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EM, Mannheim, Sylt: Komiker Abdelkarim über Rassismus in Deutschland


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Comedian Abdelkarim
"Das ist ein sehr ekelhafter Satz"

InterviewVon Amir Selim

Aktualisiert am 08.06.2024Lesedauer: 5 Min.
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Comedian Abdelkarim im Interview über die rassistischen Parolen auf Sylt, den tödlichen Messerangriff in Mannheim und die Fußball-Europameisterschaft. (Quelle: IMAGO/Malte Ossowski/SVEN SIMON)
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Nazi-Parolen in Sylt, ein tödlicher Angriff in Mannheim: Negativschlagzeilen bestimmen die öffentliche Diskussion. Comedian Abdelkarim ist vor der EM trotzdem positiv gestimmt.

In knapp einer Woche geht die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland los. Noch immer sind die Hoffnungen auf ein Sommermärchen 2.0 groß. Doch zuletzt dominierten negative Schlagzeilen die öffentliche Debatte in der Bundesrepublik. Zunächst die rassistischen Gesänge und Nazi-Parolen bei einer Feier auf Sylt. Nachdem ein aus Afghanistan Geflüchteter einen Polizisten mit einem Messer in Mannheim getötet hat, wird jetzt abermals über Abschiebungen auch in Krisengebiete diskutiert.

Es sind auch diese kontroversen Themen, die Comedian Abdelkarim auf der Bühne thematisiert, oft auch mit einem persönlichen Blick. Im t-online-Interview erklärt er, was ihn an dem Sylt-Video überrascht hat, welche Erfahrungen er mit Rassismus gemacht hat und wie das Sommermärchen 2.0 klappen könnte.

t-online: Herr Abdelkarim, was haben Sie sich gedacht, als Sie von den rassistischen Gesängen auf Sylt erfahren haben?

Abdelkarim: Ich war nicht davon überrascht, dass es in Deutschland Rassismus gibt. Wir haben ja immerhin auch Rassisten im Bundestag, und auch im Bundestag kommt nur das raus, was vorher reingesteckt wurde. Ich fand es auch nicht überraschend, dass Rassismus auch bei wohlhabenden Menschen vorkommt. Rassismus ist der Grund, warum auch heute noch viele große und reiche Unternehmen Bewerbungen mit arabisch klingenden Namen oder Namen mit Ü direkt aussortieren.

Also alles wie erwartet?

Nein. Eine Sache hat mich dann doch überrascht: Wie schmerzfrei und glücklich die Leute da mitgesungen haben. Wer kein Deutsch versteht, könnte meinen, die singen da "Hänschen klein". Und man kann auch nicht alles mit Alkohol entschuldigen. Ich habe in meinem Leben schon viele betrunkene Menschen gesehen. Die haben aber nie "Ausländer raus!" gesungen. Zumindest nicht so offen. Dabei ist es mir auch egal, ob das Aufsagen des Satzes "Deutschland den Deutschen – Ausländer raus" eine Straftat ist oder nicht. Das ist einfach ein sehr ekelhafter Satz, der eine rassistische Haltung wiedergibt. Und eine Frage, die sich stellt, ist: Was ist die letzten Jahre alles schiefgelaufen, dass Menschen sich denken "Deutschland den Deutschen – Ausländer raus! Geil, das singe ich jetzt. Die Parole geht wieder."

Comedian Abdelkarim
Comedian Abdelkarim (Quelle: Peter Woller)

Zur Person

Abdelkarim (42), ist Comedian und Kabarettist. Der gebürtige Bielefelder heißt gebürtig Abdelkarim Zemhoute und steht seit 2007 auf der Bühne. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Im Oktober feiert er in Berlin die Premiere seines vierten Programms "Plan Z – jetzt will er's wissen!". Weitere Informationen zu den Terminen finden Sie unter abdelkarim.tv.

Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit solchen Parolen, mit Rassismus?

Mir wurden noch keine rassistischen Lieder vorgesungen. Rassismus habe ich aber schon erlebt. Die eine oder andere Wohnung zum Beispiel habe ich nicht bekommen. Am Telefon war noch alles supi, aber als ich vor der Tür stand, ist der Vermieter fast vom Glauben abgefallen. Ich hab mich sogar kurz umgedreht, weil ich dachte, hinter mir steht ein Geist oder so, aber da war keiner. Das war eine sehr kurze Besichtigung: Zwei Zimmer, Dachboden und Keller in einer Minute. Dabei hatte ich sogar extra für diesen Termin ein Hemd angezogen.

Von Sylt und Rassismus spricht jetzt aber kaum noch jemand. Nach dem tödlichen Angriff auf einen Polizisten durch einen Geflüchteten ist Migration wieder das große Thema.

Der Angriff und die Folgen für alle Opfer haben mich erschüttert. Einige Menschen wurden schwer verletzt und der Polizist Rouven Laur erlag seinen Verletzungen. Vor allem sein Schicksal hat mich geschockt. Nach dem, was ich im Netz über ihn gelesen habe, war er ein toller Mensch. Und er hat sich für einen gefährlichen, aber wichtigen Beruf für die Gesellschaft entschieden.


