinauf zu den Ruinen des Hambacher Schlosses über der Ortschaft. Sie singen Lieder und schwenken schwarz-rot-goldene Fahnen. Eine trägt einen besonderen Schriftzug: "Deutschlands Wiedergeburt".
"Ein freies deutsches Vaterland – dies ist der Sinn des heutigen Festes", stimmt Philipp Jakob Siebenpfeiffer, Journalist und Mit-Initiator der Festivität, die Leute ein. Sein Kollege Johann August Wirth, von Beruf Jurist und Schriftsteller, erklärt: "Dieses schöne Land wird verwüstet und geplündert, zerrissen und entnervt, geknebelt und entehrt."
Stabilität durch Repression
Zerrissen war Deutschland im Jahr 1832 in der Tat. Es bestand aus mehr als 30 Teilstaaten, jeder mit verschiedenen Gesetzen und einem eigenen Herrscher. Verbunden war dieser Flickenteppich von Staaten vor allem durch den Deutschen Bund: Ein Gefüge, das vor allem die innere und äußere Sicherheit der einzelnen Mitgliedsstaaten und Herrscherthrone gewährleisten sollte.
Innere Stabilität bedeutete in der Praxis vor allem Repression, wie der Unterdrückung der National- und Demokratiebewegung. Seit den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 gegen den französischen Kaiser Napoleon Bonaparte forderten immer mehr Deutsche nationale Selbstbestimmung und politische Mitspracherechte.
Der Deutsche Bund reagierte mit Härte. Seit 1819 schränkten die sogenannten Karlsbader Beschlüsse die Meinungsfreiheit ein, zugleich standen Presse und Universitäten unter verschärfter Beobachtung. Eine Entwicklung, die der Dichter Heinrich Heine später zu den Versen inspirierte: "Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht".
"Nationalfest der Deutschen"
1832 wollen hingegen Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann August Wirth ein Zeichen setzen: Anlässlich des bayerischen Verfassungstages am 26. Mai organisieren sie in Neustadt und auf dem Hambacher Schloss ein "Nationalfest der Deutschen". Ort und Zeit sind gut gewählt. Die damals zu Bayern gehörige Pfalz wird von wirtschaftlichen Schwierigkeiten geplagt, die Bevölkerung gilt als liberal.
Mit gut eintausend Teilnehmern hatten die Organisatoren gerechnet, es werden jedoch mehr als zwanzig Mal so viel. Und es kommen nicht nur Professoren und Studenten, Schriftsteller und Juristen aus ganz Deutschland, sondern auch Handwerker und Tagelöhner. Selbst aus Großbritannien und Frankreich reisen Gäste an, auch die von Russland beherrschten Polen, die zwei Jahre zuvor mit einem Aufstand gescheitert sind, entsenden eine Delegation.
Und auch eine andere benachteiligte Gruppe der Gesellschaft haben die Initiatoren ausdrücklich eingeladen: "Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Mißachtung in der europäischen Ordnung ein Fehler und Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung durch eure Gegenwart!"
"Dreimal hoch"
In zahlreichen Reden fordern Teilnehmer während des Hambacher Fests politische Mitbestimmung, nationale Einheit und Freiheitsrechte. Wirth selbst beendet seine Ansprache mit den Worten: "Dreimal hoch leben die vereinigten Freistaaten Deutschlands! [...] Dreimal hoch das conföderirte republikanische Europa!" So wird das Hambacher Fest auch ein Kapitel europäischer Einigungsgeschichte.
Die Fürsten hingegen greifen erneut hart durch. Bayerische Truppen werden in der Pfalz stationiert, von Prozessen bedroht flüchten Wirth und Siebenpfeiffer ins Ausland. Heinrich Heine schwärmte später vom Hambacher Fest: "Jene Hambacher Tage waren der letzte Termin, den die Göttin der Freiheit uns gewährte".
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