Trumps Friedensplan Plötzlich steht ein schlimmer Verdacht im Raum

Die Ukraine gerät an der Front ins Hintertreffen. Binnen Tagen verliert sie strategisch wichtige Gebiete. Einem Experten kommt der Zeitpunkt der Entwicklung verdächtig vor.
Sein im Wahlkampf erklärtes Ziel, den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden nach seinem Amtsantritt zu beenden, hat Donald Trump erwiesenermaßen nicht erreicht. Die Ankündigung ist inzwischen fast zwei Monate überfällig. Nun aber soll alles schnell gehen. Noch in der kommenden Woche wolle der US-Präsident mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin telefonieren, sagte Trumps Unterhändler Steve Witkoff am Sonntag. Dabei sollen die letzten Details einer Waffenruhe festgezurrt werden.
Bislang ließ sich der Kreml auffallend viel Zeit. Eine Antwort Moskaus auf die unter der Woche in Saudi-Arabien stattgefundenen Gespräche zwischen der Ukraine und den USA über eine solche Waffenruhe steht immer noch aus. Das Einzige, das Putin bislang auf den Verhandlungstisch gelegt hat, sind Maximalforderungen. Nun kam erneut eine solche: "Wir werden verlangen, dass eiserne Sicherheitsgarantien Teil des Abkommens werden", sagte der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko der Zeitung "Iswestija" am Sonntag. Was für Kiew erst einmal gut klang, erweist sich auf den zweiten Blick als äußerst zweifelhaftes Angebot: "Ein Teil dieser Garantien sollte der neutrale Status der Ukraine sein und die Weigerung der Nato-Länder, sie in die Allianz aufzunehmen", so Gruschko weiter.
Welche Sicherheitsgarantien das aber sein sollen, die Moskau vorschweben, bleibt offen. Beobachter fürchten, dass es eher wachsweiche, statt "eisenharte" sein könnten.
Europäische Friedenstruppen hatte Putin schon zuvor kategorisch ausgeschlossen. Und von einem Amerika unter Donald Trump erwarten Sicherheitsexperten kaum, dass er sich in einen heißen Konflikt mit Russland hineinziehen lässt, sollte das Regime die Waffenruhe brechen. Wie so oft könnte es sich also um einen taktischen Kniff des Kreml handeln, um sich eine möglichst gute Ausgangsposition zu verschaffen und den Feldzug gegen die Ukraine zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise doch noch auszuweiten.
Just in dieser für Kiew prekären diplomatischen Lage kam am Wochenende noch die Nachricht, dass die Kreml-Truppen in der russischen Region Kursk auf dem Vormarsch sind. Inzwischen haben sie Sudscha, den Logistikstützpunkt der ukrainischen Armee, eingenommen. Präsident Wolodymyr Selenskyjs Strategie, die Region möglichst lange zu halten, um sie als Verhandlungsmasse in Friedensgesprächen einzusetzen, ist nicht aufgegangen. Für Russland ist das hingegen ein kaum zu unterschätzender Erfolg.
Innerhalb weniger Tage geriet Kiew ins Hintertreffen
Es verwundert manche Experten, dass die Ukraine weite Teile des Gebiets nun innerhalb weniger Tage aufgeben muss. Das Land hatte Kursk mehr als sechs Monate halten können, gegen erbitterten Widerstand der russischen Armee, die bei ihren Versuchen der Rückeroberung sogar bis zu 12.000 nordkoreanische Soldaten eingesetzt haben soll. Beim überhasteten Rückzug der eigenen Truppen musste die Ukraine unter anderem sogar wertvolles westliches Kriegsgerät zurücklassen.
Zeitlich fällt die plötzliche Schwächung der ukrainischen Armee an der Front in jene turbulenten Tage, als die Trump-Regierung nach der öffentlichen Demütigung von Selenskyj im Weißen Haus ihre Waffenhilfe für das attackierte Land vorübergehend einstellte. Inklusive der dringend notwendigen Geheimdienstinformationen, ohne die die ukrainischen Truppen auf Dauer keine Chance gegen die personell und materiell überlegenen Russen haben.
Laut des "Time Magazine" kam die Einstellung der US-Waffenhilfe zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für Kiew. Die Folge waren nicht nur große Gebietsverluste, sondern auch "Hunderte tote ukrainische Soldaten", dazu viele, die in russische Gefangenschaft gerieten.
Trump: "75 Prozent" des Deals schon unter Dach und Fach
In der "Kyiv Post" wirft der ukrainische Wirtschaftsprofessor Roman Scheremeta nun eine brisante Frage auf: "Haben die USA mit Russland bei der Rückeroberung der Region Kursk zusammengearbeitet?". Scheremeta war Direktor der Amerikanischen Universität in Kiew und lehrt in den USA. Das Fazit des Ukraineexperten lautet: "Trump schwächt die Ukraine absichtlich, damit Russland Kursk zurückerobern kann. Sobald das geschehen ist, wird er die Bühne für die Kapitulation der Ukraine unter seinem sogenannten Friedensabkommen bereitet haben."
Mit anderen Worten: Trump und seine Administration erfüllen Scheremeta zufolge entscheidende Bedingungen des Kreml-Diktators, damit dieser einem Deal des US-Präsidenten zustimmen kann. Einem Deal, der allein Putin in die Hände spielen könnte.