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Ich bin beim Thema 'Abschiebungen' kein Experte, obwohl ich als Deutscher mit Abschiebeoptik beide Seiten verbinde.


Abdelkarim


Als Lösung für solche Attacken werden oft Abschiebungen, auch in Kriegsgebiete, gefordert.

Ich bin beim Thema "Abschiebungen" kein Experte, obwohl ich als Deutscher mit Abschiebeoptik beide Seiten verbinde. Das Thema ist immer präsent, mal mehr, mal weniger. Es ist im Regelfall kein gutes Zeichen, wenn Politik spontan passiert oder improvisiert wird. Daher hoffe ich, dass die Entscheider das Thema "Abschiebungen" ernst nehmen und sich nicht von tagesaktuellen Nachrichten zu irgendwelchen Entscheidungen hinreißen lassen. Das ist nicht immer einfach, vor allem bei schockierenden Nachrichten. Aber gerade dann, wenn es schwerfällt, muss sich der Rechtsstaat bewähren. Wenn die Sonne scheint und wir uns alle in den Armen liegen, brauchen wir das Grundgesetz nicht so dringend wie in Krisen. Dann ist eh ja alles gut. Und da wir in Deutschland zum Glück keine Todesstrafe haben und ich auch nichts von einer mittelbaren Todesstrafe halte, bin ich auch bei Straftätern gegen Abschiebungen in Kriegsgebiete.

Nun kommen die Debatten zur Unzeit: Die bald beginnende Fußball-Europameisterschaft soll ähnliche Euphorie wie die Weltmeisterschaft 2006 auslösen.

Auf jeden Fall sollten wir die Fußballer mit Politik in Ruhe lassen. Wir erwarten ja auch nicht, dass Olaf Scholz einen Fallrückzieher macht. Fußball ist für mich reine Unterhaltung. Ein Mannschaftskapitän, der im Stadion vor 50.000 Zuschauern kurz vor Anpfiff eine Botschaft gegen Rassismus vorliest, die so klingt, als hätte sie der Filialleiter der Sparkasse Wanne-Eickel Süd geschrieben, wird keinen Rassismus bekämpfen. Kein Rassist wird zu Hause sitzen und sagen: "Schatz, hast du gehört, was Gündoğan da vorgelesen hat? Rassismus ist nicht gut. Das war mir so noch gar nicht klar. Ich gehe jetzt in den Keller und verbrenne meine Hitlerfahne."

Fußballer machen schon genug gegen Rassismus, indem sie gemeinsam Fußball spielen und ihr Aussehen nicht thematisieren. Alle Spieler – von hellweiß bis dunkelschwarz – rennen gemeinsam 90 Minuten über den Platz, um das sportlich Beste für ihr Land herauszuholen. Und nach dem Spiel gibt’s Trikottausch mit dem Gegner. Damit tun die Spieler schon sehr viel gegen Rassismus. Und zwar ungezwungen und beiläufig, aber ich glaube trotzdem effektiver als irgendwelche Bollywood-Choreografien. Mehr geht nicht. Wenn sich Spieler politisch äußern wollen, natürlich gerne, aber das sollte dann bitte von denen selber kommen und nicht ein Text sein, den eine Agentur geschrieben hat, und am Ende noch ein Herzemoji in die Kamera. Die Pose sieht nur bei "Let's Dance" gut aus.

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Glaube Sie an ein Sommermärchen 2.0?

Ob es ein Sommermärchen 2.0 geben wird, hängt sehr davon ab, wie die deutsche Mannschaft spielt. Und ich glaube, da geht was. Schon die Kombi aus Jamal Musiala und Florian Wirtz wird für viele Genussmomente sorgen.

Erwarten Sie nach den Vorfällen in Sylt und Mannheim rassistische Eklats oder haben Sie gar Angst vor islamistischen Attacken?

Millionen Menschen sind an der EM beteiligt. Da sind natürlich hier und da auch Rassisten dabei. Rassismus ist also möglich, und das ist alles schon passiert. Ich hoffe aber, dass bei rassistischen Aktionen die große Mehrheit direkt klarmacht, dass Rassisten unerwünscht sind. Angst vor islamistischen Attacken habe ich nicht. Und bei beiden Themen bin ich optimistisch, dass die Sicherheitsbehörden ihre Hausaufgaben machen.

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Freuen Sie sich trotzdem auf das Turnier?

Sehr. Ich glaube, es wird für die Fußballfans ein richtiges Fest, weil viele Länder dabei sind, die für ihre guten Fans bekannt sind. Im Moment gibt es nur einen möglichen Spielverderber: das Wetter.

Wem drücken Sie die Daumen?

2004 hat ja Griechenland die EM gewonnen. Bis heute weiß keiner, wie die Griechen das geschafft haben, aber nach 20 Jahren wäre es mal wieder Zeit für ein Wunder – also Deutschland, mach es!

Verwendete Quellen
  • Schriftliches Interview mit Abdelkarim
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