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Waldbrände in Sibirien: Nur der Regen kann die Taiga noch retten


Waldbrände in Sibirien
Nur der Regen kann die Taiga noch retten

dpa, Claudia Thaler

06.08.2019Lesedauer: 4 Min.
Flammen ziehen über dem Wald in Krasnojarsk in Sibirien auf: Bis das Feuer gelöscht ist, könnte es Spätherbst sein. (Archivbild)Vergrößern des BildesFlammen ziehen über dem Wald in Krasnojarsk in Sibirien auf: Bis das Feuer gelöscht ist, könnte es Spätherbst sein. (Archivbild) (Quelle: Tass/TASS/dpa)

Seit Wochen kämpfen die Menschen in Sibirien gegen Flut, Waldbrände und Rauchschwaden – und es wirkt, als hätten die Behörden die Lage noch lange nicht im Griff. Doch für die Bewohner zählt jede Minute.

Die Angst kommt für die Bewohner von Irkutsk in der Nacht. Sie wissen nicht, ob sie am nächsten Morgen von Sonnenstrahlen oder vom Geruch der Rauchschwaden geweckt werden. Die Stimmung in der sibirischen Stadt am Baikalsee nahe der Grenze zur Mongolei ist angespannt. Die Waldbrände in der Taiga wüten zwar Hunderte Kilometer entfernt von der Stadt – trotzdem könnten sie für Irkutsk lebensgefährlich sein, wie auch für viele andere Großstädte in Russland.

"Heute ist ein schöner Tag", sagt eine Passantin, während sie mit ihrem zehnjährigen Sohn am Ufer des mächtigen Flusses Angara entlang spaziert. "Doch noch vor wenigen Stunden fühlte ich mich wie in einem Horrorfilm: Der Himmel war dunkel, die Sonne konnte ich nicht erkennen." Seit der Wind die Rauchschwaden aus der Stadt getrieben hat, können die 35-jährige Mutter und ihr Kind wieder durchatmen. Doch sie bangt um ihre Verwandten im Norden des Baikalsees, die viel näher an der Gefahr sind. "Der Rauch kommt durch jede Ritze ins Haus. Sie können nicht mehr schlafen, weil er ihnen die Luft zum Atmen nimmt."


Eigentlich ist Irkutsk mit rund 600.000 Einwohnern ein idyllischer Ort, wo Bewohner wie Touristen Ruhe im leisen Rauschen der unendlich wirkenden Wälder und im klaren Wasser des Baikalsees suchen. Doch die gibt es hier schon seit Wochen nicht mehr: Die Region um den größten Süßwasserspeicher der Erde ist das Zentrum der verheerendsten Naturgewalten, die Russland seit Jahren erlebt hat.

Noch immer ist nicht klar, wie die Brände ausbrachen

Eine Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens ist bereits abgebrannt – mehr als drei Millionen Hektar. Noch immer breitet sich das Feuer in den abgelegenen Gebieten der Taiga aus. Der Waldgürtel ist nicht nur Russlands grüne Lunge, sondern ist auch für das Weltklima extrem wichtig. Die genaue Brandursache ist noch nicht geklärt. Die Behörden ermitteln auch wegen Brandstiftung.

Der gefährliche Rauch wird Hunderte Kilometer weit in Städte wie Irkutsk oder Krasnojarsk getragen. Ruß legt sich über die Seen, zu denen es die Kinder in den Sommerferien zieht. Viele Menschen gehen an manchen Tagen nur noch mit Atemschutz aus dem Haus.

Eine Autostunde von Irkutsk entfernt können die Menschen den Qualm auch am Südufer des Baikalsees noch sehen, aber nicht riechen. Dicker Rauch hüllt die Schiffe ein. Reisende aus China machen Selfies vor den Rauchschwaden, als ob sie Sehenswürdigkeiten wären. "Jetzt lachen wir noch. Dreht der Wind wieder in die andere Richtung, stinkt es hier wie in einem Kohlelager", sagt ein Russe, der die Touristen durch das Örtchen Listwjanka am Seeufer lotst. Insgesamt sind am Baikalsee Hunderte Dörfer direkt von den Bränden betroffen. Die Straßen zu den Wohngebieten sind inzwischen gesperrt. Nur das Militär kommt mit speziellen Löschflugzeugen nah an die Waldbrände heran.

