Angriffe auf die Ukraine Bericht: Russland feuerte Atomrakete mit "Platzhalter" ab
100 Raketen hat Russland am Dienstag auf die Ukraine abgefeuert. Eine davon soll aus dem Atomarsenal des Kremls stammen.
Es war der bislang schwerste Raketenangriff auf die Ukraine: 100 Geschosse hat die russische Armee am Dienstag auf Kraftwerke und andere zivile Ziele im Land abgefeuert, Teile einer ukrainischen Abwehrrakete gingen in Polen nieder und töteten dort zwei Menschen. Auch in der Ukraine wurde ein Mensch getötet, in weiten Teilen des Landes fielen Strom und Wasser aus. Dabei stammte eine der auf Kiew abgefeuerten Raketen offenbar aus dem russischen Atomarsenal, wie das Fachmagazin "Defense Express" berichtet.
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"Einer der zwei feindlichen Marschflugkörper, die vor Kiew abgeschossen wurden, war ein Ch-55, der überhaupt keinen Sprengkopf hatte", schreibt das Magazin unter Berufung auf Quellen beim ukrainischen Militär. "Anstelle eines Sprengkopfes wurde ein Block 'eingeschraubt', der als Platzhalter für den Atomsprengkopf diente." Normalerweise würde Russland nicht-nukleare Marschflugkörper vom Typ Ch-555 gegen die Ukraine einsetzen. "Dies war eine nicht-nukleare Modifikation einer Ch-55-Rakete, die zu einer 'klassischen' Rakete umgebaut wurde."
"Platzhalter, um Luftverteidigung zu überlasten"
Unklar sei allerdings, was genau die Russen mit dem Umbau bezweckt hätten, da die modifizierte Rakete aus technischen Grünen gar keinen konventionellen Sprengkopf tragen könne. "Konventionelle und nukleare Sprengköpfe sind strukturell unterschiedlich", schreibt "Defense Express". "Sie konnten zwar den Atomsprengkopf aus der Ch-55 entfernen, aber keinen gewöhnlichen Sprengkopf einbauen. Deshalb wurde die Ch-55 mit einem leeren 'Block' für den Angriff verwendet." Eine solche "Anomalie" könne verschiedene Ursachen haben, heißt es.
Denkbar sei, dass die Verantwortlichen für den Raketenangriff einfach der Anweisung von oben gefolgt seien, eine bestimmte Zahl von Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen und dazu auf eine modifizierte Ch-55 zurückgriffen. Das würde darauf hindeuten, "dass der Bestand an Marschflugkörpern in der Russischen Föderation auf ein für den Kreml kritisches Maß abgebaut wird", schreibt "Defense Express". "Eine andere Erklärung ist, dass die Russen die Ch-55 absichtlich mit einem Platzhalter benutzten, um die ukrainische Luftverteidigung zu überlasten." Auch das wäre ein Hinweis auf die schwindenden Raketenvorräte der Russen, so das Magazin.
Denn schon zu Beginn des Krieges hätten die Angreifer "Verbrauchsmaterial" mitgeschickt, um die Verteidiger bei Luftangriffen zu überfordern, beispielsweise einfache Drohnen – "aber keine knappen Raketen, die sonst Atomwaffen tragen". Deren Einsatz sei ein weiterer Hinweis darauf, dass Russlands konventionelle Marschflugkörper vom Typ Ch-101 zur Neige gingen. Bei den Angriffen am Dienstag seien Ch-101 verwendet worden, die erst im dritten Quartal dieses Jahres produziert wurden. Da das Militär alte Raketen normalerweise zuerst abfeuert, dürften die Vorräte entsprechend leer sein, so "Defense Express".
- defence-ua.com: Russland startet Marschflugkörper mit einem simulierten Atomsprengkopf über der Ukraine (ukrainisch; Stand: 18. November 2022)