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Hochwasser in Venedig: Hätte die Katastrophe verhindert werden können?


Notstand beschlossen
Ärger in Venedig – hätte die Katastrophe verhindert werden können?

Von dpa, afp, aj

Aktualisiert am 15.11.2019Lesedauer: 3 Min.
Silvio Berlusconi (M), ehemaliger Ministerpräsident von Italien und Forza Italia-Parteichef, geht in Gummistiefeln mit Luigi Brugnaro (2. Reihe,M), Bürgermeister von Venedig, und Renato Brunetta (3.v.r), Leiter der Abgeordnetengruppe von Forza Italia, bei Hochwasser über den Markusplatz.Vergrößern des BildesSilvio Berlusconi (M), ehemaliger Ministerpräsident von Italien und Forza Italia-Parteichef, geht in Gummistiefeln mit Luigi Brugnaro (2. Reihe,M), Bürgermeister von Venedig, und Renato Brunetta (3.v.r), Leiter der Abgeordnetengruppe von Forza Italia, bei Hochwasser über den Markusplatz. (Quelle: Claudio Furlan/LaPresse via ZUMA Press/dpa)

Touristen sagen Reisen ab, Bewohner sind entsetzt: Nun macht

Venedig muss sich auf weitere Wassermassen gefasst machen. Am späten Freitagmorgen (11.20 Uhr MEZ) wird mit einem Pegelhöchststand von 145 Zentimetern über dem normalen Meeresspiegel gerechnet, wie die Kommune Venedig am späten Donnerstagabend twitterte. Die Schulen sollen geschlossen bleiben, der Dogenpalast schließt ebenfalls. In der Nacht zu Mittwoch hatte das Wasser allerdings noch deutlich höher gestanden - es war ein Rekordwert von 187 Zentimetern registriert worden. Am Donnerstagvormittag war der Pegel dann auf 113 Zentimeter gesunken.

Die Unesco-Welterbestadt wurde in dieser Woche vom schwersten Hochwasser seit Jahrzehnten heimgesucht. Mehr als 80 Prozent der historischen Stadt stehen unter Wasser. Besserung ist nicht in Sicht: Im ganzen Norden Italiens, aber auch in anderen Landesteilen werden für die nächsten Tage weiter heftige Niederschläge erwartet. Das Ausmaß der Schäden ist noch nicht abzusehen. Am Freitagabend werden die Pegelstände laut italienischer Nachrichtenagentur Ansa aber zunächst einmal auf rund 100 Zentimeter zurückgehen.

Am Donnerstag hatte die italienische Regierung den Notstand für die Lagunenstadt beschlossen. Damit werden 20 Millionen Euro an Soforthilfen freigegeben. Privatleute können mit Soforthilfen von 5.000 und Geschäftsleute von 20.000 Euro rechnen.


Das Ausmaß der Schäden in Venedig ist noch nicht abzusehen. Es habe schon viele Absagen von Urlaubern gegeben, sagte Laura Ferretto vom Hotelverband Federalberghi Veneto. In der Unesco-Weltkulturerbestadt entbrannte zudem ein Streit über den mangelnden Flutschutz.

Ärger um "Moses"-Projekt

Ein Milliarden-Projekt mit dem Namen "Mose" – kurz für "Modulo Sperimentale Elettromeccanico" – sollte eigentlich schon 2014 in Betrieb gehen. Dabei sollen riesige Barrieren an drei Eingängen zur Lagune hochgefahren werden und die Stadt schützen, sobald der Meeresspiegel eine kritische Marke überschreitet. Vor mehr als 15 Jahren begannen die Arbeiten, die schon knapp sechs Milliarden Euro kosten. Ein Korruptionsskandal verzögerte das umstrittene Mammutwerk. Auch gibt es seit jeher Kritik, dass ein Eingriff in das sensible Ökosystem der Lagune mehr schade als nutze.

Nach den Bildern der Zerstörung beeilten sich Politiker zu versichern, dass das Projekt nächstes Jahr fertig werde. "In den letzten Jahren gab es viele Skandale. Es gab schwere Verzögerungen", gestand Infrastrukturministerin Paola De Micheli in einem Radiointerview ein. Jetzt seien aber bereits 93 Prozent fertiggestellt.

Wissenschaftler nennen Klimawandel als Faktor

Wissenschaftler führen die zunehmenden Fluten in Venedig auf den Klimawandel zurück, der den Meeresspiegel steigen lässt. "Das Hochwasser in Venedig bringt das Problem der absoluten Trägheit an die Oberfläche, mit der man in Italien das Phänomen des Meeresspiegelanstiegs angeht", erklärte Luigi Merlo vom Handelsverband Confcommercio. Viele Kritiker halten auch die großen Kreuzfahrtschiffe für eine Gefahr. Weil für sie immer tiefere Fahrrinnen ausgehoben würden, entwickelten sich Teile der Lagune zu einem offenen Meeresarm.

Und so müssen erst Bilder wie von einem überschwemmten Markusdom um die Welt gehen, dass sich Italien wieder des Problems bewusst wird. Kulturdenkmäler seien durch salziges und schmutziges Wasser in Mitleidenschaft gezogen worden, sagte Kulturminister Dario Franceschini und sprach von einem "Notfall". Kunstwerke in Sammlungen oder Material in Archiven und Bibliotheken seien aber nach ersten Erkenntnissen nicht beschädigt worden.

Während Touristen Selfies mit den Wassermassen machten, waren die Bewohner schockiert. "So was habe ich noch nicht gesehen. Es ist eine Katastrophe. Es ist wie ein Krieg. Wir haben es gewusst", sagte der Venezianer Ezio Toffolutti der Deutschen Presse-Agentur. Läden und Supermärkte seien alle im Erdgeschoss, die habe es deshalb schlimm erwischt. "Eine schreckliche Zeit", sagte der viel in Deutschland tätige Bühnenbildner.

Ministerpräsident Conte traf am Donnerstag in Venedig auch Kioskbesitzer Walter Mutti, der bei der Flut alles verloren hatte. Bilder hatten gezeigt, wie sein Kiosk in den braunen Wassermassen davon trieb. "Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo er sein könnte", sagte Mutti in einem Interview der Zeitung "La Repubblica" (Donnerstag) auf die Frage nach dessen Verbleib.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen afp und dpa
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