In Tulun haben Fluten die Häuser zerstört

Doch es gibt noch eine andere Katastrophe in der Region: Bei einem Dammbruch und heftigen Überschwemmungen verloren Tausende Menschen ihr Hab und Gut. In der Stadt Tulun im Osten von Irkutsk wurden Hunderte Häuser von den Fluten mitgerissen. Das Zuhause der Menschen liege auch Wochen später noch in Trümmern, erzählt eine Freiwillige, die die Bewohner bei den Aufräumarbeiten nach der Jahrhundertflut unterstützt. "Erst jetzt unternimmt der Staat etwas und ist auch sehr großzügig dabei. Aber vielleicht ist es zu spät."

Russische Umweltschützer warnen nämlich schon lange, dass die Infrastruktur in dem Riesenreich nicht ausreiche, um den globalen Klimawandel auszuhalten. Die Überschwemmungen und die Waldbrände seien eine Folge davon, sagt Grigori Kuksin von der Organisation Greenpeace der Zeitung "Nowaja Gaseta". Der sorglose Umgang mit Rohstoffen, illegale Abholzungen und Verstöße gegen Brandvorschriften führen zu solchen Katastrophen.

Auf die Behörden verlassen sich die Anwohner nicht mehr

"Die Behörden spielen bewusst jedes Jahr so aufs Neue mit der Gesundheit der Menschen", sagt Andrej Borodin. Eigentlich arbeitet der Physiker an der Universität Ulan-Ude in der Teilrepublik Burjatien am östlichen Ufer des Baikalsees. Als die Feuer 2015 seine Heimatstadt bedrohten, gründete er mit Freunden und Kollegen spontan eine Freiwilligenbrigade. Wenn die Behörden nicht oder zu langsam handeln, löschen sie gemeinsam mit Greenpeace in Eigeninitiative hochgefährliche Torf- und Waldbrände. Weil die Brandlage in diesem Jahr katastrophale Ausmaße angenommen habe, könnten die Freiwilligen nicht arbeiten.

"Auf die örtlichen Behörden ist kein Verlass. Nicht, weil sie unfähig, sondern überfordert sind", sagt Borodin. Die Feuerwehr in der Region sei eindeutig unterfinanziert. "Es fehlen die Mittel für alles: Löschgeräte, Wasser und auch für Einsatzkräfte. Wenn die Politik begreift, dass sie hier aufrüsten müssen, können wir die Brände in Zukunft schneller und kontrollierter löschen." Zwar komme es jedes Jahr zu heftigen Waldbränden, an der Lage für die Einsatzkräfte ändere sich aber nichts.

Jetzt hilft auch das Militär mit – endlich

Kremlchef Wladimir Putin schickte deshalb das Militär, um mit Kampfausrüstung die Feuer in den Griff zu bekommen. Tausende Spezialkräfte seien im Einsatz. Es gebe auch schon erste Erfolge, teilt das Verteidigungsministerium mit. Mehr als 100.000 Hektar seien um Irkutsk und Krasnojarsk bereits gelöscht.

Doch das sei erst ein Anfang, sagen die Umweltschützer. Das Wasser reiche für solche Einsätze in abgelegenen Gebieten nicht aus. Die Umweltschützer hoffen deshalb in den Sommermonaten auf Regen. Erst im Spätherbst könnte der Brand vollständig gelöscht sein, sagen sie.


Auf der Insel Olchon im Baikalsee gehen die Schamanen der Region deshalb in Stellung: An dem mystischen und ihnen heiligen Ort bitten sie höhere Mächte um Hilfe für die brennende Taiga.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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