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Annalena Baerbock widerspricht Markus Lanz: "Ringtausch beginnt erst jetzt"


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Ukraine-Talk nach Putin-Rede
Baerbock widerspricht Lanz: "Ringtausch beginnt erst jetzt"


Aktualisiert am 22.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Außenministerin Annalena Baerbock wurde aus New York zur Lanz-Show zugeschaltet.Vergrößern des Bildes
Außenministerin Annalena Baerbock wurde aus New York zur Lanz-Show zugeschaltet. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner/imago-images-bilder)

Markus Lanz ging mit seinen Gästen der Frage nach, ob Russlands Präsident blufft, wenn er mit Atomwaffen droht. Die Außenministerin äußerte sich zu Waffenlieferungen.

Zu Beginn seiner Talkshow galt die Aufmerksamkeit von Markus Lanz ganz der Bundesaußenministerin. Annalena Baerbock war aus New York zugeschaltet, wo sie an der Generalversammlung der Vereinten Nationen teilnimmt. Dem Moderator ging es um die jüngste Fernsehansprache des russischen Präsidenten Putin und seinem auf Atomwaffen bezogenen Nachsatz "Das ist kein Bluff".

Ist genau diese Drohung der Bluff? Das wäre "Kaffeesatzleserei", antwortete Baerbock und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Die internationale Gemeinschaft sei "komplett geschlossen in Bezug auf Nuklearwaffen", ähnliche frühere Drohungen Putins hätten sich nicht bewahrheitet.

Auf Baerbocks Aussage, die nächsten Wochen und Monate würden entscheidend sein, wiederholte Lanz eine der den Kabinettsmitgliedern meist gestellten Fragen: "Ab wann liefern wir den Leopard 2?" Schließlich komme der Ringtausch – das Weiterreichen sowjetischer Panzer an die Ukraine durch Nato-Mitglieder, die dafür deutsche Panzer erhalten – an sein "natürliches Ende", so der Moderator.

"Stimmt nicht", entgegnete die Ministerin: "Er beginnt jetzt erst". Dank ausgehandelter Tauschaktionen würde die Ukraine gerade jetzt neue Panzer vertrauter Bauart geliefert bekommen. Zu vermuteten Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und dem zurückhaltenden bis zaudernden Bundeskanzler gab Baerbock sich keine Blöße. Nach gut zwanzig Minuten verabschiedete sie sich – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sie am Donnerstag ihren russischen Amtskollegen Lawrow treffen wird, um idealerweise "dem Frieden ein Stück näherzukommen, ohne es auf dem Rücken der Ukraine zu tun".

Die Gäste:

  • Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin (Grüne)
  • Claudia Major, Sicherheitsexpertin (Stiftung Wissenschaft und Politik)
  • Eva Quadbeck, Journalistin ("Redaktionsnetzwerk Deutschland")
  • Gerald Knaus, Migrationsforscher

Anschließend analysierte Markus Lanz mit seinen Studiogästen Baerbocks Aussagen und Putins Rede, aus der mehrere Ausschnitte eingespielt wurden. So wie die Außenministerin und der Kanzler unterschiedliche Positionen vertreten, so funktioniere Politik, sagte Journalistin Eva Quadbeck aus der "RND"-Zentralredaktion.

Ähnliche Meinungsverschiedenheiten zwischen eher offensivem Außenministerium und dem bei schweren Waffen zurückhaltenderen Präsidenten gebe es auch in der US-amerikanischen Regierung. Zur Putin-Rede meinte Quadbeck, dass die Bundesregierung die nukleare Gefahr weiterhin hoch einschätze, das aber "aus taktischen Gründen" nicht mehr so deutlich betone wie zu Beginn des Krieges.

"Nukleare Drohung eine Traditionslinie"

Die nukleare Drohung durch Russland sei "eine Traditionslinie seit Beginn des Krieges", bisher aber immer rhetorisch geblieben, sagte Claudia Major von der aus Bundesmitteln mitfinanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie stimmte Lanz' Aussage zu, dass Deutschland bei Waffenlieferungen schon "eine Linie nach der anderen" überschritten habe. Für Leopard 2-Lieferungen habe selbst der Nato-Generalsekretär "de facto das Go gegeben".

Dritter Gast war der Migrationsforscher und Politikberater Gerald Knaus, der 2016 wesentlich mit zum Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei beigetragen hatte. Für die nahe Zukunft der Ukraine malte der Österreicher düstere Szenarien aus: Hunderttausende Menschen könnten dem Winter zum Opfer fallen, weil Russland in seinem "Zermürbungskrieg" planmäßig die Infrastruktur zerstört und dem ukrainischen Staat Steuereinnahmen wegbrechen.

Quadbeck sieht Solidarität bröckeln

Die Kosten für den Wiederaufbau könnten, wenn man ältere Weltbank-Berechnungen weiterdenke, bereits an die 500 Milliarden Euro betragen. Die einzige Zukunftschance der Ukraine sei die europäische Integration, sagte Knaus und lobte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Rede zur Lage der EU vergangene Woche.

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Da widersprach Eva Quadbeck. Von der Leyen hätte "die Bevölkerung mitnehmen" müssen. Tatsächlich bröckele die Solidarität mit der Ukraine in vielen Ländern, wie die Wahl in Schweden gezeigt habe. Ähnliches befürchtet die Journalistin in Deutschland, wenn Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit zunähmen und "große Defizite auf allen staatlichen Ebenen" zutage treten – von der Bundesregierung, die noch über die Schuldenbremse streitet, bis zu den durch Sozialleistungen stark belasteten Kommunen.

Major: "Den Krieg gewinnt der, der die Reserven auffüllen kann"

Es gebe derzeit zwar "keine Krise der Migration aus Asien und Afrika" in Europa, aber sehr wohl Populisten, die Krisengefühle ausnutzen wollen und können, stimmte Knaus zu. Major betonte wiederholt, wie entscheidend westliche Unterstützung für die Ukraine sei: "Den Krieg gewinnt der, der die Reserven auffüllen kann", also an Soldaten und an Waffen wie Panzern, antwortete sie auf eine entsprechende Frage des Moderators bemerkenswert konkret.

Kurzum: Anders als am Vortag, an dem Sahra Wagenknecht für heftigen Streit in der Lanz-Show gesorgt hatte, herrschte am späten Mittwochabend bei den Gästen in fast allen Fragen Einigkeit. Dass solche Einigkeit in einer Kriegssituation dennoch von Ungewissheit geprägt sein kann, welche Konsequenzen sich aus welchen Schritten ergeben, machte die Sendung eindrucksvoll deutlich.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Markus Lanz" vom 21. September 2022
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