Letzter Brief von Ludwig II. Das war "ein eindeutiger Staatsstreich"
Seit 130 Jahren ist Ludwig II. tot - und seitdem ranken sich Gerüchte um seinen mysteriösen Tod im Starnberger See und seinen Geisteszustand. Der wohl letzte Brief des Königs ist Wasser auf die Mühlen derer, die schon seit Jahren sagen, ihr "Kini" gelte zu unrecht als verrückt.
Ludwig hat ihn am 10. Juni 1886 geschrieben - nur drei Tage vor seinem Tod.
"Eine schändliche Verschwörung!"
"Denke was Unerhörtes heute geschehen ist!!", empört sich Ludwig in dem Brief an seinen Cousin Prinz Ludwig Ferdinand. "Diese Nacht kam eilends einer vom Stallgebäude herauf u. meldete, es wären mehrere Menschen (darunter horribile dictu) ein Minister u. eine meiner Hofchargen in aller Stille angekommen, befahlen meinen Wagen u. Pferde hier (von der oberen Burg) wegzunehmen hinter meinem Rücken u. wollten mich zwingen nach Linderhof zu fahren, offenbar u. mich dort gefangen zu halten, u. Gott weiß was wohl zu thun, Abdankung zu ertrotzen kurz eine schändliche Verschwörung!"
Die Staatskommission, die den König nach seiner in München beschlossenen und proklamierten Entmündigung aus Hohenschwangau abholen sollte, war nicht erfolgreich ("Die Schand-Rebellen wurden arretirt", schreibt Ludwig). Erst einer zweiten Kommission mit dem Psychiater Bernhard von Gudden gelang es, den König in das Schloss Berg am Starnberger See zu bringen - wo beide kurze Zeit später tot im Wasser gefunden wurden.
Im "Vollbesitz seiner geistigen Kräfte"
"Es war ein eindeutiger Staatsstreich", sagt der CSU-Politiker und Ludwig-Experte Peter Gauweiler, der den Brief im Museum der Bayerischen Könige in Hohenschwangau vorgestellt hat. "Der Brief sagt ganz deutlich, dass Ludwig II. im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, dass er über die Vorhaltungen seiner Krankheit informiert war."
Auch der Berliner Hobby-Forscher Peter Glowasz, der vom Mord am Monarchen überzeugt ist und darum kürzlich ein Volksbegehren zur Feststellung der Todesursache von König Ludwig II. durchsetzen wollte, sagt nach dem Lesen des Briefes: "Er hat ganz klare Gedanken gehabt und das war drei Tage vor seinem Tod."
Ludwig schreibt an Prinz Ludwig Ferdinand: "Schon früher schrieb ich Dir daß ich über absichtlich mit Geld herumgestreute Gerüchte über mich (angebliche Krankheit) an der nicht eine Sylbe wahr ist (...) gehört habe. Es ist zu arg. Es muß Licht in diesen Abgrund von Bosheit kommen!"
Kein Zweifel an der Echtheit des Briefs
Bis vor kurzem war der Brief im Privatbesitz eines Mitglieds der Wittelsbacher Familie. "Ich habe absolut keinen Zweifel, dass der Brief echt ist", sagt Gerhard Immler vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Seit 1998 ist er dort Leiter des inzwischen staatlich verwalteten "Geheimen Hausarchivs" der Königsfamilie und kennt den Nachlass von Ludwig II. in- und auswendig. "Die Schrift Ludwigs II. ist ja so unverkennbar, dass sie äußerst schwierig zu fälschen wäre."
Auch er sieht in dem Brief eine Bestätigung für einen Schluss, zu dem Ludwig-Forscher in jüngster Vergangenheit immer wieder gekommen seien. "Der Brief bestätigt, dass der König nicht verrückt war im Sinne einer schweren Geisteskrankheit wie sie das Ärztegutachten von 1886 beinhaltet. Er hat die Gefahr, die ihm gedroht hat, ganz klar erkannt."
Ludwig hatte den Falschen im Verdacht
Nur einen Fehler habe er gemacht: Er vermutete den Prinzen Luitpold hinter der Aktion. "Es würde zu der Geisteswelt, in der Ludwig II. lebte, gut passen, dass er das Ganze im Sinne der Königsdramen Shakespeares gedeutet hat", sagt Immler. "Er lebte ja gerne geistig im Mittelalter." Ludwig II. war bekannt für seinen ausschweifenden Lebensstil und verewigte sich mit dem Märchenschloß Neuschwanstein.
Für Immler ist vor allem etwas anderes bemerkenswert an dem Schreiben: Laut Brief sollte Ludwig ursprünglich auf das Schloss Linderhof gebracht werden - und nicht nach Berg. "Er ist bei Schloss Berg im Starnberger See ertrunken und bei Linderhof gibt es keinen See. Man weiß natürlich nicht, wie es mit ihm weitergegangen wäre, aber dieses Ende hätte er nicht genommen."
Der gesamte Brief im Wortlaut:
Theuerster Vetter! Vergib die schlechte Schrift, ich schreibe dieß in höchster Eile. Denke was Unerhörtes heute geschehen ist!! - Diese Nacht kam eilends einer vom Stallgebäude herauf u. meldete, es wären mehrere Menschen (darunter horribile dictu) ein Minister u. eine meiner Hofchargen in aller Stille angekommen, befahlen meinen Wagen u. Pferde hier (von der oberen Burg) wegzunehmen hinter meinem Rücken u. wollten mich zwingen nach Linderhof zu fahren, offenbar u. mich dort gefangen zu halten, u. Gott weiß was wohl zu thun, Abdankung zu ertrotzen kurz eine schändliche Verschwörung! Wer kann nur hinter einem solchen Verbrechen stecken, Prz. Luitpold vermuthlich.
Durch Gensdarme u. Feuerwehr, die sich tapfer entgegenstemmen ward dieß vorläufig vereitelt. Die Schand-Rebellen wurden arretirt. Behalte dieß Alles bitte vorläufig für Dich. Wie kann aber eine solche Infamität nur möglich sein!! Bitte forsche selbst u. durch Andere Verläßige darauf!
Hättest Du so etwas für möglich! gehalten. Schon früher schrieb ich Dir daß ich über absichtlich mit Geld herumgestreute Gerüchte über mich (angebliche Krankheit) an der nicht eine Sylbe wahr ist p) gehört habe. Es ist zu arg. Es muß Licht in diesen Abgrund von Bosheit kommen! In felsenfestem Vertrauen u. inniger Liebe
Dein getreuer Vetter Ludwig
Hohenschw. 10. Juni 86
Ergänzung mit Bleistift: Dieser Abschaum von Bosheit mich nächtlich überfallen u. gefangen nehmen zu wollen!!!