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"Putin als Kaiser stand nackt da": Michael Roth sieht Kremlchef als Verlierer


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Machtkampf in Moskau bei Illner
"Putin als Kaiser stand für einen Moment nackt da"


Aktualisiert am 30.06.2023Lesedauer: 3 Min.
Michael Roth (Archivbild) sieht den Aufstand von Jewgenij Prigoschin als einen "Super-Gau für einen Diktator".Vergrößern des Bildes
Michael Roth (Archivbild) sieht den Aufstand von Jewgenij Prigoschin als einen "Super-Gau für einen Diktator". (Quelle: Martin Schutt/dpa)
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Bei "Maybrit Illner" wurde der abgebrochene Putschversuch von Wagner-Chef Prigoschin analysiert. Ein Politologe zog daraus ganz eigene Schlüsse.

Der abgebrochene Putschversuch des Söldner-Chefs Jewgenij Prigoschin und seine möglichen Folgen standen bei "Maybrit Illner" zur Debatte. Die Hintergründe sind noch immer verworren, und so blieb Raum für Spekulationen über Verlauf und Motivation der Revolte sowie deren Auswirkungen. Für heftigen Widerspruch sorgte der umstrittene Politologe Johannes Varwick, der als Einziger in Wladimir Putin den Sieger des Machtkampfs sah und Kompromisse mit Moskau forderte.

Die Gäste

  • Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses
  • Franziska Davies, Osteuropa-Historikerin
  • Johannes Varwick, Politikwissenschaftler
  • Frank Sauer, Experte für Sicherheitspolitik an der Universität der Bundeswehr in München
  • Katrin Eigendorf, ZDF-Auslandsreporterin
  • Ben Hodges, US-Generalleutnant a. D. (zugeschaltet)

Historikerin sieht Risse in Putins Herrschaftssystem

Während die Osteuropa-Historikerin Franziska Davies angesichts des Söldner-Marschs auf Moskau "Risse" in Putins Herrschaftssystem erkannte und Prigoschin als "Gewaltunternehmer" bezeichnete, vertrat Varwick den Standpunkt, man solle den Wagner-Chef "nicht überbewerten". Der "kalte Machtpolitiker Putin" habe "dieses Ding sicher nach Hause geschaukelt" und "den Machtkampf gewonnen".

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Dem widersprach Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag: "Niemand hat gewonnen, und erst recht nicht Herr Putin", so der SPD-Politiker. Vielmehr habe "Putin als Kaiser für einen Moment nackt" dagestanden, und Kontrollverlust sei "ein Super-Gau für einen Diktator". Sein Versprechen von Sicherheit und Ordnung sei brüchig geworden.

Roth prophezeite, dass sich deshalb die "Stalinisierung im Inneren" Russlands fortsetzen werde. Zuvor hatte es auch die ZDF-Auslandsreporterin Katrin Eigendorf mit Blick auf den mutmaßlich verhafteten Luftwaffengeneral Sergej Surowikin für möglich gehalten, dass der Kreml-Chef nun eine "Säuberungswelle" starten könnte.

Weitere Deutungen steuerten der aus Frankfurt am Main zugeschaltete US-Generalleutnant a. D. Ben Hodges und der Sicherheitspolitik-Experte Frank Sauer bei: Hodges sah den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko als Gewinner der Gesamtsituation, weil er nun die Kontrolle über Prigoschin und Teile der Wagner-Gruppe habe. Sauer wähnte den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Waleri Gerassimow, Oberbefehlshaber der russischen Armee in der Ukraine, auf der Siegerseite. Ihnen hätte die Attacke Prigoschins gegolten, sie hätten es aber geschafft, sich "da durchzulavieren" und Putin an sich zu binden

Politologe Varwick sieht "Patt" und fordert Verhandlungen

Etwa zur Halbzeit der Sendung setzte sich Franziska Davies mit der Erkenntnis durch, dass die weitere Entwicklung in Russland von außen ohnehin nicht zu steuern sei und "wir uns deshalb darauf konzentrieren sollten, wo wir Einfluss nehmen können: die Unterstützung für die Ukraine".

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Fast alle Gäste versuchten, diesbezüglich aus dem Moskauer Machtkampf Mut zu schöpfen. "Mit diesem Krieg hat Putin sich verhoben. Putin ist schlagbar", formulierte Michael Roth. Katrin Eigendorf sah den Kreml-Machthaber "am Tiefpunkt seiner gesamten Amtszeit". Franziska Davies wies auf die Diskrepanz zwischen Putins erster "Verrat"-Rede samt Strafandrohung und der späteren Begnadigung Prigoschins hin: "Man hat gesehen, dass Putin unter Druck zurückweicht." Frank Sauer pflichtete bei: Dieser Rückzieher sei "das Wichtigste, was wir mitnehmen sollten". Und: "Von diesem Putin, der in die Ecke gedrängt eskaliert, war nicht viel übrig."

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Nur Johannes Varwick sah das komplett anders: "Ich bin dagegen, dass wir Wunschdenken machen", so der Politologe. Er glaube nicht an Putins nahes Ende. Vielmehr gebe es eine "militärische Pattsituation", in der man "zu Verhandlungen kommen" und über "Kompromisse reden" müsse.

Als er dann noch von "Interessenausgleich" sprach, mit Bezug auf die Krim forderte, "territoriale Veränderungen" zu akzeptieren und die West-Eingliederung der Ukraine in Zweifel zog, löste er erneut heftigen Widerspruch aus: "Sprechen Sie es doch wenigstens aus, was Sie jetzt territoriale Veränderung nennen", entgegnete Franziska Davies: "Unter russischer Besatzung wird weiter gestorben."

Varwicks Haltung sei "zynisch" und "infam". Beistand bekam sie von Katrin Eigendorf ("Russland bedroht auch Deutschland") und Michael Roth: "Herr Varwick, Sie stellen permanent die Souveränität der Ukraine in Frage." Und Frank Sauer wies darauf hin, dass Varwick "einen sehr schlechten Track-Record" habe: Ihn habe bislang ja alles überrascht, "Charkiw, Cherson – er hat mit nichts gerechnet".

Sauer seinerseits warb dafür, die ukrainische Gegenoffensive erst in drei Monaten zu beurteilen – und Ben Hodges forderte die Lieferung von Langstreckenraketen an die Ukraine.

Verwendete Quellen
  • "Maybrit Illner" vom 29. Juni 2023
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