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Die vergessene Insel: Das letzte Stück DDR liegt in der Karibik


Vergessene Insel
Das letzte Stück DDR liegt in der Karibik

Von t-online
Aktualisiert am 21.07.2024Lesedauer: 3 Min.
Die Büste auf der Ernst-Thälmann-Insel: Ein Stück DDR in der Karibik.Vergrößern des Bildes
Die Büste auf der Ernst-Thälmann-Insel: Ein Stück DDR in der Karibik.

Fidel Castro hat der DDR ein Stück Karibik geschenkt. Doch das ist nicht das einzig Kuriose an dieser wahren Geschichte um die Ernst-Thälmann-Insel.

Fidel Castro trägt seinen berühmten dunkelgrünen Kampfanzug und lächelt amüsiert. Er mustert das kuschelige Ding in seinen Armen und klatscht viermal in die Hände. Eine Stewardess hat ihm am Flughafen Berlin-Schönefeld gerade einen großen Plüschbären überreicht, inklusive Lätzchen um den Hals.

Es ist an diesem 19. Juni 1972 das Gastgeschenk der Deutschen Demokratischen Republik an den politischen Ehrengast aus Kuba: den einstigen Guerillakämpfer, Revolutionär und Diktator Kubas, der sozialistischen Republik in der Karibik. In einem Video ist die Szene festgehalten.

Castro selbst hatte sich etwas mehr einfallen lassen als Ausdruck der Hochachtung. Seinem Gastgeber, dem SED-Generalsekretär Erich Honecker, bringt Castro gleich eine ganze Insel mit. Zumindest auf dem Papier. Auf einer Karte zeigt der Guerillero der DDR-Führungsspitze eine kleine Insel nahe der Schweinebucht an der Südküste Kubas – und verkündet, dass sie künftig Ernst-Thälmann-Insel heißen soll mit einem "Strand DDR".

So beginnt die kuriose Geschichte um die "DDR unter Palmen".

"Akt der unverbrüchlichen Freundschaft"

Ernst Thälmann war in der DDR ein omnipräsentes Vorbild. Es gab Plätze, Straßen und Siedlungen, denen Thälmann seinen Namen lieh. Kinder wurden in der staatlichen Organisation zu Thälmann-Pionieren. In der Weimarer Republik war Thälmann der Kopf der deutschen Kommunisten, langjähriger Chef der KPD und des paramilitärischen Roten Frontkämpferbunds, der sich Straßenschlachten mit Nazis lieferte.

Nachdem Thälmann 1932 noch gegen Paul von Hindenburg und Adolf Hitler für das Amt des Reichspräsidenten kandidiert hatte, verhafteten ihn die Nazis nach der Machtergreifung 1933. Nach elf Jahren im Gefängnis wurde Thälmann 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet, wohl auf Befehl Hitlers.

Die Widmung der Insel war also ein Zeichen, das in der DDR durchaus auf Gegenliebe stieß. Das "Neue Deutschland" schrieb euphorisch von einem Akt der "unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Kuba und der DDR". Und es sollte noch weitergehen mit der Freundschaft.

Zu nah am Wasser gebaut

Im Sommer 1972 weihte eine spontan zusammengetrommelte Delegation der DDR vom Handelsmarine-Schulschiff "Fichte" das Eiland offiziell ein. Mit Fischerbooten reisten sie an den Strand der Ernst-Thälmann-Insel und wohnten der Enthüllung einer weißen Ernst-Thälmann-Büste direkt am Strand bei – nachdem sie ihre Kleider von der wackelig-welligen Reise getrocknet hatten. So erzählt es Teilnehmer Manfred Sawitzki 2007 dem MDR.

Blöd nur, dass Ernst Thälmann buchstäblich etwas zu nah am Wasser gebaut war. "Ich sehe noch heute, wie Ernst Thälmann als Büste da auf dieser wunderschönen Insel steht, und er kriegt immer volle Kante Wasser ins Gesicht", erzählte der DDR-Schlagersänger Frank Schöbel dem MDR. "Es war schon ein bisschen Kabarett."

Schöbel hatte den Ort 1975 besucht, um am Strand eine Lobeshymne auf die Ernst-Thälmann-Insel zu singen. Das Musikvideo für das Fernsehen zeigt ihn barfuß am Strand entlangschlendern. Wirklich erfolgreich wurde der Song über die "Insel im Golf von Cazones" aber nie.

Vielleicht war die Karibik dann doch etwas zu weit weg von der Wirklichkeit der DDR. "Wir konnten ja kaum nach Ungarn fahren. Wie sollten wir dann in die Karibik fliegen?", sagte Schöbel.

Castro brauchte die DDR

Das symbolträchtige Gastgeschenk Fidel Castros hatte dabei durchaus einen ernsten Hintergedanken. Kuba brauchte die DDR als Handelspartner, auch weil die USA dem Staat ein Embargo auferlegt hatten. Honecker soll den Kubanern im Gegenzug konkret sechs Prozent der DDR-Exportanteile für Weißzucker versprochen haben.

Bis auf den Namen hatte die DDR letztlich allerdings nicht viel von der Insel, die im Volksmund nach Erich Honecker auch Honni-Insel genannt wurde. 2001 machte sie noch einmal Schlagzeilen, als ein paar Journalisten sich dachten: Wenn die Insel damals der DDR gehörte, müsste sie heute der Bundesrepublik Deutschland gehören.

Die Schlagzeile "17. Bundesland vor Kuba – Fidel schenkte uns eine Sonneninsel!" löste einigen Wirbel aus. So viel, dass das Auswärtige Amt sich bald darauf äußerte – mit einer enttäuschenden Nachricht. Die Übergabe 1972 sei ein "symbolischer Akt" gewesen und habe "nichts mit den Besitzverhältnissen zu tun". Die Insel gehöre nach wie vor Kuba.

Später versuchte ein Bankkaufmann aus Pirmasens gemeinsam mit Gleichgesinnten die Insel zu kaufen. Mit dem Slogan "Wir wollen unsere Insel zurück!" suchte die "Initiative Ernst-Thälmann-Insel" nach Investoren. Für rund 50 D-Mark sollte man etwa zehn Quadratmeter kaufen können. So wollten sie insgesamt auf 30 Millionen D-Mark kommen, die sie als Preis für die Karibik-Insel schätzten.

Doch so enthusiastisch wie die Initiative waren nur wenige, es kam viel zu wenig Geld zusammen. Und so gehört die Ernst-Thälmann-Insel nach wie vor Kuba. Der Büste schlägt mittlerweile nicht nur die Brandung ins Gesicht, sondern auch der Sand. Seit 1998 ein Hurrikan wütete, liegt Ernst Thälmann kaputt am Strand.

Verwendete Quellen
  • spiegel.de: "DDR unter Palmen"
  • dw.com: "Der sonnigste Strand der DDR"
  • mdr.de: "Eine Insel als Geschenk: 'Isla Ernesto Thälmann'"
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