"Es ist ein Glück, dass keiner tot ist" Tornado bohrte Ziegel wie Messer in Hausfassaden
Am Tag nach dem Tornado in der Eifel steigt die Zahl der Schäden und Verletzten. Einwohner berichten von erschreckenden Momenten. Bilder zeigen das Ausmaß der Verwüstung – ein Video den Tornado.
Bei dem Tornado in der Eifelgemeinde Roetgen sind mehr Menschen verletzt worden als zunächst angenommen. "Fünf Menschen sind leicht verletzt worden, vier von ihnen wurden im Krankenhaus behandelt", sagte ein Feuerwehrsprecher. Bislang hatten die Einsatzkräfte nur von einem Verletzten berichtet. Außerdem wurden nach Angaben der Feuerwehr bis zu 40 Häuser beschädigt, zehn davon seien derzeit unbewohnbar. Zwei Obergeschosse seien abgerissen worden. Zunächst war von 30 betroffenen Häusern die Rede gewesen.
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Am Morgen begannen die Aufräumarbeiten nach dem Tornado, der am Mittwochabend den Ortskern der Eifelgemeinde südlich von Aachen getroffen hatte. "Die Hauseigentümer werden ihre Schäden begutachten, vielleicht kommen auch schon Versicherungen", sagte der Roetgener Bürgermeister Jorma Klauss. Bereits am Abend waren mehr als 200 Einsatzkräfte mit Rettungs- und Sicherungsarbeiten beschäftigt, Notfallteams von Handwerkern waren im Einsatz.
Der kurze, heftige Sturm hatte in dem Ort an der Grenze zu Belgien Dächer abgedeckt, Fenster eingedrückt und Bäume abknicken lassen. Videoaufnahmen zeigen den Tornado, der eine Schneise der Verwüstung zog. Klinkerfassaden packte der Tornado mit seiner ganzen Kraft. Abgesplitterte Dachziegel wurden wie Messer in eine Hausfassade geschleudert und stecken noch. "Es ist ein Glück, dass keiner tot ist", sagte Harald Müller, der in einem der Häuser wohnt.
"Schmeißt Euch auf den Boden"
"Es wurde dunkel. Dann begann es zu hageln", so Müller. Dann dieser unbeschreibliche Lärm. Das Kindertrampolin wirbelte durch den Garten. "Schmeißt euch auf den Boden", habe er seinen hereinkommenden Kindern zugerufen und sich mit ihnen hingeworfen. Überall im Haus knallten Scheiben. "Es war, als hätte eine Bombe eingeschlagen." Am Folgetag waren 350 Einsatzkräfte mit Aufräum- und Reparaturarbeiten zugange.
"Er ist durchgefegt, kurz und heftig", beschrieb der Feuerwehrsprecher das Naturereignis. Der Sturm habe sich danach schnell wieder verzogen. Schäden gebe es relativ konzentriert an zwei Straßen. Auch im Umland seien aber Bäume umgefallen. Durch umherfliegende Teile wurden Autos beschädigt.
Erst jetzt wird Ausmaß der Schäden sichtbar
Die Schäden waren am Abend durch die hereinbrechende Dunkelheit schwer abzuschätzen gewesen. Nur wo Technisches Hilfswerk und Feuerwehr ihre Strahler hatten, wurde die Kraft der Zerstörung sichtbar. Erst am Morgen offenbarte sich das ganze Ausmaß des Sturms. 350 Einsatzkräfte setzten die Aufräum- und Reparaturarbeiten fort. "Das ganze Ausmaß der Schäden wird jetzt erst deutlich. Aber hier hat jeder Roetgener geholfen, das war wirklich toll", sagte der Feuerwehrsprecher.
In der Grundschule in Roetgen war bereits am Abend eine Betreuungsstelle eingerichtet worden, ein Bus fuhr die Betroffenen hin. Viele Bewohner der beschädigten Häuser seien allerdings bei Bekannten untergekommen. Ein Hotelier stellte nach Angaben der Stadt kostenlos Zimmer und Logis zur Verfügung. Natürlich habe der Sturm die 8.600-Einwohner-Gemeinde hart getroffen. "Aber wir sind gefasst, bei uns bricht keine Panik aus", sagte der Bürgermeister.
Einwohner sichtlich geschockt
Einigen Menschen sah man den Schreck am Abend noch an, wie der zierlichen Frau, die sich mit beiden Händen den Kopf hielt, ihn immer wieder ungläubig schüttelte. "Mein Mann und ich haben das zusammen aufgebaut. Jetzt wohnt mein Sohn drin", sagte sie und schaute in die Dunkelheit. Kurz danach wurde im Schein von Strahlern ein abgedecktes großes Dach sichtbar. Gardinen wehten durch den Fensterrahmen. Der Sohn sei noch nicht zu Hause, sagte die Frau.
"Durch den Druck sind die Fensterscheiben kaputt gegangen", stellte Glasermeister Sascha Jansen fest – und dies sei an mindestens 20 Häusern in der kleinen Straße der Fall. Der Wind habe das Glas in die Zimmer gedrückt. "So was habe ich noch nicht gesehen", schüttelte er ungläubig den Kopf. Mit einem Glaserteam sei er vor Ort. Aber das zweite Team sei schon unterwegs.
Wetterdienst bestätigt Tornado-Ereignis
"Mein Freund sucht Hilfe", erzählte währenddessen Axel Cziesla, vor dessen Haus wartend. Das Dach sei abgedeckt und müsste schnell provisorisch repariert werden. "Wenn es wieder regnet, ist alles hin." Kurz danach begann es, kräftig zu hageln.
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Der Deutsche Wetterdienst bestätigte, dass es sich bei dem starken Unwetter in der Gemeinde mit rund 8.500 Einwohnern um einen Tornado gehandelt hat. "Solche Windhosen sind zwar selten, können aber immer mal wieder aufkommen – selbst in Mitteldeutschland", sagte eine Sprecherin.
Unter Tornados verstehen Wetterkundler des Deutschen Wetterdienstes eine Luftsäule mit Bodenkontakt, die um eine mehr oder weniger senkrecht orientierte Achse rotiert und sich dabei unter einer tiefen Wolkenbasis befindet. Die genaue Höhe des aktuell so angerichteten Schadens ist bislang nicht bekannt – sie soll in den kommenden Wochen ermittelt werden.
- Nachrichtenagentur dpa