Selbst in der Regel gut informierte russische Militär-Blogger vermuten, dass es einen solchen geheimen Deal zwischen Washington und Moskau geben könnte. Als Indiz sehen sie die Behauptung Russlands vom Wochenende, dass Putins Truppen Hunderte ukrainische Soldaten im Kursker Gebiet eingekesselt hätten.
Von ukrainischer Seite gab es dafür bislang keine Bestätigung. Dennoch bat Trump in einer offiziellen Mitteilung sogleich darum, die Ukrainer zu verschonen – woraufhin die Kreml-Propaganda auf allen Kanälen verlauten ließ, man wolle das Leben der Soldaten verschonen, wenn sie kapitulierten. Ein öffentlicher Akt der Demütigung im Gewand der Gnade?
Bereits in der vergangenen Woche hatte Trump im Brustton der Überzeugung davon gesprochen, die Waffenruhe sei zu "75 Prozent" unter Dach und Fach, es gehe jetzt nur noch darum, alles auf Papier zu bringen und die "Landfrage" zu klären.
Ebendiese Frage ist die heikelste von allen – und für den Kreml die mit Abstand wichtigste im Konflikt. Russland beansprucht weite Gebiete im Süden und Osten der Ukraine, nicht nur solche, die bereits von Moskaus Truppen besetzt sind, sondern auch Städte wie Saporischschja oder Charkiw, die momentan noch von der Ukraine gehalten werden. Putin will die Regionen, die er als "Novorussia" bezeichnet, um jeden Preis zum Bestandteil eines Vertrags machen. In diesem Punkt scheint es große Bereitschaft Washingtons zu geben, Putins Bedingungen entgegenzukommen. Man müsse die "Realitäten an der Front berücksichtigen", sagte Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz am Sonntag. Eine Formulierung, die exakt so zuvor auch von russischen Unterhändlern verwendet worden war.
Moskau hätte leichtes Spiel bei weiteren Offensiven
Diese "Realitäten" sind für die Ukraine derzeit denkbar schlecht. Für das Land wäre es nahezu aussichtslos, das eigene Territorium zurückzubekommen, würde der jetzige Frontverlauf festgeschrieben. Aber noch mehr: Wie die US-Denkfabrik ISW in ihrer aktuellen Analyse mitteilt, geben die Maximalforderungen des Kremls in einem weiteren Punkt Anlass zur Sorge. Denn zum einen wäre die derzeit mehr als 2.100 Kilometer lange Front mit den vorhandenen ukrainischen Truppen nicht abzusichern. Dazu bräuchte es ausländische Friedenstruppen, diese lehnt Putin jedoch bisher ab.
Zum anderen würde das Einfrieren des Konflikts beim derzeitigen Frontverlauf auch bedeuten, dass die Russen strategisch im Vorteil wären. Die ukrainische Armee verfügt momentan nicht über die strategische Tiefe, russische Versuche der Landnahme an besonders vulnerablen Abschnitten der Front zurückzuschlagen. So könnte Moskau bei einer Waffenruhe weiter vorrücken und etwa strategisch wichtige Brückenköpfe am Fluss Dnipro aufbauen. Von dort wäre es für die Russen einfacher, etwa die Millionenmetropole Charkiw anzugreifen. Schon jetzt registrieren Beobachter den Ausbau einer Fernstraße in der Region auf russisch besetztem Territorium, über diese könnten große Truppenkontingente nachgeführt werden.
"Putin hat sich sehr vielversprechend positioniert, obgleich seine Ankündigungen noch unvollständig sind", sagte Trump vor wenigen Tagen im Weißen Haus. Wie er sich die weitere Ausgestaltung von Verhandlungen über den Status quo der Ukraine vorstellt, ließ er auch schon durchblicken. So habe man mit der Ukraine bereits die "Landfrage" diskutiert. "Es geht jetzt darum, ihnen zu sagen: Schaut, das ist, was ihr bekommen könnt, und das ist das, was ihr nicht bekommen werdet."
In der Nacht zu Montag kündigte Trump dann an, am Dienstag mit Putin sprechen zu wollen. Er werde dann wohl etwas zu den laufenden Gesprächen zum Ukraine-Krieg ankündigen können, sagte Trump vor Journalisten. Man rede bereits über die "Aufteilung gewisser Vermögenswerte" zwischen den beiden Seiten. Land und Kraftwerke stünden im Mittelpunkt der Gespräche über ein Russland-Ukraine-Abkommen.
- kyivpost.com: OPINION: Did the US Collaborate With Russia for the Recovery of Kursk Oblast?
- theguardian.com: The big question on Ukraine: is Trump ready to push Putin into peace?
- cnbc.com: Trump says ‘very good chance’ of Ukraine ceasefire while Russia keeps caveats
- youtube.com: Donald Trump says Putin made ‘promising but incomplete’ statement on Ukraine ceasefire
- bild.de: Indizien für geheimen Putin-Trump-Deal aufgetaucht!
- deutschlandfunk.com: Wie geht es weiter mit der Ukraine und der Sicherheit in Europa?
- understandingwar.com: Russian Offensive Campaign Assessment, March 16, 2025
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters